Angela Merkel hatte noch im Herbst 2010 auf Druck der Atomlobby die Laufzeiten für deutsche Atomkraftwerke verlängert. Dann passierte im März 2011 Fukushima und Merkel organisierte den Atomausstieg. Auch mit Rücksicht auf den Wählerwillen. Denn wenige Tage nach Fukushima wählten die konservativen Baden-Württemberger in der früheren CDU-Hochburg einen grünen Ministerpräsidenten. Durch Druck der Atomlobby waren schon frühere CDU und CSU-Regierungen bei Wackersdorf, bei Wyhl oder bei Gorleben in die Knie gegangen. Doch auf Dauer war gegen den Willen der Mehrheit die Atomenergie nicht zu halten.
Was lernt die Politik heute daraus?
Die SPD als alte Kohlepartei, aber auch die NRW-Regierung aus CDU und FDP, verhalten sich genau so wie früher die Union als alte Atompartei, kurzsichtig und dumm. Soeben hat die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles die Grünen dafür kritisiert, dass sie mit ihrer „radikalen Umweltpolitik“ den raschen Kohleausstieg fordern. Dümmer geht´s nimmer.
Denn diese „radikale“ Forderung erhebt die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler. Das nennt man Klimaschutzpolitik. Deutschland ist noch immer Weltmeister bei der Braunkohlverstromung. Und Braunkohle ist der größte Klimakiller. Offensichtlich hat die SPD-Vorsitzende selbst nach diesem Hitzesommer noch nicht begriffen, was der Klimawandel für die heutige Menschheit und erst recht für unsere Kinder und Enkel bedeutet. Solchen Politikern ist wirklich nur noch durch Abwahl zu helfen.
Die Dinosaurier-Politik von Andrea Nahles
90% der Deutschen wollen die rasche Energiewende und 70% den raschen Kohleausstieg. Frau Nahles treibt mit ihrer Dinosaurier-Kohlepolitik ihre eigene Partei an die 5%-Grenze. Volkspartei kann die SPD mit dieser Vorsitzenden nie mehr werden. Selber schuld. Eine derart am Wählerwillen vorbei geführte Partei hat ihre Zukunft hinter sich. Wer aus den bisherigen Energie-Desastern (Tschernobyl, Fukushima, Whyl, Wackersdorf, Gorleben) nichts lernt, darf sich über den weiteren Abstieg der 150 Jahre alten SPD nicht wundern.
Umweltverbände und Grüne haben beim längst fälligen deutschen Kohleausstieg die Mehrheit der Deutschen hinter sich. Doch die SPD und Teile der CDU gehen noch immer vor der Kohlelobby in die Knie. Das schafft Politik-Verdrossenheit. Frau Nahles will angeblich Arbeitsplätze retten.
Aber wie sieht denn die Job-Bilanz bei der Kohle aus?
Beim Steinkohlebergbau waren 1955 noch 370.000 Kumpels beschäftigt, 1975 noch 110.000, 1995 noch 50.000 und 2017 noch 1.700. Bei den erneuerbaren Energien arbeiten heute 330.000 Menschen.
Erneuerbare Energie ist kein Jobkiller, sondern ein Jobknüller
Andrea Nahles will angeblich „Klimaschutz und Arbeitsplätze“ verbinden. Die Zahlen zeigen jedoch, dass die SPD-Vorsitzende schon mittelfristig zerstört, was sie kurzfristig retten will. Da soll gerettet werden, was nicht mehr zu retten ist. Und diese Entwicklung ist auch gut so, gut für Arbeitsplätze und das Klima. Die erneuerbaren Energien sind kein Arbeitsplatzkiller, wie die SPD-Vorsitzende vermutet, sondern d e r Arbeitsplatzknüller. Vertreter einer sozialen Partei sollten diesen Zusammenhang eigentlich verstehen.
Wer weder auf die Mehrheit der Wähler, noch auf die Umwelt oder auf zukunftsfähige Jobs Rücksicht nimmt, wird bei Wahlen abgestraft. Das nennt man Demokratie, Frau Nahles. Wann werden Spitzenpolitiker endlich lernfähig?
