Im Norden Frankfurts entsteht in den nächsten Jahren mit dem Klimaschutz-Quartier Hilgenfeld ein neues Wohnviertel, dessen Strombedarf vollständig und dessen Wärmenachfrage zu 65 Prozent aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden soll. Eine zentrale Aufgabe übernehmen dabei Photovoltaik-Anlagen mit insgesamt 2,5 Megawatt Leistung sowie 25 Batteriespeicher. Über ein Mieterstrom-Modell sollen sie die bis zu 2.500 Bewohner in 860 Wohnungen mit Strom versorgen.
Entwickler und Bauherr ist das Frankfurter Unternehmen ABG, um die Energieversorgung kümmert sich Mainova. Das Energiekonzept wurde gemeinsam mit der Ingenieursgesellschaft EGS-plan entwickelt. Die Erschließung des 17,7 Hektar großen Areals hat jetzt begonnen, der Bebauungsplan soll voraussichtlich im Frühjahr 2023 beschlossen werden. Wann die ersten Mieter einziehen können, teilten die Partner nicht mit.
PVT-Module für die Regeneration des Erdreichs
Das Konzept für die Wärmeversorgung sieht ein komplexes Zusammenspiel von Geothermie, Photovoltaik-Thermie-Anlagen (PVT), Wärmepumpen und gasbetriebenen Blockheizkraftwerken vor, die zum Teil mit Biomethan befeuert werden. Gespeist werden die in drei Heizzentralen installierten Wärmepumpen durch 161 Erdwärmesonden in 120 Metern Tiefe. Die Anlagen leiten die erzeugte Wärme in ein Wärmenetz, an das die Wohnhäuser des Quartiers angeschlossen werden. Die drei Gebäude, in denen die Heizzentralen liegen, werden über das überregionale Gasnetz versorgt. Für Spitzenlasten im Winter und als Reserve stehen Erdgaskessel zur Verfügung, die für maximal fünf Prozent des Wärmebedarfs benötigt werden.
Um die Erdsondenfelder, denen in den kalten Monaten Wärme entzogen wird, in der warmen Jahreszeit zu regenerieren, installiert Mainova auf den Dächern 1.160 so genannte PVT-Module. Sie erzeugen neben Strom auch Wärme, die in den Boden geführt und so saisonal gespeichert wird.
Zudem werden auf den Dächern der Häuser insgesamt 5.050 Photovoltaik-Module installiert. Mit dem erzeugten Strom werden die Wärmepumpen betrieben und die Batteriespeicher geladen. Der Überschuss wird als Quartiersstrom vermarktet. Zusätzlich benötigter Strom kommt aus dem öffentlichen Netz. Darüber hinaus baut Mainova mehrere Blockheizkraftwerke, deren Strom für die Wärmepumpen genutzt werden soll. Der Frankfurter Versorger wird sämtliche technischen Anlagen zur Strom- und Wärmegewinnung in einem langfristigen Contracting errichten und betreiben.
Erneuerbare bieten Schutz vor hohen Energiepreisen
Auf dem Areal nahe der S-Bahn-Station Frankfurter Berg entstehen 54 Mehrfamilienhäuser im höchsten Energieeffizienz-Standard. Rund 40 Prozent der 860 Wohnungen werden staatlich gefördert, vier Grundstücke werden an Baugruppen für gemeinschaftliches und genossenschaftliches Wohnen vergeben. Zusätzlich sind in dem Quartier zwei Kindertagesstätten und Gewerbeflächen für die Nahversorgung geplant.
„Die spürbaren Auswirkungen des Klimawandels und die dramatisch gestiegenen Preise für fossile Energien zeigen sehr deutlich, dass Maßnahmen für den Klimaschutz nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen dringend geboten sind“, sagt Frank Junker, Vorsitzender der Geschäftsführung der ABG Frankfurt Holding. Durch das gemeinsam mit EGS-plan entwickelte nachhaltige Quartiers- und Energiekonzept, das alle CO2-Emissionen für Heizung, Warmwasser, Allgemeinstrom und Haushaltsstrom berücksichtigt, erreiche man im Klimaschutzquartier Hilgenfeld die anspruchsvollen Klimaziele für 2040 schon heute.
„Die erneuerbare und hocheffiziente Energieerzeugung vor Ort spart jährlich knapp 2.000 Tonnen CO2 im Vergleich zu konventioneller Wärmeversorgung“, erklärt Constantin H. Alsheimer, Vorstandsvorsitzender der Mainova AG. Zusätzlich mache die überwiegend dezentrale Erzeugung das Hilgenfeld weitgehend unabhängig von fossilen Energieträgern.
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Maximaler Wärmestandard: Endlich!
