Das derzeitige Europaparlament hat sich heldenhaft für die Photovoltaik eingesetzt. Es wird eine Gesetzgebung hinterlassen, die es zum „grünsten“ Parlament aller Zeiten machen wird. Zugleich sind die anstehenden Europawahlen vom 23. bis 26. Mai ungeheuer wichtig für die Solarindustrie, da es einige politische Kräfte gibt, die die Dringlichkeit der Energiewende nicht erkennen und deren Einfluss künftig bedeutend größer sein könnte.
Das Europäische Parlament ist ein starker Verbündeter der Photovoltaik. Seitdem die EU-Kommission ihr Clean Energy Package – das sogenannte Winterpaket – 2016 präsentierte, forderte das Parlament unaufhörlich ambitionierte Ziele. Dies brachte ihm das Label „Grüner Champion“ der EU ein, da es höhere Erneuerbaren-Ziele von 35 Prozent bis 2030 wollte. Dafür hat sich auch Solarpower Europe immer stark gemacht. Am Ende einigten sich die EU-Institutionen auf 32 Prozent, was eine Verdoppelung der installierten Photovoltaikleistung in Deutschland bedeutet und die Schaffung Tausender neuer Jobs in der Erneuerbaren-Branche. Keine Kleinigkeit.
Dank der Unterstützung des Europäischen Parlaments hat sich der schon gute Entwurf des Winterpakets der EU-Kommission in einen riesigen Erfolg für die Solarbranche verwandelt. Ich will nur einige der Errungenschaften nennen. Die neue Gesetzgebung enthält einen starken Rahmen für Eigenverbrauch und Prosumer. Tatsächlich haben alle europäischen Bürger nun ein neues Recht auf Selbsterzeugung und -verbrauch sowie auf Speicherung der erzeugten Energie. Administrative Prozesse sollen vereinfacht werden, so dass die Erlaubnis für neue Anlagen nicht mehr ein Jahr dauern darf. Dies reduziert die Softkosten für Photovoltaikanlagen erheblich.
Die beschlossenen Neuregelungen geben den Mitgliedsstaaten zudem die Freiheit, spezielle Ausschreibungen für Photovoltaik zu starten. Dies ist ein großer Pluspunkt und hilft, einen Zubau in größerem Maßstab zu ermöglichen. Die Gesetzgebung des Winterpakets stellt zudem sicher, dass ein „zukunftsfester“ Energiemarkt für die steigende Einspeisung von Solarstrom und neuen flexiblen Quellen wie Speichern oder Prosumenten geschaffen wird. Schließlich ist auch eine Begrenzung der CO2-Emissionen in einem Kapazitätsmechanismus ein Fortschritt in Richtung einer Nullemissionswirtschaft in der EU bis 2050. Alles in allem ein wirklich guter Deal für die Photovoltaik in Europa.
Auch für Deutschland relevant
Die Entscheidungen in Europa wirken sich auch positiv für die Photovoltaik in Deutschland aus. Ohne die 2020-CO2-Reduktionsziele, die Deutschland möglicherweise nicht erreichen wird, hätte es vermutlich keine kurzfristigen Sonderausschreibungen für Solar und Wind gegeben. Wir hoffen nun, dass die deutsche Regierung endlich den 52-Gigawatt-Solardeckel im EEG lüftet, der schon sehr bald erreicht wird. Solarenergie als mittlerweile kostengünstigste erneuerbare Stromgestehungstechnologie soll zu einem Kernpfeiler in der Strategie zur Erreichung der 2020-EU-Ziele gemacht werden und so der heimischen Solarindustrie Investitionssicherheit geben, um Tausende lokale Zukunftsjobs zu schaffen.
Was passiert nach der Europawahl?
Was steht jetzt für die Photovoltaik auf dem Spiel, da das Winterpaket Geschichte ist? Die einfache Antwort: Viel! Die EU-Klima- und Energiestrategie 2050 wird großen Einfluss auf den Solarsektor haben. Es handelt sich um die Strategie der EU, wie sie das langfristige Ziel, die Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent bis 2050 zu reduzieren, erreichen will. Es wird entscheidend sein, Abgeordnete im EU-Parlament zu haben, die sich zur Photovoltaik bekennen und dabei helfen, unsere saubere Energietechnologie zu dem Haupttreiber für die EU-Klimastrategie 2050 zu machen.
