Mit einer Jahresproduktion von über 100 Millionen Tonnen ist Methanol heute eine der wichtigsten Basischemikalien weltweit. Die konventionellen Herstellungsprozesse basieren auf fossilen Rohstoffen wie Erdgas, Kohle oder Erdöl. Die Methanolsynthese, also die Herstellung von Methanol aus Wasserstoff und CO2, könnte eine klimafreundliche Alternative sein: Im Rahmen so genannter Power-to-Liquid-Verfahren hat sie das Potenzial, CO2 beispielsweise aus Biomasse zu binden. Das entstandene Methanol ist damit klimaneutral.
Seit Dezember 2019 betreiben die Freiburger Fraunhofer-ISE-Forscher eine Miniplant-Anlage zur Methanolsynthese, die sich durch eine zeitlich und räumlich hochauflösende Messtechnik auszeichnet. Installiert wurde sie im Rahmen des Projekts „Power-to-Methanol – Grünes Methanol“, das vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert und von der Dechema e. V. geleitet wird. „Ziel des Projekts ist eine wissenschaftliche und wirtschaftliche Betrachtung der Machbarkeit einer Methanolsynthese aus erneuerbaren Energien und biogenem CO2 aus einer Bioraffinerie zur Herstellung von erneuerbarem Ethanol«, erklärt Projektleiter Max Hadrich, Teamleiter Power-to-Liquids am Fraunhofer ISE. Als industriellen Partner sind die Crop Energies AG als Mitglied der Südzucker-Gruppe, der Spezialchemiekonzern Clariant sowie die Thyssenkrupp Industrial Solutions AG mit an Bord. Akademische Partner sind die Fraunhofer-Institute IGB und Umsicht sowie die TU Bergakademie Freiberg.
Die Miniplant-Anlage setzt Wasserstoff und CO2 in einem kontinuierlichen Prozess zu Methanol um. Dabei wird Wärme frei. Als Nebenprodukt entsteht Wasser. Um dieses Verfahren in Kombination mit einer Bioraffinerie großtechnisch nutzen zu können, müssen jedoch noch einige Aufgaben gelöst werden. So führen beispielsweise hohe CO2-Anteile im Synthesegas zu einer beschleunigten Alterung des eingesetzten Katalysators sowie zu verringerten chemischen Umsätzen. Zudem können Schwankungen in der Produktion des aus fluktuierenden erneuerbaren Energien hergestellten Wasserstoffs ebenso wie Schwankungen im gekoppelten Prozess zur Bereitstellung von CO2 einen dynamischen Synthesebetrieb erfordern.
„Hieraus ergeben sich vielfältige Kombinationen technischer Arbeitspunkte, die erst einmal untersucht werden müssen, bevor eine nachhaltige Methanolsynthese im Industriemaßstab umgesetzt werden kann. Eine solche Dynamik ist bei heutigen Prozessen schlicht nicht vorgesehen“, erklärt Florian Nestler, Doktorand am Fraunhofer ISE.
Am Fraunhofer ISE werden die neuartigen Randbedingungen für die Methanolsynthese nun experimentell und mittels Simulationen mit Fokus auf den katalytischen Vorgängen im Synthesereaktor untersucht. Dazu wurde eine dynamische Simulationsplattform entwickelt, die stationäre und dynamische Wärmeübergänge, das Reaktionsverhalten und zeitliche sowie räumliche Temperaturkurven berechnen kann. Um eine gute Übertragbarkeit auf eine Industrieanlage mit möglichst geringem Aufwand und in kurzer Zeit zu erreichen, haben die Forscher eine Maßstabsverkleinerung, der sogenannte Scale-Down, eines industriellen Synthesereaktors vollzogen. Dieser Reaktor steht im Zentrum der Miniplant-Anlage des Fraunhofer ISE. Durch ein speziell angepasstes Kühlsystem kann im Betrieb der Anlage ein ähnliches thermisches und reaktionskinetisches Verhalten wie in einer großskaligen Anlage erreicht werden.
Modellierungs- und Simulationsansätze aus der Literatur sollen mithilfe dieser Anlage validiert und erweitert werden. Dazu haben die Wissenschaftler ein zeitlich und räumlich hochauflösendes Analytiksystem in die Anlage integriert, wie die Freiburger Wissenschaftler weiter erklären. Hierbei handelt es sich zum einen um eine dynamische Messung der Produktkonzentration mittels Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie (FT-IR) und zum anderen um eine ortsaufgelöste Temperaturmessung im Inneren des Reaktors durch eine neuartige faseroptische Messmethode. In Kombination erlauben diese Messdaten Echtzeit-Aussagen im Sekundenbereich über die Vorgänge im Reaktor und können zur Anpassung der Modellparameter sowohl für die stationäre als auch für die dynamische Simulation genutzt werden. Zukünftig können so neben Aussagen zur Reaktionskinetik auch Erkenntnisse zur Desaktivierung des Katalysators in Langzeitmessungen gewonnen werden. Betriebspunkte können sehr schnell charakterisiert werden, wodurch selbst umfangreiche Parameterräume zügig abgearbeitet werden können.
Die so gewonnenen Erkenntnisse werden mit der bestehenden dynamischen Simulationsplattform des Fraunhofer ISE verknüpft. Dies ermöglicht die Untersuchung von Lastwechseln, wie sie zukünftig in realen Industrieanlagen auftreten würden. Hieraus werden wiederum wertvolle Auslegungsdaten generiert, die dazu beitragen, dass Methanol aus nachhaltigen Rohstoffen und erneuerbarem Strom gewonnen und somit zukünftig in verschiedenen Anwendungen als Energiespeicher, Chemikalie sowie Kraftstoff(additiv) genutzt werden kann.
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