Hoffnung auf das Trojanische Pferd

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„Machen Sie mit! Unterstützen Sie die E-Mobility mit einer eigenen Ladestation. Schneiden Sie sich vom guten Image der Elektromobilität eine Scheibe ab. Und testen Sie schon mal nebenbei das Geschäftsmodell der Zukunft – den Stromverkauf an Autofahrer.“ So argumentiert der Landesverband Erneuerbare Energien NRW. Er wirbt mit einer Kampagne, die sich an Ökostromerzeuger richtet, dafür, „das größte Ladenetz Deutschlands“ zu bauen. Eine schöne Idee, kann man meinen, eine Idee, an der sich nicht nur Windmüller beteiligen sollten, sondern auch Gewerbetreibende mit eigenen Photovoltaikanlagen.

Den Hype um die Elektromobilität – auch wenn er sich vielleicht noch nicht in hohen Verkaufszahlen für die Elektroautos bemerkbar macht – kann sich die Photovoltaikbranche nutzbar machen. In der Energiewelt von morgen lässt sich Elektromobilität nur zusammen mit erneuerbaren Energien denken. Und eben mit Photovoltaik, die die Autobesitzer oft auch noch selbst aufs Haus- oder Garagendach installieren lassen können.

Die Umweltfreundlichkeit von Elektrofahrzeugen hängt zu 64 Prozent von der Menge des verbrauchten Stroms und seiner Herkunft ab, wie das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg bereits 2011 ermittelte. Der deutsche Strommix mit seinem noch hohen Anteil an Kohlestrom genügt nicht, damit ein Elektroauto den ökologischen Vergleich mit einem ähnlichen Dieselfahrzeug gewinnt. Sobald jedoch Grünstrom zum Einsatz kommt, sind Elektrofahrzeuge schlagartig auf der Gewinnerseite. Am saubersten und billigsten fährt der Elektromobilist mit selbst produziertem Sonnen- oder Windstrom. E-Mobilität und Photovoltaik sind deshalb natürliche Verbündete und können sich gegenseitig Schwung verleihen. Mehr Elektroautos bedeutet nämlich auch, mehr dezentrale und mobile Speicher im Netz, was wiederum die Einspeisung aus fluktuierenden Energiequellen erleichtert.

Das Auto gehört zum privaten Energiehaushalt

Thomas Nordmann vom Schweizer Ingenieurbüro TNC Consulting schlägt daher vor, die Mobilität als einen wichtigen Punkt mit auf die private Energierechnung zu setzen. „Für Strom geben die Menschen gerade mal zwei Prozent ihres Einkommens aus, darüber macht sich niemand Gedanken.“ Viel häufiger und gründlicher setzen sich Autofahrer dagegen mit dem hohen Benzinpreis auseinander. „Wenn wir es schaffen, die Photovoltaik mit der Mobilität zu verknüpfen, erhöhen wir die Zahlungsbereitschaft.“ Für ihn müssten Photovoltaik und Elektromobilität im häuslichen Bereich ihre Stärken ausspielen. Sie seien zwei von insgesamt vier Teilen eines „Gesamtkunstwerkes“, für das die Branche werben müsse.

Der erste Schritt sei die energetische Verbesserung der Gebäudehülle, um den Gesamtenergiebedarf der Immobilie zu senken. Der zweite Schritt ist die Ertüchtigung der Haustechnik, zum Beispiel durch den Einbau von LED-Beleuchtung, smarter, energieeffizienter Hausgeräte und die Erneuerung der Heizungsanlage. Im dritten Schritt könnte man den deutlich reduzierten Energiebedarf durch eine Photovoltaikanlage decken. „Die Investitionskosten fallen im Vergleich zur Gebäudesanierung doch nur noch wenig ins Gewicht“, findet Nordmann. Für weitere drei bis vier Kilowatt könne man dann noch sein Elektroauto betreiben und sich für immer von der Tankstelle freikaufen. Energiepolitisch solle die Branche die Photovoltaik nicht als Ersatz für die Kernenergie positionieren, sondern zur Erzeugung häuslicher Wärme und Stroms sowie privater Elektromobilität. Nordmann sagt: „Aus meiner Sicht müssen wir in der Gesellschaft über das Gesamtkunstwerk diskutieren. Das ist aber ein bisschen mehr, als nur aus der Photovoltaikdelle herauszukommen.“

Wichtig sei jedoch, dieses Ziel spartenübergreifend zu kommunizieren. Elektro, Sanitär, Gebäudesanierung, Fahrzeugindustrie und Energiewirtschaft müssten Hand in Hand arbeiten. „Meines Erachtens fordert Karl-Heinz Remmers die Verbändefusion zu Recht“, sagt Nordmann. „Wir brauchen Lösungsansätze zwischen den Spezialisten, das ist alles zu zerklüftet und fragmentiert. Das Gesamtbild muss sich in der Verbandslandschaft und in der Kommunikation widerspiegeln.“