Einer neuen Studie der Energy Watch Group und der finnischen Universität LUT zufolge sind 100 Prozent erneuerbare Energien über alle Sektoren bis 2050 machbar. Die Photovoltaik wird dabei den größten Anteil haben. Tatsächlich gehen die Studienautoren davon aus, dass die Photovoltaik die wichtigste und günstigste Energiequelle werden wird, die dann 69 Prozent des globalen Strombedarfs decken wird. Nun brauchen wir europäische Parlamentarier, die uns helfen, dieses riesige Potenzial für die Photovoltaik freizusetzen.
Derweil laufen auch die Diskussionen, wie die Sektorkopplung gelingen kann. Für den Solarsektor ist es entscheidend, dass das Europäische Parlament die Integration der Erneuerbaren in den verschiedenen Sektoren wie Verkehr, Gebäude und Industrie unterstützt. Wo es sinnvoll ist, sollten erneuerbare Elektronen auch in erneuerbare Moleküle transformiert werden. Grüner Wasserstoff, wenn er aus erneuerbarem Strom hergestellt wird, kann das entscheidende Puzzleteil für die Energiewende werden.
Das nächste EU-Parlament muss darauf achten, dass die Vorgaben des Winterpakets auch von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Die nationalen Energie- und Klimapläne werden derzeit von den einzelnen Ländern verfasst. Sie müssen ehrgeizig genug sein, um das 32-Prozent-Erneuerbaren-Ziel zu erreichen.
Das Europäische Parlament war eine wichtige treibende Kraft für die Photovoltaik bislang. Heute gibt es ein Momentum für den Solarsektor in Europa, wie auch der Anstieg des Zubaus um 36 Prozent im vergangenen Jahr zeigt. Und ein weiteres Wachstum steht uns in diesem Jahr ins Haus. Die derzeitigen Umfragen zeigen, dass einige politische Kräfte im Europäischen Parlament derzeit Zustrom erhalten, die die Dringlichkeit der Energiewende nicht teilen. Dies ist ein Risiko für einen Rückschlag für die Photovoltaik und erneuerbaren Energien. Wir ermutigen daher alle Europäer, die sich um den Klimawandel sorgen, bei den Europawahlen abzustimmen. Wir brauchen ein solarfreundliches Parlament!
Die Autorin Walburga Hemetsberger ist seit Februar 2019 CEO von Solarpower Europe. Die Österreicherin war zuvor im Vorstand des Energieversorgers „Verbund“ in Brüssel tätig. Sie verfügt zudem über mehr als 18 Jahre Erfahrung in politischen Positionen in Brüssel.
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
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Frau Hemetsberger argumentiert leider nicht sauber, wenn sie aus einem WELTWEITEN Anteil der Photovoltaik von 69% auf einen ebensolchen in Europa schließt. Europa liegt in mittleren bis nördlichen Breiten, wo die Erträge der PV einen starken saisonalen Gang aufweisen, eine Saisonalität, die auch noch gegenläufig zu der des Bedarfs verläuft. Wenn man ernstgenommen werden will, sollte man näher bei der Realität bleiben. Manche Menschen reagieren – zu Recht – sehr empfindlich darauf, wenn sie das Gefühl haben, man wolle sie für dumm verkaufen.
Wer für die Sonne schwärmt, sollte die PV dorthin bringen, wo sie gleichmäßig und ergiebig scheint – in die Tropen und Subtropen. In Europa ist ihr Potential außer bei den Mittelmeeranrainern begrenzt. Am ehesten sehe ich hier entweder die Kombination mit Wärmekraftkopplung, zum saisonalen Ausgleich. Ansonsten kommt noch die Solarthermie mit saisonaler Wärmespeicherung im großen Stile in Betracht, was nur mit den entsprechenden Wärmenetzen geht. Das erfordert vor allem lokales Handeln. Die gesetzlichen Grundlagen sind da, aber nicht das Bewusstsein bei den Verantwortlichen in den Kommunen.