— Der Autor Franz Alt ist Journalist, Buchautor und Fernsehmoderator. Er wurde bekannt durch das ARD-Magazin „Report“, das er bis 1992 leitete und moderierte. Bis 2003 leitete er die Zukunftsredaktion „Zeitsprung“ im SWR, seit 1997 das Magazin „Querdenker“ und ab 2000 das Magazin „Grenzenlos“ in 3sat. Die Erstveröffentlichung des Beitrags erfolgte auf www.sonnenseite.com. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.
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Es ist doch kein Problem, wenn die SPD langsam marginalisiert wird? Zwischen einer sozialdemokratisierten CDU und verbürgerlichten Grünen wird die Nische ohnehin immer enger. Da ist es sehr ehrenhaft, die alte, dahinschwindende Klientel, die „Arbeiterschaft“, noch eine Weile davon abzuhalten, zur AfD abzudriften. Eine Chance hätte die SPD nur mit Persönlichkeiten, die die Menschen mitreißen könnten. Für solche respektablen Persönlichkeiten ist die SPD aber nicht mehr attraktiv. Sie wird schneller dahinschwinden, als ihre ehemalige Wählerschaft, und ich glaube nicht, dass ernsthaft etwas fehlen wird. Wir haben sowieso zu viele Parteien. Italienische Verhältnisse sind absehbar, die letzte Regierungsbildung nach der Bundestagswahl war nur ein Vorgeschmack. Das einzige, was dagegen helfen würde, wäre ein Mehrheitswahlsystem wie in GB oder USA, oder ein kooperatives Regierungssystem wie in der Schweiz. Da ich das letztere für illusorisch halte, bleibt nur das Mehrheitswahlsystem. Die einzigen stabilen Demokratien haben ein Mehrheitswahlsystem, gepaart mit einer tief verankerten Gewaltenteilung. Auch da passieren Unglücke wie Trump oder Brexit, aber das sind kurze, korrigierbare Episoden. Die gescheiterten Demokratien (Deutschland, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Chile, Südafrika, Argentinien, Türkei, …) scheiterten für Jahrzehnte und unter großen Opfern.
@JCW
Auch ich schließe mich der Kritik des Franz Alt vollinhaltlich an.
Aber deshalb die Demokratie in Frage zu stellen geht doch zu weit.
Keine Ahnung wie alt Sie sind, aber meine Eltern waren noch direkt vom 2. Weltkrieg betroffen. Mein Vater hat einen Teil seines Lebens in Kriegsgefangenschaft verbracht und meine Mutter hat Ihre Heimat, samt allen Besitzansprüchen verloren.
Da lässt es sich mit dem heutigen Lebensstandard leicht reden oder wie das Sprichwort sagt: Mit voller Hose ist leicht stinken!
Ich bin keinesfalls überzeugt dass die „korrigierbare Episode“ des D. Trump, verursacht durch das ungerechte amerikanische Mehrheitswahlsystem, kurz sein wird. Zu viel Porzellan wird da im Moment zerschlagen. Aber zumindest die Waffenlobby (nicht vergessen: das Übel der Menschheit!) freut sich.
Ich habe die Demokratie nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil: Ich halte sie für ein kostbares Gut, das es zu stabilisieren gilt. Eine zersplitterte Parteienlandschaft im Parlament wird aber IMMER zu einer Destabilisierung führen. Ein wesentliches Argument für Hitler und andere Demokratiezerstörer war immer, dass sie versprachen, das zur Staatsblockade führende Parteiengezänk in einem Parlament ohne ausreichend verantwortungsvolle Vertreter zu beenden.
Das Mehrheitswahlsystem ist nicht ungerecht. Es verlangt aber vom Einzelnen, dass er mehr tut, als alle paar Jahre ein Kreuz auf einem Wahlzettel zu machen. Er muss sich in eine der wenigen Parteien einbringen und aktiv mitarbeiten. Dann hat er aber mehr Mitwirkungsmöglichkeiten, als in unserem mittlerweile zersplitterten Vielparteiensystem. Das Verhältniswahlrecht ist nicht gerechter, als das Mehrheitswahlrecht. Man glaubt zwar als Wähler mehr Differenzierungsmöglichkeiten zu haben, tatsächlich tun die so differenziert ausgewählten Parteien dann doch nicht das, was man erhoffte, als man sein Kreuzchen bei ihnen setzte, solange man sich nicht in den Parteien engagiert. Glauben Sie, dass Christian Lindner oder Martin Schulz nach der letzten Bundestagswahl das getan haben, was ihre Wähler von Ihnen erhofft hatten?
