Neue Chance oder Ende der Bürgerenergiewende?

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Das neue EEG war noch nicht einmal in Kraft, da legte das Bundeswirtschaftsministerium bereits einen „Entwurf eines Eckpunktepapiers für ein Ausschreibungsdesign für Photovoltaik-Freiflächenanlagen“ vor. „Die Umstellung der Förderung für erneuerbare Energien von einem System der (…) Einspeisevergütungen und Marktprämien auf Ausschreibungen stellt die größte Veränderung im Fördersystem für erneuerbare Energien seit der Einführung des EEG dar“, heißt es darin.

Das Ministerium verspricht sich von dem Schwenk, die Ausbauziele für erneuerbare Energien kostengünstiger zu erreichen. In der EEG-Novelle ist deshalb für Photovoltaik-Freiflächenanlagen ein Pilotprogramm vorgesehen, mit dem Ausschreibungen getestet werden sollen. Bereits 2017 will die Regierung die Förderung für alle erneuerbaren Energien weitgehend auf Ausschreibungen umstellen.

Wie wichtig das Thema ist, zeigt die Flut der Reaktionen. In der sechswöchigen Frist bis Ende August gingen 90 Stellungnahmen von Verbänden und Unternehmen beim Ministerium ein. Während deutsche Projektierer in den Pilotausschreibungen die große Chance wittern, den Freiflächenmarkt in Deutschland wiederzubeleben, treibt Vertreter von Bürgerenergieprojekten eher die Sorge, sie könnten künftig nicht mehr zum Zuge kommen. Doch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat zugesagt, die Akteursvielfalt auch bei Ausschreibungen erhalten zu wollen.

Die Zeit drängt

René Mono von der „100 Prozent erneuerbar Stiftung“ sieht den SPD-Minister nun in der Pflicht. Das Wirtschaftsministerium prüft und bewertet derzeit die Argumente der verschiedenen Akteure, ehe es noch im Herbst sein angepasstes Eckpunktepapier vorlegen wird. Viel Zeit bleibt Gabriel und seinen Beamten nicht, die Rechtsverordnung auf den Weg zu bringen, da sie bereits im kommenden Jahr starten soll. Beobachter und Experten berichten aber übereinstimmend, dass sich das Wirtschaftsministerium große Mühe gebe, auf die verschiedenen Interessen bei der Erstellung des Ausschreibungsdesigns einzugehen.

Wie weit die Interessen der Akteure auseinandergehen, zeigt sich, wenn man Bürgerenergieverbände und große Projektierer befragt. Bernhard Beck, Geschäftsführer von Belectric, erhofft sich zum Beispiel neuen Schwung für den Freiflächenmarkt in Deutschland: „Mit den Ausschreibungen könnte wieder deutlich mehr Volumen realisiert werden, als es momentan der Fall ist“, sagt er. Im Entwurf ist angedacht, Photovoltaik-Freiflächenanlagen mit einem Volumen von jährlich 600 Megawatt auszuschreiben.

Vertreter von Bürgerenergieverbänden blicken hingegen eher skeptisch auf den Entwurf. „Es muss ein eigenes Kontingent für Bürgersolarparks bei den Ausschreibungen geben“, sagt René Mono von der „100 Prozent erneuerbar Stiftung“. Der Grund sei nicht, dass Bürgerenergieanlagen nicht beim Preis konkurrieren könnten, sondern dass es andere Voraussetzungen bei der Planung der Anlagen gebe. Er plädiert dafür, mindestens ein Viertel des ausgeschriebenen Kontingents für Bürgersolarparks zu reservieren. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) will hingegen getrennte Ausschreibungen für Freiflächenanlagen bis 5 Megawatt und bis 25 Megawatt. In der ersten Kategorie hätten dann auch Bürgersolarparks eine realistische Chance, zum Zuge zu kommen.

Im Entwurf ist dies noch nicht berücksichtigt. Dort ist nur vorgesehen, dass Projekte bis 25 Megawatt über Ausschreibungen gefördert werden sollen, was die bisherige Grenze bis zehn Megawatt deutlich ausweiten würde. Bernhard Beck von Belectric wünscht sich eine Anhebung der Höchstgrenze für die Projekte auf 50 Megawatt. Er teilt die Skepsis der Vertreter von Bürgersolarparks nur bedingt. „Das Ausschreibungsmodell verhindert Bürgersolarparks nicht, fördert sie aber auch nicht“, erklärt Beck. Größere Bedeutung misst er der Tatsache bei, dass das Ministerium die Ausschreibungen von Gleichstromleistung (DC) auf Wechselstromleistung (AC) umstellt. Die DC-Leistung eines Projekts lasse sich nur schwer über den Realisierungszeitraum vorhersehen, sagt Beck. Eine Kritik, die auch der BSW-Solar in seiner Stellungnahme aufgreift.

