Agora Energiewende fordert rasche Gespräche zum Kohleausstieg

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Nach der Jahresauswertung von Agora Energiewende ist der Anteil der erneuerbaren Energien im vergangenen Jahr um 0,8 auf 32,3 Prozent gestiegen. Photovoltaik, Windkraft und die übrigen Erneuerbaren lieferten soviel Strom wie nie zuvor. Insgesamt seien es vier Terawattstunden Ökostrom mehr gewesen. Dass der Zuwachs nicht höher ausgefallen sei, habe an den unterdurchschnittlichen Wind- und Sonnenbedingungen im vergangenen Jahr gelegen. „Daraus können wir für die weitere Energiewende lernen, dass sich der Ausbau der Erneuerbaren Energien an den regelmäßig auftretenden schlechten Windjahren orientieren sollte. Denn nur dann ist der Klimaschutz im Energiesystem wirklich gesichert“, sagt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende, bei der Vorstellung der Auswertung am Freitag.

Erfreulich sei, dass das Stromsystem im dritten Jahr in Folge klimafreundlicher geworden sei. Auch hätten Gaskraftwerke Marktanteile von Kohlekraftwerken zurückerobert. Die mit Erdgas betriebenen Kraftwerke hätten gut ein Viertel Strom mehr produziert als noch 2015. Mit einem Anteil von 12,1 Prozent hätten sie zudem fast soviel zum Erzeugungsmix beigetragen wie die Atomkraftwerke, deren Erzeugung sich seit dem Jahr 2000 auf nun 13,1 Prozent nahezu halbiert habe, hieß es weiter.

Angesichts der Zuwächse bei den Erneuerbaren und der Gaskraftwerke sei der Anteil der Braunkohle um 0,8 auf 23,1 Prozent sowie der Steinkohle um 1,2 auf 17 Prozent an der Stromerzeugung gesunken. Der rückläufige Trend der Kohleverstromung habe sich damit nach 2014 auch 2015 fortgesetzt. Mit Blick auf die Klimaziele fordert Agora Energiewende seit längerem, einen gesamtgesellschaftlichen Konsens für einen raschen Kohleausstieg zu finden. „Wenn man den Rückgang der Kohleverstromung in 2016 in der Zukunft so fortsetzen würde, so würde ungefähr Anfang 2038 das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen“, sagt Graichen dazu. „Das entspricht dem von Agora Energiewende vorgeschlagenen Kohlekonsens-Pfad. Nach der Bundestagswahl müssen hierzu zügig die Gespräche beginnen, um einen gesamtgesellschaftlichen Konsens für Klimaschutz, Strukturwandel und Versorgungssicherheit zu erreichen.“

Mit dem Kohleausstieg ließe sich die Klimabilanz des Stromsystems verbessern. Die CO2-Emissionen in diesem Bereich seien zwar leicht auf 306 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr gesunken. Dennoch seien die Treibhausgasemissionen in Deutschland insgesamt um knapp ein Prozent auf 916 Millionen Tonnen gestiegen. Dies zeigt, dass in den Sektoren Industrie, Wärme und Verkehr der Klimaschutz bislang kaum stattfinde. „Die Energiewende ist nicht nur eine Sache des Stromsektors – jetzt müssen auch Industrie, Wärme und Verkehr ihre Klimaschutzbeiträge liefern“, fordert Graichen.

Der Stromverbrauch in Deutschland sei im vergangenen Jahr zwar leicht rückläufig gewesen. Das Effizienzziel der Bundesregierung ist dennoch mit dem derzeitigen Tempo nicht erreichbar. „Deutschland wird zwar immer effizienter im Umgang mit Strom. Denn trotz eines Wirtschaftswachstums von 1,8 Prozent ist der Stromverbrauch gesunken“, sagt der Direktor von Agora Energiewende. „Es muss hier aber noch viel mehr geschehen. Jede gesparte Kilowattstunde macht die Energiewende kostengünstiger.“

Nach Auswertung des Berliner Think-Tanks ist die Zustimmung in der Bevölkerung für die Energiewende im vergangenen Jahr noch gewachsen. So hielten mittlerweile 93 Prozent 93 Prozent der Bundesbürger in einer jährlich wiederholten Umfrage die Energiewende für „wichtig“ oder „sehr wichtig“. Dies sei der höchste Wert in fünf Jahren. Knapp die Hälfte der Befragten hielten die Umsetzung mittlerweile für „gut“ oder „sehr gut“. Dies sei ebenfalls ein um drei Prozentpunkte höherer Wert als im Jahr davor.

Ein Zehn-Jahrestief hätten dagegen die Strompreise mit 16,60 Euro pro Megawattstunde an der Börse erreicht. Auch die Weltmarktpreise für Kohle, Öl und Gas seien 2016 gesunken. Zugleich habe die grenzüberschreitende Photovoltaik-Ausschreibung mit Dänemark gezeigt, wie günstig Solarstrom mittlerweile sei. Daher war 2016 nach Einschätzung von Agora Energiewende „das Jahr der billigen Energie“.

Die sinkenden Kosten kommen allerdings aufgrund steigender Abgaben und Umlagen nicht bei den privaten Stromkunden an. Der Haushaltsstrompreis werde 2017 erstmals die Marke von 30 Cent pro Kilowattstunde überschreiten. „Bleibt das System der Abgaben und Umlagen wie es ist, so ist bis 2023 ein weiterer Anstieg der Strompreise absehbar. Erst danach kommen die ‚Ernte-Jahre‘ der Energiewende“, sagt Graichen. Agora Energiewende fordert daher ein komplett überarbeitetes System der Steuern, Abgaben und Umlagen auf Energie. „Denkbar wäre es etwa, die Stromkosten zu senken, und die Abgaben und Umlagen auf klimaschädliche Energieträger wie Kohle, Heizöl, Diesel, Benzin und Gas zu verlagern“, so Graichen weiter. (Sandra Enkhardt)

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