Power-to-X-Technologien verlassen die Nische

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Der VDMA ist Partner der neuen decarbXpo, einer Messe zur Dekarbonisierung der Industrie in Düsseldorf, die die Energy Storage ablöst. Sie richten parallel die Power-to-X-Konferenz aus. Welche Themen wollen Sie auf der Konferenz diskutieren?

Peter Müller-Baum
Peter Müller-Baum ist seit 2018 Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft „Power-to-X for Applications“ des Verbands deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).

Foto: VDMA/ team-uwe-noelke.de

Peter Müller-Baum: Power-to-X-Technologien sind der Schlüssel, um die Energie­wende zu schaffen, echte Sektorkopplung, mehr Unabhängigkeit und mehr Klimaschutz zu erreichen. Die Weichen für die Wasserstoffwirtschaft sind gestellt. Jetzt geht es darum, die Chancen konsequent zu nutzen und die letzten Schritte aus der Theorie in die Praxis zu machen. Unsere „From Production to Application: The #P2X Conference” am 19. und 20. September 2022 legt entsprechend ihren Fokus auf die Praxis und auf konkrete technische Fragestellungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Zentrale Themen sind die unterschiedlichen Herstellungsverfahren und die Anwendungen im Schwerlastverkehr, Schiff- und Luftfahrt oder in den Prozessindustrien Stahl und Chemie. Hinzu kommen Sicherheitsfragen, Transport und Logistik sowie die technisch-ökonomische Bewertung ganzer Lieferketten und deren Geschäftsmodelle im nationalen und internationalen Kontext.

Wofür steht das X in Power-to-X genau? Welche Technologien werden Sie besprechen?

Mit Power-to-X oder kurz P2X sind wir in der Lage, aus Strom („Power“) gespeicherte Energie („X“) zu machen. Dieses X lässt sich auf unterschiedliche Weisen erzeugen, speichern, weiterverarbeiten und nutzen. Das ist nicht nur Wasserstoff, sondern auch die Synthese für E-Fuels und andere Power-to-Liquid Produkte, wie Ammoniak und Methanol. Mit P2X wird es kurz gesagt möglich, Energie einfach und über lange Zeiträume zu speichern und zu transportieren und Industrie wie Verbraucher zu versorgen.

Noch sind Power-to-X-Anwendungen eine Nische, welche deutschen Hersteller etablieren sich dort derzeit und welches Wachstum gibt es? 

Die P2X-Wertschöpfungskette ist sehr lang, es werden unterschiedliches Know-how und unterschiedliche Unternehmen gebraucht. Zunächst werden erneuerbare Energie und Wasser benötigt, um daraus Wasserstoff zu gewinnen. Diesen kann man entweder sofort nutzen oder aber in weiteren Schritten umwandeln und zum Beispiel E-Fuels, Ammoniak oder Methanol erzeugen. Diese Produkte wiederum können dann verteilt und sehr unterschiedlich genutzt werden. So entsteht eine lange Kette der Kooperation. Ich möchte keine einzelnen Unternehmen herausheben, aber Sie können davon ausgehen, dass die über 170 Mitgliedsunternehmen der VDMA Power-to-X for Applications eine wichtige Rolle spielen im sich entwickelnden Markt. Denn P2X ist gerade dabei, die Nische zu verlassen. Die Wachstumschancen sind enorm. Das Beratungsunternehmen Frontier Economics hat schon vor einiger Zeit berechnet, dass die weltweite Nachfrage nach P2X bis zum Jahr 2050 leicht Größenordnungen von 20.000 Terrawattstunden erreichen könnte. Das entspricht der Hälfte des derzeitigen weltweiten Rohölmarkts.

Die decarbXpo löst die Energy Storage Konferenzmesse ab

Die Power-to-X-Konferenz findet begleitend zur Expo for Decarbonized Industries, kurz decarbXpo, vom 20. bis 22. September in Düsseldorf statt. Diese ersetzt die altbekannte Energy Storage und erweitert die Perspektive auf die Anwendungen in der Industrie.

Interview mit Bernd Jablonowski, Executive Director der Messe Düsseldorf, zu dem, was man auf der neuen decarbXpo findet und wie dort das Thema Energiespeicher eingebunden ist.

Begleitende Konferenzen

Lassen sich mit diesen Anwendungen energieintensive Unternehmen und die Chemieindustrie dekarbonisieren? Welche Ansätze versprechen die höchsten Einsparungen?

