Forschungsgruppe vermutet große Mengen von natürlichem Wasserstoff in Gebirgszügen

Gebirgskette, Schweizer Alpen, Kanton Graubünden

Teilen

Die weltweit angestrebte Nutzung von Wasserstoff als Säule der Energiewirtschaft beruht nahezu ausschließlich auf synthetischer Produktion durch Elektrolyse. Eine internationale Forschungsgruppe hat nun eine mögliche Alternative dargelegt: die gezielte Suche nach natürlichen Vorkommen.

Zwar ist längst bekannt, dass Wasserstoff in verschiedenen geologischen Prozessen auf natürliche Weise entsteh. Bislang aber, so eine Mitteilung des Teams unter der Leitung von Frank Zwaan, Wissenschaftler in der Sektion „Geodynamische Modellierung“ am GFZ Helmholtz-Zentrum für Geowissenschaften, „war jedoch unklar, wo man nach potenziell großflächigen natürlichen Wasserstoffansammlungen suchen sollte“. Die Gruppe, zu der auch weitere GFZ-Mitarbeiter sowie Fachleute der Tufts University und der New Mexico Tech in den USA sowie der Universität Straßburg und Lavoisier H2 Geoconsult in Frankreich gehören, hat eine Antwort auf diese Frage formuliert. Durch plattentektonische Modellierung hat sie ermittelt, dass „Gebirgszüge, in denen sich ursprünglich tiefes Mantelgestein nahe der Oberfläche befindet, potenzielle natürliche Wasserstoff-Hotspots darstellen“. Ihre Ergebnisse hat die Gruppe in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht.

Natürlicher Wasserstoff kann beispielsweise durch bakterielle Umwandlung von organischem Material oder die Umwandlung von Wasser infolge des Zerfalls radioaktiver Elemente in der kontinentalen Erdkruste entstehen. Entsprechende Vorkommen wurden bereits an etlichen Orten entdeckt. In Mali, so die Mitteilung der Forschungsgruppe, sei „die generelle Nutzbarkeit von natürlichem Wasserstoff als Energiequelle“ auch bereits nachgewiesen, hier würden „begrenzte Mengen von H2 aus eisenhaltigen Sedimentschichten durch Bohrungen in den Untergrund gewonnen“.

Größeres Potenzial sehen die Forscher aber in einem geologischen Prozess, bei dem Mantelgestein mit Wasser reagiert. Bei einem als Serpentinisierung bezeichneten Prozess ändern die im Mantelgestein vorhandenen Minerale ihre Zusammensetzung, es entstehen neue Minerale der sogenannten Serpentingruppe und eben Wasserstoff. Es gibt demnach zwei bedeutsame plattentektonische Umgebungen, in denen Mantelgestein im Laufe von Millionen von Jahren an die Erdoberfläche befördert (exhumiert) und serpentinisiert wird. Dies seien erstens Ozeanbecken, die sich beim Dehnen von Kontinenten (Rifting) öffnen sowie zweitens Gebirgszüge, die sich im Anschluss an das Rifting bilden, „wenn Kontinente wieder zusammenrücken und kollidieren, so dass Mantelgestein an die Oberfläche gedrückt wird“.

Skizze der Exhumierung des Erdmantels, Potential für natürliche Entstehung von Wasserstoff
Hohes Potenzial für natürlichen Wasserstoff: Skizze der Exhumierung des Erdmantels in einem Gebirge.

Abbildung: CC BY-NC-SA 3.0 USGS / ESEU edited by Frank Zwaan, GFZ

Um das Wasserstoff-Potenzial einzuschätzen, sei „ein gründliches Verständnis der Entwicklung solcher tektonischer Umgebungen unerlässlich“. Die Forschungsgruppe nutzt nun einen „hochmodernen numerischen plattentektonischen Modellierungsansatz, der mit Daten aus natürlichen Beispielen kalibriert wurde“ zur Simulation der gesamten Entwicklung. Damit habe man erstmals bestimmt, „wo, wann und in welchem Umfang Mantelgestein während der Gebirgsbildung exhumiert wird und wann diese Gesteine bei günstigen Temperaturen mit Wasser in Kontakt kommen können, um eine effiziente Serpentinisierung und natürliche Wasserstofferzeugung zu ermöglichen“.

Hierbei habe sich gezeigt, dass die Bedingungen in Gebirgszügen weitaus besser sind als in den Riftbecken der Ozeane. Die Kapazität zur Wasserstofferzeugung sei im Gebirge bis zu 20-mal höher. Außerdem gebe es dort geeignete „Speichergesteine“ wie beispielsweise Sandsteine, in denen der Wasserstoff sich ansammelt und so wirtschaftlich nutzbar werde. Die Forschungsergebnisse gäben somit „einen starken Impuls, in Gebirgsregionen verstärkt nach natürlichem Wasserstoff zu suchen“. Es seien auch bereits entsprechende Explorationsbemühungen etwa in den Pyrenäen, den europäischen Alpen und dem Balkan im Gang, „wo die Forschenden bereits früher Hinweise auf eine stetige natürliche Wasserstofferzeugung gefunden haben“.

Entscheidend sei nun „die Entwicklung neuartiger Konzepte und Erkundungsstrategien“, so der Studien-Hauptautor Frank Zwaan. „Insbesondere müssen wir den zeitlichen Ablauf der wichtigsten beteiligten geologischen Prozesse bestimmen, denn wenn bei Gebirgsbildung Wasserstoffreservoirs entstehen sollen, muss es zuvor ein Rift-Ereignis, ein Dehnen der Erdkruste gegeben haben.“ Deshalb seien die Erkenntnisse aus plattentektonischen Simulationen von großem Wert. Möglicherweise, so Zwaan, markiere die Entwicklung einen Wendepunkt: „Wir könnten die Geburt einer Industrie des natürlichen Wasserstoffs miterleben.“

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.

Popular content

Solarpark, Hessen, Schneider GmbH, Autobahn
Studie: Summe der noch zu zahlenden EEG-Vergütung ist vergleichsweise klein
27 März 2025 Forscher der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg haben errechnet, das der Großteil der für das Erreichen der Erneuerbare-Zie...