Aurora Energy Research sieht rein marktgetriebenen Ausbau der Erneuerbaren kritisch

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Die Erneuerbaren sollen 2030 insgesamt 65 Prozent des Nettostromverbrauchs decken, hat die Bundesregierung als Ziel ausgegeben. Das Ende letzten Jahres verabschiedete EEG 2021 soll die Weichen dafür stellen. Doch werden die Annahmen, Maßnahmen und Vorgaben der Novelle dem Ziel wirklich gerecht? Das haben die Analysten von Aurora Energy Research untersucht. Dabei haben sich die Experten auf den zu erwartenden Erneuerbaren-Ausbau, auf die Annahmen zum Stromverbrauch und den anvisierten Übergang zu einem rein marktgetriebenen Ausbau konzentriert. Die Ergebnisse der Analyse hat Projektleiter Casimir Lorenz jetzt in Tagesspiegel Background vorgestellt.

Die Modellierung verschiedener Entwicklungspfade zeigt, dass der Erneuerbare-Zubau unter den künftigen gesetzlichen und marktlichen Rahmenbedingungen hinter dem zurückbleibt, was bei für das Erreichen des 65-Prozent-Ziels notwendig ist. Bis zu zehn Gigawatt Photovoltaik-Leistung könnten bis 2030 fehlen, rund sechs Gigawatt bei der Onshore-Windenergie und zwei bis drei Gigawatt bei der Biomasse. Bis zu vierzig Prozent der für 2030 angepeilten Erneuerbare-Kapazitäten stünden auf wackeligen Füßen.

Von falschen Annahmen geht die Bundesregierung auch beim Stromverbrauch aus. Im Zuge der Sektorenkoppelung liegt er nach Einschätzung der Analysten 2030 bei 630 Terawattstunden – das Bundeswirtschaftsministerium rechnet mit 580 Terawattstunden. Selbst wenn der anvisierte Erneuerbare-Zubau so kommt wie im EEG 2021 anvisiert, lässt sich damit bei einem Verbrauch von 630 Terawattstunden nur ein Anteil von 62 Prozent decken. Mit den aufgeführten Lücken beim Erneuerbaren-Ausbau sinkt der Anteil gar auf 54 Prozent, kaum mehr als bereits heute erreicht ist.

Förderung auch Ende des Jahrzehnts unverzichtbar

Besonderes Augenmerk widmet Lorenz der Frage, wie der Ausbau der Erneuerbaren in Zukunft finanziert werden soll. Im EEG 2021 heißt es, er solle „so weit wie möglich marktgetrieben“ werden. Der Systemwechsel solle in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts erfolgen. Die Aurora-Experten kommen bei ihren Modellierungen zu dem Schluss, dass der Erneuerbare-Anteil 2030 nur bei 49 Prozent liegen wird, wenn ab 2027 nur noch marktbasiert ausgebaut wird. Grund dafür ist, dass die Preise im Strommarkt mit steigendem Erneuerbaren-Ausbau sinken werden, so dass es Betreiber immer schwerer haben, die Stromgestehungskosten zu decken.

Nur bei stark steigenden CO2-Preisen könnte der nötige Ausbau ganz ohne Förderung gelingen. Allerdings müsste der Preis dafür 2030 bei 120 Euro pro Tonne liegen – „aus derzeitiger Sicht wirklichkeitsfremd“, kommentiert Lorenz.

„Bundesregierung soll Warnungen aus der Branche und von Analysten ernst nehmen“

Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) sieht sich in der Analyse von Aurora Energy Research bestätigt. „Dass der Umstieg auf einen rein marktgetriebenen Ausbau nicht vereinbar mit dem 65-Prozent-Ziel ist – es sei denn mit extrem hohen CO2-Preisen – macht die Notwendigkeit eines tragfähigen EEG umso deutlicher“, erklärt BEE-Präsidentin Simone Peter.

Peter verweist darauf, dass sich die Bundesregierung selbst verpflichtet hat, das EEG in diesem Frühjahr nochmals nachzubessern. Diese Korrektur müsse die Anpassung der EU-Klimaziele ebenso berücksichtigen wie einen steigenden Bruttostrombedarf durch die wachsende Sektorenkopplung. Deswegen sei ein nationales Ausbauziel von 80 Prozent Erneuerbaren im Stromsektor bis 2030 und die entsprechende Anpassung der Ausbau- und Ausschreibungsmengen notwendig, so Peter.

Zudem müssten Hürden im Gesetz, die der Entfesselung der Erneuerbaren entgegenstehen, beseitigt werden. Dazu zählten die weit reichenden Änderungen des Ausschreibungsdesigns zum Nachteil einzelner Technologien, die kurzfristig in die EEG-Novelle 2021 einflossen. Bei der Photovoltaik zum Beispiel sei die Wahlmöglichkeit, ab 300 Kilowatt an der Ausschreibung teilzunehmen oder alternativ eine Vergütung für nur 50 Prozent des Stroms zu erhalten, eine künstliche Marktbremse. „So wird Wettbewerb ins Absurde geführt und die Branche zusätzlich verunsichert“, sagt Peter. Die Bundesregierung solle die Warnungen aus der Branche und von Analysten ernst nehmen, dass ohne ambitioniertere Ausbauziele im EEG die Zielverfehlung beim Klimaschutz drohe.

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