Kohlekommissionsmitglied Schellnhuber redet Klartext – aber nicht nur Verzicht predigen!

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Die Kommission, die bis Dezember 2018 einen Kohleausstiegspfad erarbeiten soll und nun – nach vielen Verzögerungen – von der Bundesregierung eingesetzt wurde, wird von Vielen „Kohlekommission“ genannt. Ihr offizieller Name lautet aber unverfänglich „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (WSB)“.  Ein Uninformierter wird sich darunter alles Mögliche vorstellen, aber nicht unbedingt darauf kommen, dass es um das brisante Thema Kohleausstieg für den Klimaschutz gehen soll. Gehen „soll“! – Ob es darum auch tatsächlich gehen wird, darüber kann man angesichts von Verlautbarungen Beteiligter, die den Klimaschutz eher als Beiwerk zu betrachten scheinen, ins Zweifeln geraten.

Unmissverständlich äußert sich hingegen Kommissionsmitglied Hans-Joachim Schellnhuber, der Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung: „Als Naturwissenschaftler in der Kommission werde ich insbesondere geltend machen, dass ein zögernder Kohleausstieg durch die Gesetze der Physik bestraft werden würde.“
Schellnhuber vergleicht unsere Situation mit einem leckgeschlagenen Schiff auf hoher See. Natürlich gibt es auf diesem neben der Havarie auch noch weitere Probleme: „Das Essen in der dritten Klasse ist miserabel, die Matrosen werden ausgebeutet, die Musikkapelle spielt deutsche Schlager“. Allerdings: „wenn das Schiff untergeht, ist all das irrelevant“, dann „brauchen wir über Einkommensverteilung, Rassismus und guten Geschmack nicht mehr nachzudenken.“

Schellnhubers Rezept: Natürlich müsse Deutschland alle Kohlekraftwerke schließen und auf 100 Prozent erneuerbare Energien gehen, aber auch jeder Einzelne „sollte verdammt noch mal tatsächlich etwas beitragen. … Sie und ich können von heute auf morgen beschließen, kein Fleisch mehr zu essen und keine Langstreckenflüge mehr zu machen“. (Zitate aus „Potsdamer Neueste Nachrichten“ vom 06.06.2018)

Was ist mit den Kurzstreckenflügen? Stoßen wir da schon ans Eingemachte? – Ja, es geht um unseren Lebensstil komplett!

Aber dass dieser prominente, weltweit bedeutende Wissenschaftler sich so engagiert äußert, ist uneingeschränkt zu begrüßen. Zu empfehlen wäre, dass er nicht nur zum Verzicht (auf fragwürdige zivilisatorische Errungenschaften) aufruft, sondern auch dazu, dass Millionen Menschen ihre Lebensqualität steigern, indem sie – angefangen mit einem „Balkonkraftwerk“ – autonom Strom erzeugen, ihre Rechnung reduzieren und ein Stück Unabhängigkeit von Konzernen verwirklichen.

Das Besondere der Leckage unseres Schiffes besteht ja darin, dass wir es nicht mit einem einzigen riesigen Wassereinbruch zu tun haben, sondern mit einer Unmenge winziger Löcher. Diese aber können durch eine entsprechende Menge verantwortungsbewusst handelnder Menschen auch gestopft werden. Gerade auch für die ausgebeuteten Matrosen könnte sich dies als eine befreiende Perspektive herausstellen. Vielleicht ein Punkt für das Gespräch mit den Gewerkschaftsvertretern in der Kommission.

— Der Autor Christfried Lenz war unter anderem tätig als Organist, Musikwissenschaftler und Rundfunkautor. Politisiert in der 68er Studentenbewegung, wurde „Verbindung von Hand- und Kopfarbeit“ – also möglichst unmittelbare Umsetzung von Erkenntnissen in die Praxis – zu einer Leitlinie seines Wirkens. So versorgt er sich in seinem Haus in der Altmark (Sachsen-Anhalt) seit 2013 zu 100 Prozent mit dem Strom seiner PV-Inselanlage. Nach erfolgreicher Beendigung des Kampfes der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“ engagiert er sich ganz für den Ausbau der Ereneuerbaren in der Region. Als Mitglied des Gründungsvorstands der aus der BI hervorgegangenen BürgerEnergieAltmark eG, wirkte er mit an der Realisierung einer 750 Kilowatt-Freiflächenanlage in Salzwedel. Lenz kommentiert das energiepolitische Geschehen in verschiedenen Medien und mobilisiert zu praktischen Aktionen für die Energiewende —

Die Blogbeiträge und Kommentare aufwww.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.

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