„Pay-as-Bid“-Modell umstritten

Ein viel diskutierter Punkt ist die Kostenentwicklung. Beim BSW-Solar glaubt man nicht, dass sich mit Ausschreibungen die Ausbauziele kosteneffizienter erreichen lassen. „Es werden Kosten in den Markt eingeführt, die es bisher nicht gab“, sagt auch Mono mit Blick auf die Risikokosten bei der Finanzierung, die versunkenen Kosten oder die höheren Transaktionskosten. Dies treffe alle Marktteilnehmer, aber Bürgerenergieprojekte besonders. Die Skaleneffekte bei Solarparks mit 25 Megawatt seien zudem weitaus größer als bei Bürgersolarparks, die sich eher im Bereich von zwei bis vier Megawatt bewegten.

„Zwar hat das Ministerium versucht, die Präqualifikationen für die Teilnahme an den Ausschreibungen gering zu halten, dennoch wird es den Bedürfnissen der Bürgerenergieprojekte nicht gerecht“, sagt Mono. Für Genossenschaften sei es einfach schwierig, gegen teilweise bereits vorentwickelte Projekte von EPC-Unternehmen zu konkurrieren. Der BSW-SolarHier Schlagworte einfügenplädiert für den Fall, dass es keine separaten Ausschreibungen für Bürgerenergieanlagen geben sollte, für eine Begrenzung des Zuschlagsvolumens für einzelne Bieter von jährlich 50 Megawatt.

Das Ministerium betont in seinem Entwurf, dass es ein einfaches, transparentes und verständliches Ausschreibungsmodell entwickeln will, das sich später auch auf andere Erneuerbare übertragen lasse. Die Vergabe soll nach einem statischen „Pay-as-Bid“-Modell erfolgen, heißt es im Entwurf. Dies bedeutet, dass der gebotene Preis das einzige Zuschlagskriterium ist. Die niedrigsten Gebote erhalten die Genehmigung. Allerdings schlägt das Ministerium auch die Vorgabe eines „ambitionierten Höchstpreises“ vor, um überteuerte Gebote auszuschließen.

Bernhard Beck hält wenig von einem Modell, das sich nur nach dem Preis richtet. „Es ist nicht logisch und widerspricht den Gepflogenheiten des Energiemarkts“, sagt er. Belectric plädiert dafür, den Preis über ein „Uniform-pricing“-Modell zu ermitteln. Dabei gehe es darum, dass die ausschreibende Behörde – sehr wahrscheinlich wird dies die Bundesnetzagentur sein – den aktuellen Marktpreis ermittelt, der dann für alle Projekte bezahlt werden soll, die einen Zuschlag erhalten. Nur so könne ein fairer und wirtschaftlicher Marktpreis für alle erreicht werden, sagt Bernhard Beck.

René Mono versteht das Ansinnen von Belectric, das sich von dieser Umstellung auch eine höhere Förderung für seine Projekte versprechen könnte. Er betont, beide Preisbildungsmechanismen hätten ihre Vor- und Nachteile. Bei den im Entwurf vorgesehenen Strafzahlungen sind sich die Vertreter der Branche weitgehend einig. „Sie sind notwendig, um Spaßangebote zu verhindern“, sagt Mono. „Andererseits halten sie vor allem Bürgerenergie und generell kleinere Akteure davon ab, sich an den Ausschreibungen überhaupt zu beteiligen.“ Beck wünscht sich weiterhin, dass es eine Möglichkeit geben sollte, bezuschlagte Projekte auch an anderen Orten realisieren zu können. Allerdings sollte es keinen Handel mit den Projekten geben dürfen.