Sonnenstrom in Tiefgaragen

Auf die Agenda der Verbände gehört jedoch auch die öffentliche Ladeinfrastruktur. Denn in den kommenden Jahren werden hier Fakten geschaffen, die den dezentralen Stromerzeugern in die Hände spielen können oder auch nicht. Ein interessantes Beispiel ist das Berliner Start-up Ubitricity. Das Unternehmen will es Pendlern ermöglichen, am Arbeitsplatz oder unterwegs ihren eigenen Sonnenstrom zu tanken. Dafür hat es ein intelligentes Ladekabel entwickelt, das einen Stromzähler und eine Kommunikationsfunktion enthält. Dieser mobile Stromzähler kann einem festen Energieversorger zugeordnet werden. Autofahrer hätten somit die Möglichkeit, zu ihrem eigenen festen Ladestromtarif zu tanken. Am Ladepunkt werden Smart Meter und Abrechnungsfunktionen eingespart. Die vergleichsweise billigen Dosen könnten dafür massenhaft an Laternen, Tiefgaragen, Parkscheinautomaten oder Solarcarports angebaut werden.

Normale Ladestationen funktionieren wie Tankstellen. Man fährt hin und schaut nach, was das Benzin oder der Strom heute kostet. Mit dem System von Ubitricity könnte man dagegen an jeder Steckdose den eigenen Stromtarif bekommen und den Kosten der eigenen Haushaltsabrechnung zuschlagen. Im Hintergrund zieht der Netzbetreiber die geladenen Kilowattstunden vom Zähler des Ladepunktanbieters ab, so dass diesen das Tanken nichts kostet. „Unsere ersten Kunden werden sicherlich Pendler sein, die zu Hause Solarstrom tanken und sich eine zusätzliche Ladedose beim Arbeitgeber installieren lassen“, ist der Geschäftsführer von Ubitricity Knut Hechtfischer sicher. Dass sein Unternehmen den Strom dank des Zählers sauber von anderen Verbrauchern abgrenzen kann, ermöglicht es auch Mietern mit Tiefgaragenplatz, elektrisch zu fahren. Besonders spannend wird es, wenn der Solarstromerzeuger seinen Sonnenstrom an einen Direktvermarkter verkauft und dieser den Erzeuger mit Ergänzungsstrom beliefert. Dann könnte man an der Laterne auch seinen eigenen Sonnenstrom tanken – geliefert an den mobilen Zähler vom Direktvermarkter und mit an die Erzeugung angepasstem Ladeverhalten. Direktvermarkter oder Netzbetreiber könnten über das bidirektionale Ladekabel ebenfalls Zugriff auf den Speicher bekommen, was viele weitere Geschäftsmodelle ermöglicht. „Damit hätten Netzbetreiber und Photovolatikanlagenbetreiber auch wieder eine gemeinsame Win-win-Situation“, erläutert Hechtfischer. „Der Autofahrer lädt seinen mobilen Speicher am Tage unterwegs mit dem eigenen Strom auf und kann ihn abends zu Hause weiterverwenden. Doch im Gegensatz zum stationären Speicher nutzt er dafür das Netz.“ Im Sommer soll das Produkt erhältlich sein, bisher wird es an verschiedenen Orten getestet. Zu den künftigen Partnern gehört Ladenetz, dem sich bereits 47 Stadtwerke angeschlossen haben und das mit verschiedenen Fahrzeugherstellern kooperiert. Dieses Netzwerk will „Tatsachen schaffen“.

Wer entwirft das Ladenetz der Zukunft?

Genau wie Hubject. Im Projekt Hubject hat sich die Großindustrie aus BMW, Daimler, Siemens, EnBW, RWE und Bosch zusammengetan, um der Zukunft ihren Stempel aufzudrücken. Ein europäisches Netzwerk an Ladestationen soll entstehen, die der Kunde bequem per Smartphone freischaltet und über die Mobilfunkrechnung bezahlt. Jeder Anbieter einer Ladesäule hat dabei die Möglichkeit, den Strom zu seinen eigenen Konditionen zu verkaufen, in Euro pro Minute, Euro pro Kilowattstunde oder einer Mischkalkulation aus beidem. Um an diesem Netzwerk teilzunehmen, benötigt man eine Ladesäule mit Smart Meter und Online-Anbindung. So ein Gerät kann leicht über 5.000 Euro kosten plus Installation und jährlichen Gebühren. Die Teilnahme am Intercharge-Verfahren von Hubject schlägt pro Betreiber mit einer einmaligen Anschlussgebühr von 5.000 Euro und einer jährliche Servicegebühr von 1.600 Euro zu Buche, die unabhängig davon anfällt, wie viele Ladepunkte ihm gehören. Daher ist dieses Modell für Unternehmen mit vielen Geräten, zum Beispiel Stadtwerke, gedacht.

