Japans Lernkurve bei der Energiewende steigt

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Viereinhalb Jahre nach der Katastrophe von Fukushima arbeitet Japan unter Hochdruck an seiner Energiewende. Doch im kommenden Jahr sollen nun doch wieder Atommeiler zurück ans Netz gehen. Japans Stromkonzerne sind mächtig, und der Ausbau der erneuerbaren Energien – allen voran der Solarenergie – geht langsam. Im Moment ist Japan energiepolitisch eine gespaltene Nation. Die Bürger wollen den Ausstieg. Der Fukushima-Gau hat sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Doch die Stromkonzerne sind daran interessiert, den Status quo zu erhalten. Das Land mit dem drittgrößten Stromverbrauch der Welt befindet sich am Scheideweg zwischen der Kraft der Sonne und der Macht des Faktischen.

Dabei spricht die schiere Notwendigkeit für einen Ausbau der erneuerbaren Energien. Darüber sind sich die Wissenschaftler weitgehend einig. Der Streit dreht sich hauptsächlich darum, wieviel Zeit den Japanern noch bleibt. Die Regierungszentrale zur Förderung der Erdbebenforschung prognostiziert ein Erdbeben der Stärke 7 in der Region Tokio mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent innerhalb der nächsten 30 Jahre. Doch es gibt auch weniger optimistische Szenarios. Die Universität Tokio erwartet mit derselben Wahrscheinlichkeit ein Beben innerhalb der nächsten vier Jahre, und damit eine akute Gefährdung der bis dahin nicht stillgelegten Atomkraftwerke.

Schauen wir kurz zurück: Vor 2011 waren in Japan 57 Reaktoren, auf 17 Standorten verteilt, am Netz und deckten 30 Prozent des Strombedarfs ab. Mittlerweile sind sie bis auf zwei Anlagen abgeschaltet. Japan behilft sich gegenwärtig mit fossilen Brennstoffen, vor allem mit dem Betrieb museumsreifer Kohlekraftwerke oder sehr teurer Gaskraftwerke. Gegen diese Energiequellen spricht – neben den hohen Kosten und der Abhängigkeit von Importen – der ungeheure CO2-Ausstoß. Letzteren wollen die Japaner ja gerade bis zum Jahr 2030 um 500 Millionen Tonnen reduzieren.

Die einzige Alternative für Japans zukünftige Energieversorgung stellen erneuerbare Energien dar. Insgesamt sieht der Energieplan Japans einen Anteil der Erneuerbaren an der japanischen Stromerzeugung von weit mehr als 20 Prozent in den nächsten Jahren vor. Klarer Gewinner bei der Energiewende wird die Photovoltaik sein, das steht mittlerweile fest. Bis zum Jahr 2020 sollen Investitionen in Höhe von 225 Milliarden Euro in den Ausbau erneuerbarer Energien fließen, 85 Prozent davon in die Solarenergie. Der Energieplan sieht vor, dass bis 2020 PV-Anlagen mit einer Nennleistung von 28 Gigawatt installiert sind. Bis 2030 sollen es sogar 53 GW sein. Bereits jetzt hat die Regierung Anlagen im Umfang von 39 Gigawatt genehmigt. Das ist ungefähr so viel wie zurzeit in Deutschland installiert ist. Die Bevorzugung der Photovoltaik macht aufgrund der besonderen Gegebenheiten vor Ort auch Sinn. Im Landesdurchschnitt strahlt die Sonne in Japan um 30 Prozent stärker als beispielsweise bei uns in Deutschland.

Der entscheidende Punkt ist, die Projekte schnell umzusetzen. Und daran haperte es bisher. Von den genehmigten 39 Gigawatt ist erst ein Bruchteil realisiert. Das soll jetzt anders werden. Seit 2014 werden Genehmigungen zum Betrieb von PV-Anlagen nur noch mit Fristen vergeben. Werden die Parks nicht bis zu einem bestimmten Termin in Betrieb genommen, verfallen die Genehmigungen. Das ist ein richtiger und längst überfälliger Schritt, weil die Energiewende jetzt endlich zügiger vorankommt.

Insgesamt ist in den Markt Bewegung gekommen. Das japanische erneuerbare Energien Gesetz ist zwar schon Mitte 2012 in Kraft getreten, aber erst kürzlich haben die institutionellen Investoren den Solarmarkt in Japan so richtig für sich entdeckt. Mittlerweile sehen wir dort alles, was Rang und Namen hat – von Family Offices über Bauunternehmen bis zu großen Versicherungskonzernen. Auch viele deutsche Häuser sind dabei. In Sachen Energiewende will Japan von deutschen Erfahrungen profitieren. Beispielsweise orientiert sich das japanische Einspeisegesetz am deutschen EEG, unter anderem bei der Struktur des Vergütungssystems und bei der bevorzugten Einspeisung Erneuerbarer Energien in die Stromnetze.

