Die neue Speicherstrategie von Mercedes-Benz Energy

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Im Manager Magazin habe ich gelesen, Mercedes-Benz Energy sei gescheitert. Fühlen Sie sich gescheitert?

Gassmann: Nein, ganz und gar nicht. Wir haben mit unserem Speichern eine sehr erfolgreiche Story hingelegt. Wir haben uns aber angeschaut, auch gemeinsam mit dem Daimler-Managementteam, wie wir uns weiter im Markt positionieren wollen. Es ist nicht so sehr notwendig, dass wir das mit einem intensiven eigenen Angebot machen. Wir können auch gut mit der Entwicklung von Kooperationen und Partnerschaften ein entsprechendes Angebot für unsere Kunden machen. Wir blicken mit Stolz auf das, was wir können und was wir geschafft haben, und wir haben einen guten Plan, wie es weitergeht.

Sie sagen, die zweieinhalb Jahre im Heimspeichermarkt waren erfolgreich. Was ist das Maß für den Erfolg?

Das Interesse unserer Kunden ist eine wesentliche Messgröße. Eine andere wesentliche Messgröße ist, wie wir dazu beigetragen haben, unseren Konzern mit nach vorne zu bringen, und wie wir die Kompetenzen hier am Standort ausbauen und einbringen konnten. Außerdem sind wir ja auch schon immer in mehreren Geschäftsfeldern unterwegs, unter anderem mit dem Bereich der Second-Life-Speichersysteme. Wir nehmen all das, was wir gelernt haben und was wir gut können und bringen das in diesen Bereich ein. Er ist für uns als Konzern auch in Zukunft ein extrem wichtiges Handlungsfeld.

Sie haben an anderer Stelle gesagt, dass die Leistungsanforderungen der hochkomplexen Automobil-Batteriesysteme bei weitem die für den Heimspeichermarkt notwendigen Werte übersteigen. An welchen Stellen sind die Autobatterien für den Heimbereich „over-engineered“?

Der Speicher ist im Fahrzeug in Bewegung. Alles, was mit mechanischer Steifigkeit bis hin zu Crash-Festigkeit einhergeht, ist eine sehr wesentliche Herausforderung. Gleichzeitig ist der Temperatureinsatzbereich in einem Auto wesentlich anders als in den stationären Speicherbereichen. Es muss von deutlichen Minusgraden bis zu sehr hohen Plusgraden funktionieren. Das ist bei einem stationären Speicher alles einfacher handhabbar.

Liegt das an der Zelle oder an der Batterie? An welcher Stelle gibt man zu viel aus, wenn man Autobatterien im Heim verwendet?

Das fängt bereits bei den Zellen an und zieht sich durch das gesamte System hindurch. Ich will gar nicht von Güteklasse A und Güteklasse B sprechen. Es geht nur darum, dass im Automobil höchstwertige Materialien eingesetzt werden, um extrem herausfordernde Einsatzbedingungen abbilden zu können.

Umgekehrt braucht man ja im stationären Bereich wiederum eine höhere Zyklenfestigkeit.

Beim Einsatz im Auto ist die Anforderung an die nominale Zyklenfestigkeit nicht ganz so hoch, aber dafür sind die Einsatzrandbedingungen beim Auto wesentlich härter. Das muss man gemeinsam betrachten. Wir haben sehr sorgfältige Simulationsmodelle, sodass wir eine sehr sichere Aussage treffen können.

Werden die stationären Speicher trotzdem von den Stückzahleffekten im Automotive-Bereich profitieren können?

Es gibt eine Vielzahl an Prognosen. Dazu will ich gar nicht spekulieren. Es sind verschiedene Hebel, die eine Rolle spielen. Volumeneffekte gehören mitunter dazu.

Es gab in der Branche Engpässe bei der Batterieversorgung. Ist es in einem Konzern wie Daimler schwierig, die Batterien für den stationären Bereich abzuzweigen, wenn man sie im Automotive-Bereich benötigt?

Wir wägen natürlich die jeweiligen Verfügbarkeiten und Kapazitäten in jeder einzelnen Situation ganz sorgfältig ab. Worauf Sie hinauswollen, ist eine Abwägung, die man sehr kurzfristig treffen muss. Grundsätzlich sind unsere Kapazitätsplanungen aber langfristig ausgerichtet, sodass das nicht der Hauptgrund für unsere Entscheidung war.