Ladepark Kreuz Hilden

In Hilden zeigt ein findiger Unternehmer, was Ökostromerzeuger heute schon tun können. Hier in der Bäckerei von Roland Schüren treffen sich jeden Samstag Fahrer von Elektroautos zum Frühstücken, Reden und um Sonnenstrom zu tanken. Vor der Tür stehen 14 Ladeplätze zur Verfügung. Genug für Schürens elektrische Lieferwagenflotte und den postfossilen Durchgangsverkehr. Vier bis sechs Fahrzeuge können bei gutem Wetter gleichzeitig aus der Photovoltaikanlage gespeist werden. Der Rest tankt zumindest bilanziell Sonnenstrom, denn die Elektromobilität ist nur ein Aspekt eines rundum auf Nachhaltigkeit getrimmten Gesamtpaketes. Schürens Backstube befindet sich in einem Plusenergiehaus. Die Abwärme von den Backöfen heizt die anderen Räume. Die Kühlgeräte benötigen vom Spätherbst bis zum Frühling weniger Strom, da ihr Kühlmittel auf einer Fläche im Boden vor dem Haus zurückgekühlt wird. Auch tiefe Erdkühle nutzt der findige Unternehmer, so dass die große Photovoltaikanlage auf den Dächern und dem Carport mit 148 Kilowatt Leistung oft mehr Strom erzeugt, als sein Betrieb verbraucht. Dieser überschüssige Strom, der vor allem in den frühen Nachmittagsstunden anfällt, wenn die Bäcker Feierabend machen, wird in die Lieferfahrzeuge geladen.

„Die Elektromobilität macht die Photovoltaik wirtschaftlicher, weil wir damit den teuren Sprit ersetzen“, erläutert Schüren. „Das könnten viele Unternehmen nachmachen, insbesondere Bäckereien“, ist er sich sicher. Zusätzlich dürfen Kunden und Durchreisende ihre Elektroautos bei Schüren bislang kostenlos nachladen. Nur das Tanken an der Schnellladesäule soll ab April pauschal vier Euro und für den Tesla zwölf Euro kosten. Die Resonanz sei noch gering, werde aber zunehmend besser. Dicht am Kreuz Hilden gelegen und mit der Möglichkeit, einen Kaffee zu trinken und frische Bio-Backwaren zu probieren, bietet der Bäckermeister all das, was E-Mobilisten sich für unterwegs wünschen. Sie können entweder im Laden eine Ladekarte kaufen oder den Betrag vom Giro-go-Chip ihrer Sparkassenkarte abbuchen lassen.

Nehmen und Geben für Netzstabilität

Schürens Lieferwagen stammen übrigens von Nissan. Der Hersteller verwendet zum Schnellladen den japanischen Chademo-Standard. Dieser ermöglicht auch bidirektionales Laden. Die Fahrzeuge können also nicht nur Strom aus dem Netz beziehen, sondern auch Strom zurückspeisen. Die Flotte könnte somit auch kurzzeitige Schwankungen bei der Erzeugung ausgleichen.

Diese Funktion, Stromspitzen abzufedern und Erzeugungslücken zu schließen, wird erst von wenigen Fahrzeugmodellen und Ladestationen angeboten. Dabei wäre sie für ein Smart Grid besonders wichtig. Elektroautos müssten ihr Lade- und eventuell ihr Entladeverhalten nach dem Netzzustand richten, erklärt Thomic Ruschmeyer vom Bundesverband Solare Mobilität (BSM). Mit dem Projekt PIVO „Netzoptimiertes Laden im Smart Grid“ setzt sich sein Verband dafür ein. Mit Hilfe von Sensordaten aus dem Auto könnten Netzbetreiber darüber hinaus ihr Stromnetzmonitoring verbessern. Derzeit fahren viele der Verteilnetze ziemlich „blind“ und zusätzliche Daten können den Netzausbau reduzieren, der im Zuge der Energiewende notwendig werden könnte. Anders gesagt, ein Mehr an E-Mobilität kann mehr erneuerbare Energien nach sich ziehen.

In der aktuellen Studie „Neue Verkehrswelt“ des Bundesverbandes Erneuerbare Energie wird das mit dem Bild vom Trojanischen Pferd beschrieben. Das Pferd ist die Elektromobilität, derzeit mit sehr gutem Image. Versteckt darin sind die Erneuerbaren. Da die Bundesregierung bisher an dem gesetzten Ziel von einer Million Elektroautos bis 2020 festhält, können die erneuerbaren Energien im Windschatten mitgezogen werden. Das gilt vor allem für das Image, an dem die Solarbranche wieder arbeiten muss. Wichtig ist dafür in den Augen des BEE aber, dass die Bidirektionalität der Fahrzeuge weiter vorangetrieben wird und dass sich die Regierung nicht von ihren Zielen für die E-Mobilität verabschiedet. Auch hierfür ist eine gemeinsame Stimme wichtig.

Der Einsatz der Erneuerbaren-Energien-Branche für die Elektromobilität kann also mehr sein als Imagepflege. Er kann helfen, größere Photovoltaikanlagen zu verkaufen und deren Wirtschaftlichkeit zu verbessern durch den Ersatz von Kraftstoffen oder den Verkauf von Ladestrom vom Dach. Er kann schließlich helfen, die Verkehrswende in Gang zu setzen und den Weg zum Smart Grid zu beschleunigen.

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