Es gehört natürlich noch mehr dazu. Ohne ausreichende staatsbürgerliche Bildung vergisst man schnell, welche Bedeutung die Gewaltenteilung für eine stabile Staatsverfassung hat. Bei Trump kann man sehen, welchen Wert das hat. Dank funktionierender staatlicher Strukturen und verlässlicher staatsbürgerlicher Überzeugungen der Amerikaner laufen seine Drohungen ins Leere. Es gibt genug aufrechte Staatsbürger, die sich weiterhin trauen, sich ihm entgegenzustellen bei seinen Versuchen, genau diese Gewaltenteilung zu unterwandern. In anderen Ländern, aktuell Russland und die Türkei, fehlen genau diese Voraussetzungen, und entsprechend können potentielle Diktatoren den Staat dort Stück für Stück übernehmen. Da jedes Korrektiv dann fehlt, werden sie manches Vernünftige und genauso viel Unvernünftiges ohne viel Diskussion durchsetzen können, aber man weiß ja, wie Diktatoren sehr schnell enden: In der Erstarrung, die nur noch mit dem eigenen Machterhalt beschäftigt ist.
Franz Alt bezieht seine Kritik ja nun speziell auf die Energiepolitik.
Und in diesem Fall, haben es die Politiker besonders schwer, oder besser gesagt die Lobbyisten besonders einfach.
Welcher Politiker kennt sich schon in unserem komplexen Versorgungssystem so gut aus, dass er nicht froh wäre, einen „Fachmann“ als Berater an seiner Seite zu haben.
Dass die Fachleute dann leicht ihre Eigeninteressen durchsetzen können, liegt in der Natur der Sache.
Siehe hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Externe_Mitarbeiter_in_deutschen_Bundesministerien
Zitat: Einer breiteren Öffentlichkeit wurden Personalaustauschprogramme, und die Mitarbeit Externer in Bundesministerien, durch das Fernsehmagazin Monitor am 19. Oktober 2006 bekannt. Der Beitrag wurde anmoderiert mit den Worten:
„Lobbyisten versuchen, die Politik zu beeinflussen, um ihrem Arbeitgeber Vorteile zu verschaffen. Dazu sprechen sie auch in Ministerien vor. Manche Lobbyisten haben das gar nicht mehr nötig – sie sind nämlich schon da. Ja, richtig, das ist neu: Lobbyisten haben in unseren Ministerien mittlerweile eigene Büros – Tür an Tür mit Regierungsbeamten und […] mit eigener Durchwahl, und schreiben an Gesetzen mit. Bezahlt werden sie von ihren Unternehmen. Leihbeamte – gut für die Wirtschaft, schlecht für Bürger. Zitat Ende.
Jeder weiß z. B. dass die EEG Umlage – unnötig aufgebläht – schon lange kein Parameter mehr für eine Kostenbetrachtung der Energiewende darstellt, aber geschehen tut nichts.
Als sichtbares Zeichen dieser Entwicklung, das EEG Konto häuft jährlich Milliarden an, wofür die Verbraucher Negativzinsen bezahlen, die Strombeschaffungskosten für die Versorger sinken, aber nur wer zu denen wechselt, die die gesunkenen Preise weiter geben profitiert da von. Die Umlage selbst steigt paradoxerweise wenn die Börsenpreise am Spotmarkt sinken.
Die Umlage dient lediglich noch als Angriffsfläche der Kritiker, die die Energiewende als nicht bezahlbar bezeichnen wollen.
Viele Institutionen kritisieren das, Politiker machen so gar Vorschläge
siehe hier… https://www.ulrich-kelber.de/medien/doks/20130710_Beschluss-20130613-Waelzung-EEG-gesamt.pdf
aber immer wieder verläuft es im Sande.
Wenn dann noch ein Vertreter der konventionellen Stromwirtschaft hier in diesem Forum diskutiert, und man ihn mit diesen Tatsachen konfrontiert, wird man – wohl wissend wer in Berlin das Sagen hat – als Dummschwätzer, oder als geistig verwirrt bezeichnet, auf den in Berlin ohne hin niemand hören würde.
Siehe hier:
https://www.pv-magazine.de/2018/08/24/umweltbundesamt-empfiehlt-reform-bei-der-finanzierung-der-eeg-umlage/#comments.