CCS: „sacrificium intellectus“

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat den Knopf zum Hochfahren der CCS-Technik gedrückt. „Carbon Management-Strategie“ (CMS) wurde der Prozess getauft, der sie auf Touren bringen soll.

Ohne zur grundlegenden Frage, ob die sogenannten geologischen „Speicher“ dauerhaft dicht sein können, was schließlich Voraussetzung einer positiven Klimawirkung des CCS wäre, auch nur ein Wort zu verlieren, legt das Wirtschaftsministerium gleich zu Anfang seines Papiers „Erstellung der Carbon Management-Strategie“ fest: „Zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele ist … der Einsatz von CCU/S-Technologien (Carbon Capture and Utilization/Storage) erforderlich.“

Das ist die gleiche Methode, mit der auch vor 14 Jahren versucht wurde, in die Köpfe zu pflanzen, dass CCS eine Klimaschutzmaßnahme sei. Es erfolgte kein Nachweis der Wirksamkeit, geschweige denn eine Abwägung mit dem Klimaschutzpotenzial der erneuerbaren Energien, sondern nur die Affirmation „CCS ist eine Klimaschutzmaßnahme und unverzichtbar“. –  Man versuchte, auf jenem psychischen Mechanismus zu reiten, wonach eine Behauptung, wenn man sie nur oft genug wiederholt, den Charakter einer Tatsache annimmt.

Bemerkenswert auch, wie die „Carbon Management-Strategie“ strukturiert ist. Sie geht nämlich von oben nach unten: Zuerst werden die „CO2-Quellen“ behandelt, dann die Transportmöglichkeiten und erst zum Schluss die „Potenziale der geologischen CO2-Speicherung“.  Es ist so, als würde man mit der Hausplanung oben beim Dach anfangen und sich erst zum Schluss fragen, ob der Untergrund das Gebäude überhaupt trägt. Doch auch diese Reihenfolge entspringt einem psychologischen Kalkül: Vorne stehen die relativ wenig problematischen Phasen des Prozesses. An ihnen kann man demonstrieren, dass man die Sache „beherrscht“ und hofft, damit den Laien glauben zu machen, dass die abschließende Endlagerung genauso funktionieren wird. Er weiß ja nicht, dass sich das CO2 im Untergrund über hunderte von Quadratkilometern ausbreitet, und zwar in einem Gesteinskörper, der von vielfach undichten Gasbohrungen durchlöchert und von Wegsamkeiten, entstanden durch Geländesenkungen und Erdbeben aufgrund der Gasförderung, durchsetzt ist.

Am 24. März fand – organisiert von der Deutschen Energie-Agentur Dena  – der erste „Stakeholder-Dialog“ zur CMS im Wirtschaftsministerium statt. Doch auch diese Bezeichnung war im Grunde nichts weiter als eine Behauptung. Akteure, die sich bereits seit den frühen 2010er Jahren intensiv mit CCS beschäftigten und Bevölkerung und Politik überzeugen konnten, dass CCS ein Irrweg ist, so dass er in Deutschland nicht beschritten wurde, wurden nicht als „Stakeholder“ anerkannt und ausgeladen (darunter auch ich als Verfasser dieses Artikels). Auch von einem „Dialog“ konnte keine Rede sein. Vertreter von BUND, Greenpeace, Deutscher Umwelthilfe und weitere Sprecher brachten ihre Kritik an CCS zwar vor, konnten aber keine Diskussion auslösen.

Dass CCS realisiert werden soll, stand a priori fest und nicht zur Debatte. Ganz im Gegenteil. Man fürchtet eine öffentliche CCS-Diskussion wie der Teufel das Weihwasser, würde sie voraussichtlich doch dazu führen, dass das gesamte CCS-Vorhaben erneut scheitert. Hastig und mit einem handverlesenen Kreis hinter verschlossenen Türen will man daher bereits bis zum September 2023 einen „CCS-Infrastrukturplan“ unter Dach und Fach bringen.