Abgesehen davon, dass Sie mit Partnern auch noch Heimspeicher anbieten wollen, fokussieren Sie sich auf Second-Use- und Ersatzspeicheranwendungen. Bei Letzteren Sie suchen vermutlich vor allem Projekte, in denen Sie Ihre Batterien sinnvoll lagern können, nicht primär besonders gute Speicheranwendungen, oder?

Es geht darum, Batterien sinnvoll zu lagern. Als Automobilhersteller hat man eine Verpflichtung, über viele Jahre eine Ersatzteilversorgung sicherzustellen. Zelltypen, Zelldesigns, Zellverhalten ändern sich in den nächsten Jahren. Entweder schafft es ein Zellhersteller, Ihnen zu garantieren, dass er Ihnen auch in acht Jahren noch die gleiche Zelle mit der gleichen Performance und den gleichen technischen Eigenschaften zu einem sinnvollen Preis liefern kann. Oder Sie machen eine sogenannte Endbevorratung. Das heißt, man schätzt ab, welchen Ersatzteilbedarf man hat und dann lagert man diese Batterien. Zellen sind nicht so ganz einfach zu lagern. Unter anderem müssen sie regelmäßig be- und entladen werden. Das adressieren wir mit unserem Ersatzteilspeichern. Wir haben permanent sämtliche Zellen und Module kontaktiert in der Überwachung und nutzen sie in einer sehr vorsichtigen Anwendung im Regelleistungsmarkt. Der Ersatzteilspeicher, der eigentlich nur Kosten verursachen würde, kann so Umsatz erwirtschaften.

Der andere Bereich sind die Second-Use-Speicher. Ich höre immer wieder die Frage, wie sinnvoll diese sind. Man konkurriert mit den parallel fallenden Batteriekosten und steigender Performance bei neuen Batterien. Wie sehen Sie das?

Ich bin fest davon überzeugt, dass Batterien nach ihrem Fahrzeugeinsatz einen Restwert haben. Und der Restwert ist größer als null, da noch eine Leistungsfähigkeit der Batterie gegeben ist, die man abrufen kann. Und auf eine Zielgröße über null kann man sich fokussieren. Die grundsätzliche Eignung haben wir schon in unseren Second-Use-Speichern nachgewiesen, in denen zig Megawattstunden aktiv im Regelleistungsmarkt im Einsatz sind. Wir wissen sehr genau, welche Herausforderungen dort bestehen und was die wirtschaftlichen Randbedingungen sind. Auf Basis der realen Erfahrungen sind wir der festen Überzeugung, dass das durchaus ein dauerhafter Beitrag im Portfolio bei Daimler sein wird. Außerdem hat es ein wertvolles Gut wie eine Elektrofahrzeugbatterie verdient, hinterher nicht einfach verschrottet zu werden. Man muss die Elektromobilität ganzheitlich betrachten.

Sie werden auch weiter Photovoltaik-Heimspeicher anbieten, allerdings nicht mehr unter der Marke Mercedes-Benz, sondern in Kooperation mit Partnern. Sie haben in diesem Zusammenhang Kunden erwähnt, denen Sie „auch weiterhin attraktive und passende Lösungen“ anbieten wollen. Wen sehen Sie als Kunden? Installateure? Oder Automotive-Kunden, die vielleicht Speicher affin sind?

Ich verstehe Ihre Neugier, aber wir sind mittendrin in verschiedenen Verhandlungen. Dazu kann ich leider gar keine Auskunft geben.

Laut EuPD Research haben Sie in 2017 ungefähr 2.000 Batteriespeicher verkauft. Wer kümmert sich in Zukunft um Service und Garantie?

Zu Verkaufszahlen äußern wir uns generell nicht. Dafür bitte ich Sie um Verständnis. Die Garantieverpflichtungen wird Mercedes-Benz Energy selber abdecken. Das ist eine klare Verpflichtung von uns.

Mercedes-Benz Energy finden Sie auf der ees Europe und Intersolar Europe in München (20. bis 22.6.) auf Stand B1.330.

Das Interview entstand im Zusammenhang mit der Marktübersicht Heimspeichersysteme, die in der Juniausgabe von pv magazine erscheint.

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