Ein weiterer für alle Seiten wichtiger Aspekt ist die Flächendiskussion. Das Bundeswirtschaftsministerium hält in seinem Entwurf alles zwischen weiteren Restriktionen bis hin zur kompletten Öffnung für denkbar. In den Stellungnahmen wird deutlich, dass sich die Marktteilnehmer zusätzliche Flächen wünschen. „Ohne eine Flächenöffnung werden wir kein Anziehen des Marktes sehen. Dabei sollte es eine diskriminierungsfreie Flächenkulisse geben, auch in Zusammenhang mit anderen Energieträgern. Die Planungshoheit sollte dabei bei den Gemeinden liegen, und es sollte keine Planungsdirektive aus Berlin geben“, sagt Beck. René Mono hält es ebenfalls für sinnvoll, etwa „minderwertige Ackerflächen“ wieder für die Photovoltaik freizugeben. Allerdings sollten diese dann von Bürgerenergieanlagen belegt werden dürfen, nicht unbedingt an die großen Projektierer gehen. Ein Interessenausgleich mit dem Naturschutz sollte in jedem Fall immer gegeben sein.

Beim Bundesverband Solarwirtschaft spricht man sich ebenfalls dafür aus, den Kommunen die Planungshoheit zu überlassen. Dann wären auch gesetzlich vorgeschriebene Flächeneinschränkungen verzichtbar. Der Verband fordert zudem gezielte Maßnahmen, um eine regionale Verteilung der Projekte sicherzustellen. Die meisten Solarparks seien bislang in Bayern und Ostdeutschland gebaut worden. Dieser Trend würde sich noch verstärken, wenn allein der Preis pro Kilowattstunde für den Zuschlag ausschlaggebend sein sollte. Bayern punktet mit seiner höheren Sonneneinstrahlung und Ostdeutschland durch geringe Pachtpreise. Im Sinne einer ausgewogenen geografischen Belastung der Verteilnetze sollte in den Ausschreibungen ein „steuernder Regionalfaktor“ enthalten sein, heißt es in der Stellungnahme des BSW-Solar.

Start für Mitte 2015 angestrebt

Die Liste der zu klärenden Fragen ließe sich noch erweitern, aber bereits die aufgezeigten Punkte machen klar, vor welcher Mammutaufgabe das Wirtschaftsministerium steht. Dabei liegt auch ein gewisser Erfolgsdruck auf den Beamten, schließlich ist eine schnelle Umstellung auf Ausschreibungen das erklärte Ziel der Bundesregierung. „Die Ausfallrate muss möglichst niedrig sein“, sagt René Mono. „Das Wirtschaftsministerium arbeitet mit Hochdruck daran, dass die Ausschreibungen bei Freiflächen erfolgreich verlaufen werden“, bestätigt Sprecherin Julia Modes. Noch in diesem Jahr soll der Verordnungsentwurf vorgelegt werden. Ziel sei es, Mitte 2015 mit den Ausschreibungsrunden zu beginnen.

Bislang ist geplant, die jährlich vorgesehenen 600 Megawatt in drei Runden auszuschreiben. Ob es bereits 2015 diese drei Runden geben wird, bleibt abzuwarten. Einen ersten Evaluationsbericht will das Ministerium Ende 2015 vorlegen.

Der BSW-Solar fordert, das Pilotverfahren „ergebnisoffen“ zu evaluieren, gerade hinsichtlich der Kosteneffizienz, des realisierten Photovoltaikzubaus und der Akteursvielfalt. „Ein Zurück zu einer Förderung über eine Einspeisevergütung beziehungsweise über eine Marktprämie muss konsequenterweise ein mögliches Ergebnis dieser Evaluierung sein“, heißt es in seiner Stellungnahme. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Nina Scheer weist darauf hin, dass der Übergang zu Ausschreibungen nicht zwangsläufig kommen muss. „Es gibt mit der EEG-Novelle keinen gesetzlichen Automatismus“, sagt sie. Sie ist sich aber auch bewusst, dass die Novelle auf Ausschreibungen abzielt. Dies sei aber weder durch den Koalitionsvertrag noch die EU-Beihilferichtlinien in dieser Form vorgegeben. Die Tochter des EEG-Vaters Hermann Scheer hat klare Vorstellungen, wann eine Umstellung von Einspeisevergütungen auf Ausschreibungen vollzogen werden darf: „Es bedarf einer Beweisführung, dass tatsächlich Ausschreibungen gegenüber dem EEG hinsichtlich des Erreichens der Ausbauziele sowie ökonomisch betrachtet überlegen sind.“

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