Die Art, wie CCS als unhinterfragbar und quasi gottgegeben in den Raum gestellt wird, erinnert an die mittelalterliche Kirche, die verlangte, ihre Dogmen blind zu glauben und dafür den Verstand zu opfern. Es wurde „sacrificium intellectus“ genannt. Nicht von ungefähr hörte man in den frühen 2010er Jahren, dass die „CCS-Gemeinde“ in den Räumen der EU in Brüssel regelrechte Rituale veranstaltete, in denen man sich in feierlichem Kerzenschein auf die Wichtigkeit des CCS einschwor.  Klar, wenn man sich und andere davon überzeugen muss, dass CO2 in gestörten Formationen jahrtausendelang sicher eingeschlossen werden kann, braucht man so etwas.

Nicht alle sind aber zum Verstandesopfer bereit. Als in Schleswig-Holstein CO2 aus dem Ruhrgebiet verpresst werden sollte, bildete sich eine Bürgerinitiative mit 3000 Mitgliedern, darunter zwei Gemeinden und ein kompletter Landkreis. Der damalige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) wurde von seinen Friesen nachdrücklich über die Risiken der CCS-Technik informiert. Er verstand die große Besorgnis der Bevölkerung und nahm sie sehr ernst. Er forderte seine Parteikollegin und Bundeskanzlerin Angela Merkel umgehend auf, Ländern das Verbot von CCS zu ermöglichen. So kam kurz vor der Verabschiedung die „Länderklausel“ ins CCS-Gesetz. Diese, so ist zu hören, will Habeck übrigens wieder entfernen.

Auch jetzt wird es in Schleswig-Holstein bereits wieder lebendig. Die Landtagsfraktionen von SSW und SPD haben einen Dringlichkeitsantrag „Kein CCS in Schleswig-Holstein und deutschen Küstengewässern in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ)“ eingebracht. Die „Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager e.V.“ begrüßt diesen und untermauert ihn mit einer reichhaltigen Info-Zusammenstellung zum Thema CCS.

Vergangene Woche hat Greenpeace-Energieexperte, Karsten Smid, dem Umweltausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags geschrieben: „CCS ist eine Scheinlösung, die innovative Klimaschutzverfahren blockiert“ und dies in einer 15-seitigen wissenschaftlichen Darlegung detailliert begründet.

Die örtlichen „Scientists for Future“ haben sich ihre eigenen Gedanken gemacht und die Sache aus einem psychologischen Blickwinkel betrachtet: „Die psychischen Mechanismen von Selbstbetrug und ‚sich in die Tasche lügen‘ sind gut bekannt. Es ist verlockend, an bequeme und irgendwie magische Wunderlösungen zu glauben und die rational begründeten Zweifel an deren Realisierbarkeit beiseite zu schieben. Wenn es aber um offensichtlich existentielle Fragen geht, lässt unsere Bereitschaft, an solche Wunderlösungen zu glauben, rapide nach: Niemand würde sich in ein neuartiges Flugzeug setzen, wenn beim Start noch nicht klar ist, ob und wie man mit diesem Flugzeug sicher landen kann. Wir sollten uns also als Gesellschaft darüber im Klaren sein, dass es beim Klimaschutz nicht um eine Diät und bei CCS nicht um eine Diät-Wunderpille geht, sondern um eine existentielle ökologische Krise und darum, dieser Krise mit angemessenen und nachweislich sicheren Lösungsansätzen zu begegnen.“

— Der Autor Christfried Lenz politisiert durch die 68er Studentenbewegung, Promotion in Musikwissenschaft, ehemals Organist, Rundfunkautor, Kraftfahrer und Personalratsvorsitzender am Stadtreinigungsamt Mannheim, Buchautor. Erfolgreich gegen CCS mit der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“, nach Zielerreichung in „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ umbenannt und für Sanierung der Erdgas-Hinterlassenschaften, gegen neue Bohrungen und für die Energiewende aktiv (https://bi-altmark.sunject.com/). Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG (http://www.buerger-energie-altmark.de/). Bis September 2022 stellvertretender Sprecher des „Rates für Bürgerenergie“ und Mitglied des Aufsichtsrates im Bündnis Bürgerenergie (BBEn). Seit 2013 100-prozentige Strom-Selbstversorgung durch Photovoltaik-Inselanlage mit 3 Kilowattpeak und Kleinwindrad. —

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