Klima Union will einen wirtschaftlich-industriellen, konservativen, christlich-demokratischen Weg für Klimaneutralität bis 2040 aufzeigen

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pv magazine: Wie schätzen Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein, das ja Teile des deutschen Klimaschutzgesetzes für unzureichend erklärt hat.

Wiebke Winter: Ich halte es für eine große Chance, dass wir die Energiewende jetzt noch mal nachhaltig gestalten können und dass wir jetzt noch mal die Chance haben, die CO2-Ziele auch langfristig und nachhaltig anzupassen und damit die Emissionen auch jetzt schon verringern und das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Ich möchte mich gern ab September dafür verantwortlich zeichnen und mich im Bundestag dafür einsetzen, dass wir noch ehrgeizigere Klimaziele erreichen und Deutschland bis spätestens 2040 klimaneutral machen.

Sie haben vor einiger Zeit die Klima Union innerhalb der CDU und CSU gegründet. Wie viele Mitglieder haben Sie aktuell, und was konkret ist Ihr Ziel mit der Klima Union?

Wir haben eine vierstellige Anzahl an Mitgliedern. Unser Ziel ist es, innerhalb der Union das 1,5-Grad-Ziel und die Klimaneutralität in den nächsten 10 bis 20 Jahren, sprich bis spätestens 2040, zu verankern – zum einen im Wahlprogramm und später dann hoffentlich auch im Koalitionsvertrag.

Es sind alle Mitglieder aus CDU/CSU? Oder sind es auch andere Unterstützung bei dieser vierstelligen Zahl?

Ordentliche Mitglieder können nur Menschen werden, die auch Mitglied in der CDU oder CSU sind. Fördermitglieder können auch Menschen werden, die nicht Mitglied in der CDU oder CSU sind. Diese haben dann aber kein Abstimmungsrecht. Es geht uns darum, eine besondere Nähe auch zur CDU und CSU aufzubauen und zu zeigen, dass wir tatsächlich ein Gremium sind, das wir aus der Partei in die Partei wirken möchten.

Warum haben Sie die Klima Union genau jetzt gegründet? Denn das Thema ist ja doch schon seit einigen Jahren, also spätestens seit Fridays for Future, präsent.

Ich habe mich schon lange für dieses Thema engagiert. Philipp Schröder und Heinrich Strößenreuther hatten sich im Januar auf Clubhouse kennengelernt und haben die Idee entwickelt, da es eigentlich immer noch keine Plattform gab, auf der sich die klimapolitisch interessierten Mitglieder der CDU und CSU vernetzen und gemeinsam für dieses 1,5-Grad-Ziel einstehen können. Heinrich Strößenreuther und Philipp Schröder haben mich gefragt, ob ich die Klima Union mitgründen möchte – und ich habe natürlich ja gesagt.

Wie sollte nach Ihrer Ansicht eine wirksame Klimapolitik für das 1,5-Grad-Ziel aussehen?

Es gibt das sehr viele verschiedene Hebel, die man angehen muss. Zwei Aspekte sind mir besonders wichtig: Das ist zum einen, dass wir unsere Energieversorgung umstellen müssen – von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien. Wir brauchen dafür einen massiven Ausbau von Photovoltaik, Onshore- und Offshore-Windkraftanlagen. Gerade, wenn wir auch die Industrie auf E-Fuels umstellen wollen, die aus erneuerbaren Energien geschaffen werden, dann brauchen wir deutlich mehr Strom – und der muss auch noch günstig sein. Als Norddeutsche begrüße ich es natürlich besonders, wenn wir Offshore-Energie weiter fördern würden. Dann brauchen wir zum anderen einen massiven Ausbau der Netzkapazitäten, um beispielsweise den auf dem Meer produzierten Strom in den Süden zu transportieren. Das stockt leider seit einer Weile. Ich wünsche mir, dass es da schnell geht. Dazu brauchen wir sicherlich auch Anpassungen im Planungs- und Baurecht, um eine Privilegierung des Stromnetzausbaus hinzubekommen.

Erklärte Ziele der Klima Union sind, Klimaschutz und soziale Marktwirtschaft miteinander zu vereinen. Sie wollen in Richtung nachhaltige Marktwirtschaft und Klimawohlstand von morgen. Wie kann ich mir das vorstellen und wie soll das gelingen?

Ich und auch die anderen Mitglieder der Klima Union sind der Auffassung, dass der Klimawandel die größte Herausforderung seit der Wiedervereinigung ist. In jeder Herausforderung liegt allerdings auch eine Chance. Für unsere deutsche Wirtschaft und Industrie besteht die Chance darin, dass wir durch unser Know-how, unsere Ingenieure und unsere Innovationskraft vorangehen können. Wir haben hier in Deutschland mit die besten Ingenieure der Welt. Sprich, wir haben hier das Potenzial, zum Vorreiter zu werden, was Innovationen und Klimaschutztechnologien angeht. Dies kann dann zu einem enormen Motor für unsere Wirtschaft werden. Wir können neue Arbeitsplätze schaffen für ganz Deutschland. Dafür ist die Union dann die richtige Partei, weil wir schon immer die Partei der Wirtschaft waren. Wir haben die besten Kontakte zum Mittelstand. Da sehe ich eine sehr, sehr große Chance für Deutschland.

Nun könnte man sagen, Peter Altmaier ist seit Jahren als CDU-Bundeswirtschaftsminister genau an dieser Stelle, wo er die Hebel umlegen könnte. Er ist für die Energiewende zuständig, er ist für die Wirtschaft zuständig. Warum ist es in der Union bisher nicht in diese Richtung gegangen?

