Kohleausstieg ist Umstieg ins Erdgas

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Indem sich an den kritikwürdigen Details Zorn entzündet, gerät aus dem Blick, um was für eine Art Manöver es sich bei dem Kohleausstieg insgesamt überhaupt handelt. Dass entgegen dem Willen der Kohlekommission ein Hinweis auf den Ausbau der Erneuerbaren im Ausstiegsgesetz fehlt, wurde unter anderem vom BEE dankenswerterweise kritisiert. Niemand scheint sich aber zu fragen, wodurch die Kohle abgelöst wird, wenn es nach dem Willen der Bundesregierung offensichtlich nicht die Erneuerbaren sein sollen, deren Ausbau dann nämlich exponentiell sein müsste.

Nun, den exponentiellen Ausbau haben wir, nicht bei den Erneuerbaren, aber beim Erdgas:

  • Die Förderung riesiger neu entdeckter Gasvorkommen unter dem östlichen Mittelmeer wird vorbereitet.
  • Zusätzliche Gasleitungen sind in Bau oder Planung, um den „Gasschatz“ (so Altmaier 2019 bei einem einschlägigen Besuch in Ägypten https://www.pv-magazine.de/2019/05/15/nicht-nur-co2-sondern-auch-methan-emission-bei-erdgas-bepreisen/ ) nach Europa und insbesondere nach Deutschland zu schaffen.
  • Während sich die Erneuerbaren freuen sollen, dass sie durch Beseitigung des 52 Gigawatt-Photovoltaik-Deckels wenigstens nicht vollends abgewürgt werden, wird dem Aufbau einer LNG-Infrastruktur rechtlich und finanziell der rote Teppich ausgerollt.
  • Das Bundesberggesetz erzwingt bei entsprechender Antragstellung durch Förderfirmen neue Gasbohrungen hier in unserem eigenen, dicht besiedelten ehemaligen Energiewende-Musterland.

Mit einem billigen Taschenspielertrick wird das Erdgas als „Brückentechnologie“ verkauft: Dass die Erdgasflamme weniger CO2 emittiert als die Kohle, wird ausposaunt. Dass durch die Methanemissionen in der Vorkette Erdgas unterm Strich klimaschädlicher ist als Kohle, wird verschwiegen.

Der Teufel wird also mal wieder durch Beelzebub ausgetrieben. Ist es da eigentlich von Belang, ob Beelzebub ein paar Jahre früher oder später kommt?

Doch Teile der Klimaschutzbewegung merken gar nicht, dass es sich bei dem Ausstieg aus der Kohle nur um den Switch auf einen anderen mindestens ebenso klimaschädlichen fossilen Brennstoff handelt. Die Initiative „German Zero“ applaudiert den Plänen Altmaiers sogar, indem sie selber einen Zubau von Erdgaskraftwerken im Umfang von 30 GW fordert.

Die repräsentative Demokratie legt die Haltung nahe: „Wir haben euch gewählt, jetzt macht mal“ – was dann häufig Unzufriedenheit und Kritik nach sich zieht. Die Energiewende braucht statt dessen das „autonome Selbermachen“. Hierzu schrieb Hermann Scheer in „Energieautonomie und Energieautarkie“:

„Die autonome Aneignung erneuerbarer Energien durch eine Vielzahl von Akteuren ist die einzige Erfolg versprechende Methode, den Energiewechsel rechtzeitig und unumkehrbar gegen die Funktionslogik des überkommenen Energiesystems durchzusetzen. Dieser Weg zum Durchbruch erneuerbarer Energien führt zu einer durchgängig neuen Struktur der Energienutzung, die nur neben der gegenwärtigen entstehen kann – und diese Zug um Zug ersetzt und schließlich überflüssig macht.“ (Zitiert nach „SolarStrategie“ von MetropolSolar, Daniel Bannasch)

Diese Akteure sitzen nicht in Parlamenten und auch nicht in den Führungsetagen von Verbänden. Es sind mittelständische innovative Firmen und Menschen, die „Lust auf Zukunft“ haben. Und Zukunft ist das Unvorhersehbare, das absolut Neue. Das werden diese Menschen erkunden und dazu auch niemanden um Erlaubnis fragen. Wer könnte ihnen diese auch erteilen oder vorenthalten?

— Der Autor Christfried Lenz, politisiert durch die 68er Studentenbewegung,  Promotion in Musikwissenschaft, ehemals Organist, Rundfunkautor, Kraftfahrer und Personalratsvorsitzender am Stadtreinigungsamt Mannheim, Buchautor. Erfolgreich gegen CCS mit der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“, nach Zielerreichung in „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ umbenannt und für Sanierung der Erdgas-Hinterlassenschaften, gegen neue Bohrungen und für die Energiewende aktiv (https://bi-altmark.sunject.com/). Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG (http://www.buerger-energie-altmark.de/). Seit 2013 verfügt der stellvertretende Sprecher des „Rates für Bürgerenergie“ im Bündnis Bürgerenergie (BBEn) über eine 100-prozentige Strom-Selbstversorgung durch Photovoltaik-Inselanlage mit 3 Kilowattpeak. —

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.

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