Hallo JCW, ich halte es für unerheblich, dass wir in Europa größere Schwankungen bei PV haben. Welche EE-Arten in welchen Anteilen im Endzustand gegeben sein werden, wird sich zeigen, wenn wir die Marktkräfte sich relativ frei entfalten lassen. Es ist alles lediglich eine Kostenfrage und somit dauerhaft im Fluss. Im Zusammenhang mit einer Wasserstoff-Speicherung ist alles Mögliche denkbar. Ob wir nun von Sonnenländern statt Öl zukünftig Wasserstoff geliefert bekommen, weil die diesen günstiger produzieren können (inkl. Transport) als wir vor Ort das können, wird sich auch zeigen. Es stellt sich auch die Frage, wie unabhängig will Europa in Energiefragen sein und deshalb in Speicher investiert.
Wichtig ist letztendlich nur, dass wir den EE insgesamt den Weg frei machen und Fossilen den Weg versperren. Und das kann mit der Wahl beeinflusst werden. Also geht wählen!
Das mit der Produktion in südlicheren Ländern wurde von den hiesigen Egoisten ganz schnell wieder ad acta gelegt, als sie merkten, dass die dortigen Länder erstmal selber Strom haben wollen, bevor sie bereit wären, uns im großen Stile zu versorgen.
Es wird sicher in fernerer Zukunft einen Beitrag leisten, aber eben nicht so bald. Und wie die politischen Verhältnisse sich bis dahin weiterentwickelt haben, das ist gar nicht abzuschätzen.
@Hübner: die 69% „global“ und der Handlungsaufruf an die EUROPÄISCHEN Parlamentarier stehen in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen, von denen der zweite direkt Bezug auf den ersten („dieses Potential“) nimmt. Glauben Sie, die Leute hier könnten nicht lesen?
Guten Tag JWC,
Sie lesen leider nicht richtig. Wenn Sie auf die Aussage von Fr. Hemetsberger verweisen und den dort angesprochenen welteiten Anteil 69% der Photovoltaik meint, steht nichts davon das dieser Anteil in Europa gilt. Vielmehr sicher aber diesem Ziel zu folgen, denn andere Länder haben uns schon lange überholt. In Deutschland ist das Potenzial an Sonneneinstrahlung durchaus vorhanden. Selbst wenn es gelingt, das z.B. eine PV Anlage auf einem Hausdach mit einem Speichersystem den Energiebedarf zwischen 50 und 70% und teilweise mehr deckt, dann ist der restliche notwendige Anteil aus fossilen Energieträgern so gering, dass damit auch die Abhängigkeit von diesen überschaubar wird. Von der vermiedenen CO2 Emission und den damit verbunden Klimaschutzzielen will ich noch gar nicht reden.
Ich gewinne aus Ihrem Beitrag den Eindruck, das man doch die PV dort verlagert wo das angeblich größte Potenzial ist und in unseren Breitengraden was anderes machen soll, obwohl auch hier ausreichend Sonnenenergie vorhanden ist und die Praxis das auch bestätigt
Sie müssen auch etwas über die eigene Nasenspitze hinaus sehen. Haushaltsstrom macht nur 1/4 des hiesigen Stromverbrauchs – und das ist nur der Strom, etwa 1/3 des Energieverbrauchs insgesamt.
Multipliziert man das alles, kommt man auf 0,7*0,25*0,33=0,058 (also 5,8%). Sie bieten hier keine Lösung an, sondern das ist ja das Drama, dass, wer nicht weit genug denkt, glaubt, wenn auf allen Häusern blaue Kacheln sind, dann sei unser Problem gelöst. Diese Kacheln lösen aber nur 1/16 des Problems, und schaffen dabei noch weitere, bedingt durch die unstetige Erzeugung.
Für eine 100%-Versorgung mit Erneuerbaren brauchen wir natürlich auch die PV, aber wir brauchen noch viel mehr. Und wir dürfen uns nicht täuschen lassen, wenn schon viel getan wurde, jetzt sei auch genug getan.