Das frage ich mich auch. Ich setze mich dafür ein, dass es in Zukunft besser wird. Genau deswegen kandidiere ich auch für den Deutschen Bundestag. Wir sind ja schon die richtige Richtung gegangen, nur waren wir nicht ehrgeizig genug. Ich will mich dafür einsetzen, dass wir da ehrgeiziger vorangehen.

Und welche Mittel und Wege sehen Sie, um ihre Position in der Klima Union auch innerparteilich zu erreichen? Hilft es da, dass sie im Bundesvorstand tätig sind?

Ganz bestimmt. Wir haben ja auch andere Mitglieder aus dem Bundesvorstand der CDU Deutschland bei uns in der Klima Union, zum Beispiel Monika Wüllner oder Serap Güler. Zudem haben wir viel Unterstützung durch andere Bundestagsabgeordnete, unteranderem vom stellvertretenden Fraktionsvorsitzende Andi Jung. Zudem habe ich als Bundesvorstandsmitglied der CDU die Möglichkeit, das Wahlprogramm der CDU/CSU Deutschland mitzubestimmen.

Ich habe gelesen, Sie wollen eine anerkannte Parteigliederung werden. Was meint das genau?

In unserer Satzung steht, dass wir, sobald das 1,5-Grad-Ziel und Klimaneutralität in den nächsten 10 bis 20 Jahren, sprich bis 2040, erreicht worden sind, entweder eine Vereinigung werden oder uns auflösen wollen. Wenn wir unser Ziel erreicht haben und die Klimakrise überwunden ist, dann braucht es die Klima Union vielleicht auch gar nicht mehr. Dann können wir uns nach meiner Einschätzung auch guten Gewissens wieder auflösen. Das Ziel, Vereinigung zu werden, ist nicht unser Primärziel.

Welche Bedeutung hat die Klima Union vor dem Hintergrund der nächsten Bundestagwahl? Also geht es Ihnen darum, mehr Wähler für die Union zu gewinnen, denen Klimaschutz als Thema sehr wichtig ist? Oder ist es vielleicht auch eine Vorbereitung auf ein mögliches Regierungsbündnis Schwarz-Grün, Grün-Schwarz, wie auch immer es ausgehen mag?

Meine ganz persönliche Motivation, die Klima Union mitzugründen, liegt darin, dass ich gerne einen konservativen Weg zeichnen möchte, wie man dem Klimawandel begegnen kann. Ich sehe viele Punkte kritisch, die die links-grüne Klimaszene aufwirft: insbesondere die Kapitalismuskritik oder die stetige Forderung nach Verzicht, die aus meiner Sicht so nicht möglich ist in unserer Gesellschaft. Mit der Klima Union will ich einen wirtschaftlich-industriellen, konservativen, christlich-demokratischen Weg aufzeigen. Ich bin mir sicher: Damit können wir viele Menschen überzeugen, denen das Thema Klimaschutz sehr wichtig ist, die sich jedoch auch nicht mit der links-grünen Klimaszene identifizieren können.

Also Sie sagen, Sie wollen keinen Verzicht oder auch keine Verbote für die Menschen, um Klimaschutzziele zu erreichen. Was sehen Sie als Alternative, wie man es dennoch auch sinnvoll für die Wirtschaft bewerkstelligen kann, dass man die Klimaneutralität erreicht?

Wir brauchen einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien, um dann auch E-Fuels herstellen können: zum Beispiel für emissionsfreies Fliegen, eine Technologie, von der ich hoffe, dass wir sie bald final entwickeln können. Ich freue mich, dass mein Mitgründer Frank Anton sich dafür schon seit Jahren einsetzt.  Für die Herstellung von Wasserstoff und E-Fuels braucht man eine enorme Menge an Energie. Es ist etwa die fünffache Energie notwendig, die man später in Wasserstoff speichern kann. Das heißt, wir brauchen viele neue Energiequellen: Onshore, Offshore und Photovoltaik ganz primär. Wir müssen zudem klimaaußenpolitisch denken, denn bei uns weht der Wind einfach nicht so stark, wie er müsste, oder auch die Sonne scheint nicht immer so viel, wie wir es uns wünschen würden. Das heißt, wir müssen schauen, wo wir vielleicht in anderen Ländern investieren und eine Art Klimaentwicklungspolitik betreiben können – vielleicht könnte dies auch gerade für Länder mit mehr Sonnenstunden ein Marshallplan werden.

Nun haben sich die Energiepolitiker der Regierungsfraktionen unlängst darauf geeinigt, das Ausschreibungsvolumen für Photovoltaik und Windkraft zumindest für das nächste Jahr anzuheben. Hilft so eine einmalige Anhebung auf dem Weg zur Klimaneutralität oder auch mit Blick auf schärfere EU-Klimaziele, die ja nun beschlossen werden, oder auch Pariser Klimaziele?

Jede Anhebung des Ausschreibungsvolumens hilft. Aber wir brauchen wahrscheinlich noch mehr Ausschreibungsvolumen als das, was bis jetzt beschlossen wurde.

Warum fällt es der Regierung so schwer, sich da auf einen ambitionierteren Pfad bis 2030 zu einigen?

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts haben CDU und CSU nun ambitionierte Ziele vorgelegt. Markus Söder will Bayern bis 2040 klimaneutral machen. Und Armin Laschet hat ein Papier vorgelegt, nachdem die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 Prozent reduziert werden sollen. Dort finden sich auch noch weitere, richtig gute Ansätze.

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