So sehr Japan von ausländischen Erfahrungen profitiert, so schwierig ist es für Nicht-Japaner, auf dem japanischen Solarmarkt Fuß zu fassen. Die Herausforderungen reichen vom Grundstückserwerb über die Einholung der Baugenehmigung bis zur Errichtung und dem Betrieb von Photovoltaik-Anlagen. Voraussetzung für das Gelingen sind gute Geschäftsverbindungen zu einheimischen Marktteilnehmern, insbesondere japanischen Energie- und Bauunternehmen sowie einheimischen Projektentwicklern. In geschäftlichen Angelegenheiten haben Japaner ungern ausschließlich mit Ausländern zu tun, und der Solarmarkt in Japan bildet diesbezüglich keine Ausnahme. Es geht dabei weniger um die Sprachbarriere, sondern um kulturelle Unterschiede. Nur Empfehlungen, die von Japanern stammen, werden in Japan wirklich ernst genommen und öffnen Türen. Aus diesem Grund haben wir frühzeitig begonnen, strategische Partnerschaften mit japanischen Unternehmen einzugehen. Dazu kommen Gründungen von Firmen vor Ort, in denen japanische Ingenieure und Techniker arbeiten, damit die Dinge auch auf der Arbeitsebene reibungslos funktionieren.

Auch im Dickicht verschiedener ministerieller Zuständigkeiten hat sich schon mancher Investor verfangen. Relativ übersichtlich ist die Genehmigungsvoraussetzung für den Betrieb einer Solaranlage. Das METI, das japanische Wirtschaftsministerium, das auch für die Zuweisung einer bestimmter Einspeisevergütung zuständig ist, erteilt die Genehmigung, wenn über die gesamte Betriebszeit der Anlage von einer sicheren und effizienten Energieerzeugung auszugehen ist. Bei der Freigabe von Grundstücken für den Solarbetrieb spricht allerdings eine Reihe anderer Ministerien ein gewichtiges Wort mit.

Ohne ein breit gefächertes Netzwerk ist es inzwischen nicht mehr möglich, attraktiv gepreiste Grundstücke zu erwerben, die sich für den Bau einer Photovoltaik-Anlage eignen. Während die Sonneneinstrahlung in Japan eine attraktive Grundvoraussetzung für den Ausbau der Solarenergie bildet, ist dies bei der japanischen Topografie nicht der Fall. Das Land ist an vielen Stellen ausgesprochen bergig und hügelig. Dieser Umstand erschwert die Errichtung von Solarparks, weil man das Gelände planieren muss. Uns kommt jetzt unsere Erfahrung der letzten Jahre zugute, durch die wir mittlerweile wissen, wie man trotz der topografischen Herausforderungen zügig und relativ kostengünstig bauen kann.

Viele gute Flächen sind mittlerweile vergeben. Eine Reihe einheimischer Immobilien-Unternehmen hat damit begonnen, selbst Solarprojekte zu initiieren, weil sie über entsprechende Flächen verfügen. Wie in vielen Zukunftsmärkten gilt auch hier: Wer sich frühzeitig auf die Energiewende Japans und auf die Wettbewerbsvorteile der Photovoltaik eingestellt hat, hat jetzt die Nase vorn.

Die Energiewende in Japan ist in Schwung gekommen, ohne Frage. Ich glaube zwar nicht, dass Japan künftig ganz ohne Atomenergie auskommen wird. Aber sie wird mittelfristig einen wesentlich geringeren Stellenwert einnehmen. Alle wissen, dass ein Super-Gau im Großraum Tokio das Land ruinieren kann. Eine Evakuierung der dort lebenden 30 Millionen Menschen wäre nicht nur eine menschliche Katastrophe. Sie wäre eine ungeheure Wertvernichtung mit unvorstellbaren Folgen für die japanische Wirtschaft.

Der Autor Thorsten Eitle ist CEO der Hep Capital AG und Kenner des japanischen Photovoltaik-Marktes. Der Projektentwickler aus Heilbronn war als eine der ersten ausländischen Firmen auf dem japanischen Solarmarkt aktiv. Das Unternehmen hat bisher vierzehn Solarprojekte mit einer installierten Leistung von insgesamt rund 60 Megawatt initiiert.http://www.hep-capital.com/

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