Rund ein Fünftel des Ausstoßes an Treibhausgasen in Deutschland geht derzeit auf das Konto der Industrie, die Stahl- und Eisenbranche ist der größte Einzelverursacher. Traditionell wird Stahl in Hochöfen erzeugt, die mit Kohle beziehungsweise Koks betrieben werden und daher erhebliche Mengen Kohlendioxid verursachen. P2X-Produkte werden dort also dringend benötigt. Grüner Wasserstoff wird künftig in der Stahlerzeugung sogenannte Direkt­reduktionsanlagen betreiben. So kann tatsächlich grüner, klimaneutraler Stahl erzeugt werden.

In der chemischen Industrie können mittels P2X perspektivisch die aktuell noch zumeist mineralölbasierten Grundstoffe ersetzt werden. Für die Chemieindustrie ist Wasserstoff schon heute außerordentlich wichtig und Startpunkt langer Wertschöpfungsketten. Nehmen Sie zum Beispiel aus Wasserstoff erzeugtes Ammoniak. Es ist seinerseits wiederum Ausgangstoff für die Synthese zahlreicher Verbindungen. Das Gas wird etwa zu Düngemitteln weiterverarbeitet oder zur Produktion von Kunststoffen und synthetischen Fasern eingesetzt. Künftig kann grüner Wasserstoff hier dafür sorgen, dass Klimaneutralität erreicht wird.

Wenn Lösungen aus der Forschung kommen, müssen sie von Ihrer Branche, den Maschinen- und Anlagenbauern, in die Praxis übersetzt werden, damit sie in der Industrie wirken können. Wie gut funktioniert diese Verzahnung?

Gerade diese traditionell enge Vernetzung von Forschung und Industrie, die Sie ansprechen, ist es, die Deutschland und Europa im Maschinenbau stark macht. Viele Forschungsprojekte werden gemeinsam mit Unternehmen aus der Taufe gehoben, es findet ein ständiger Dialog statt. Zudem, der Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland ist selbst überaus aktiv in Forschung und Entwicklung und hat im Jahr 2020 fast sieben Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung aufgewendet. Auch der Bund ist aktiv. Zur Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung 2021 drei Wasserstoff-Leitprojekte gestartet. Eines davon ist H2 Giga. Es soll Elektrolyseure in die Serienproduktion bringen. Mehr als 130 Institutionen aus Industrie und Wissenschaft sind beteiligt. Unsere VDMA Power-to-X for Applications ist dabei in das Teilprojekt “e-Module“ eingebunden.

Was treibt den Wandel aus ihrer Perspektive in der Wirtschaft am stärksten an und wo benötigen Sie Sie zusätzliche Anreize?

Der Wandel ist in vollem Gange, gespeist zum einen aus der Überzeugung, dass wir den Klimaveränderungen begegnen müssen, zum anderen aus den Urkräften des Marktes und des freien Wettbewerbs. Sicher hätte die Politik vieles besser machen können, und ja, sie könnte auch noch heute einiges besser machen, etwa die Umsetzungsgeschwindigkeit steigern. Aber über politische Herausforderungen wird aus meiner Sicht genug geredet und geschrieben. Deshalb wollen wir uns bei unserer Konferenz bewusst auf die Technologie und die Praxis konzentrieren.

Welchen Input für die Power-2-X-Konferenz benötigen Sie aus der Solar- und Speicherindustrie und was könnte die Branche von dort mitnehmen?

Power-to-X funktioniert nur mit erneuerbaren Energien, die Energiewende und echte Sektorenkopplung funktionieren nur, wenn die gesamte Wertschöpfungskette eingebunden ist, sich austauscht und vernetzt, und wenn ganzheitlich gedacht wird. Unsere Konferenz findet ja genau deshalb ganz bewusst in unmittelbarer Nähe zur decarbXpo und zur IRES 2022 statt. Wir wollen die Synergien aller drei Formate optimal nutzen: Die IRES bildet den aktuellen Stand der Forschung und die Rahmenbedingungen von Energiespeichertechnologien ab, die decarbxpo als Fachmesse für Klimaschutz, Energiewende und Dekarbonisierung vernetzt die Technologie- und Serviceanbieter mit Industrie und Gewerbe, wir schauen auf die Praxis und auf konkrete technische Fragestellungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. So können wir alle voneinander lernen – eine Win-Win-Win-Situation, sozusagen.

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