Mieterstrom: entbehrlich, bringt nichts für die Energiewende. Man kann die PV-Module genausogut über Einspeisevergütungen als Volleinspeiser finanzieren. Für den Betrieb der Wärmepumpen kann man den notwendigen Strom eines Teils der Anlage, die dann eine geringere Einspeisevergütung wegen Eigenverbrauchs erhält, abzweigen. Mieterstrom ist das nicht, denn er dient der Wärmeversorgung.
Batteriespeicher: Warum macht man nicht einen großen Quartierspeicher, brandtechnisch von den Wohngebäuden abgetrennt, statt 25 kleiner? Notwendig ist es auch nicht und es wird im Zweifelsfalle die Wärmeversorgung verteuern. Für Errichtung und Betrieb von Stromspeichern sollte man abwarten, dass vernünftige Regelungen staatlicherseits getroffen werden, bei denen Vergütung und Steuerung nach den Bedürfnissen des Netzes optimiert sind.
Biogas: Wenn es aus Bioabfällen gemacht wird, ist nichts dagegen einzuwenden. Wenn es in Kraft-Wärmekopplung betrieben wird, ist das die Rechtfertigung dafür, dass man es im Quartier betreiben sollte. Die Beimischung von Erdgas ist nicht sehr zukunftsträchtig und sollte kein notwendiger Bestandteil sein. Dann schon eher Strom von außen, im Extremfall sogar in Direktheizung. Die braucht bei optimalem Wärmedämmstandard aufs Jahr gesehen auch fast nichts und hat niedrigere Investitionskosten.
PVT: Das ist’s, müsste aber, samt Speicher größer sein. Dann würde man auch 100% Wärme schaffen. Ob dieses Konzept mit dem Einspeichern auf verhältnismäßig niedrigem Temperaturniveau wirklich sinnvoll ist, kann ich nicht beurteilen. Den darüberliegenden Solarzellen wird es sicher gut tun, wenn sie nicht zu heiß werden. Wenn die PV aber ohnehin nur On-Top dazu kommt, könnte man auf die paar Prozent höherer Wirkungsgrad vielleicht zu Gunsten eines besser nutzbaren Temperaturniveaus auch verzichten? Oder man setzt noch paar extra Thermiemodule ein, die der Nachheizung auf ein höheres Temperaturniveau dienen, das dann ohne den Umweg über Wärmepumpen genutzt werden kann?
Insgesamt: Was man nur lokal machen kann (Solarthermie, PV als On-Top dazu, Wärmedämmung, Wärmepumpe, Wärmespeicherung, Kraftwärmekopplung) sollte man lokal machen. Bei allem anderen sollte man sehr genau auf die Wirtschaftlichkeit achten (reine PV-Module, Batteriespeicher)
Alles in allem: Guter Ansatz. Die Energiewende braucht das kommunale Engagement bei der energetisch optimierten Konzeption von Wohnquartieren. Es kommt aber darauf an, dass sich alles nicht nur gut anhört, sondern auch gut ist. Es ist letzten Endes auch ein wirtschaftliches Problem, vor dem wir stehen. Dieses verlangt, dass wir vorhandene Mittel so effizient wie möglich einsetzen. Der beste Indikator, ob etwas effizient ist, ist die Kostenrechnung ohne Inanspruchnahme von Subventionen.
„Darüber hinaus baut Mainova mehrere Blockheizkraftwerke, deren Strom für die Wärmepumpen genutzt werden soll. Der Frankfurter Versorger wird sämtliche technischen Anlagen zur Strom- und Wärmegewinnung in einem langfristigen Contracting errichten und betreiben.“
Nachtigall ick hör dir trapsen… Wo soll denn da die Wärme hin? Grundwärme liefern die Erdsonden mit den WP, für Spitzenlasten stehen Gaskessel zur Verfügung. Oder gibt es hier Defizite in der Beschreibung? Rechnerisch bleibt ggf. ein kleiner energetischer Vorteil einer Gasverstromung für den Betrieb der WP, denn eine JAZ von 4 dürfte schon erreicht werden. Aber wenn die Wärme der BHKW nicht genutzt werden kann, ist es ökologischer Nonsens….
In einem ähnlichen Wohnquartier in meiner Nachbarschaft führte das Contracting des regionalen Energieversorgers dazu, dass die Dächer nicht mit PV belegt wurden, es blieben sonst nicht genug Betriebsstunden für das BHKW übrig…
Wenn soviele Player nachher im Boot sind und alle was verdienen wollen, bleibt nachher kein großer Vorteil mehr für die Bewohner. Würde mich zu gegebener Zeit interessieren, was diese unterm Strich bezahlen müssen für den MIeterstrom und die Wärme….