Die große Hoffnung Perowskite

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Wer sich ansehen will, wie sich Innovation in der Zellforschergemeinde entfaltet, muss sich derzeit mit den sogenannten Perowskiten beschäftigen. Noch nie zuvor konnte der Wirkungsgrad einer neuen Solarzellentechnologie innerhalb von nur fünf Jahren verfünffacht werden. Und noch sieht es nicht so aus, als ob die Effizienz-Rallye bald zu Ende ist. „Die nächsten zwei Jahre werden zeigen, ob man damit Wirkungsgrade über 20 Prozent erreichen kann“, sagt Martin Green, Professor an der University of New South Wales im australischen Sydney und einer der bekanntesten Solarforscher. Er hielt selbst für fast 25 Jahre den Wirkungsgradweltrekord bei kristallinen Siliziumzellen.

Den Namen haben die Perowskite von einem Kristall aus Calciumtitanatoxid, den Geologen im Jahr 1839 im Ural fanden. Was in den Laboren zu Solarzellen verarbeitet wird, hat zwar nicht die gleiche Zusammensetzung, wohl aber die gleiche Kristallstruktur. Statt Calcium und Titanat enthalten die Perowskite, die die Forscher in den Laboren zu Solarzellen verarbeiten, derzeit meist die Elemente Blei und Iod und dazu Methylammonium, eine Verbindung aus Kohlenstoff, Stickstoff und Wasserstoff.

Erstaunlicherweise wurden die meisten Solarzellenforscher erst vor fünf Jahren auf das Material aufmerksam. Damals haben Wissenschaftler um Tsutomu Miyasaka von der Toin Universität im japanischen Yokohama eine Solarzelle damit hergestellt, die einen Wirkungsgrad von 3,8 Prozent hatte. Das ist für ein neues Material in der Fachwelt bereits ziemlich viel. Die japanischen Wissenschaftler nutzten dafür die gleiche Technologie, die auch für die Farbstoff-Solarzelle verwendet wird, auf Englisch als „dye-sensitized cell“ (DSC) bezeichnet. Trotz des beachtlichen Anfangserfolgs ist der Weg zu einer praktisch nutzbaren Zelle weit. Miyasaka kontaktierte die Perowskite auf der einen Seite mit einem flüssigen Elektrolyten, der als sogenannter Lochleiter dient. Da Perowskite löslich sind, hielt das Konstrukt nicht sehr lange.

Es verging aber nicht viel Zeit bis zum nächsten großen Schritt. Michael Grätzel ist Professor an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne und gilt als Erfinder der Farbstoffzellen. Er hat bereits 1998 eine Zelle vorgestellt, bei der der flüssige Elektrolyt durch einen Festkörper ersetzt wird. Zusammen mit Nam-Gyu Park von der Sungkyunkwan University in Südkorea übertrug er 2012 das Prinzip auf die Perowskite. Diese Zelle hielt mit 1.000 Stunden bei 65 Grad und durchgehender Bestrahlung mit „einer Sonne“ zwar noch nicht ausreichend lange, aber deutlich länger als die zuvor hergestellten Zellen, und das bei einer Effizienz von knapp zehn Prozent. Grätzel schätzt, dass die 1.000 Stunden im Labor bei realer Belastung rund 10.000 Stunden entsprechen.

Effizienz schon fast bei 20 Prozent

Nicht nur die Stabilität verbesserte sich, auch bei den Wirkungsgraden ging es rasant aufwärts. Inzwischen hat das amerikanische Forschungsinstitut für erneuerbare Energien NREL eine Perowskitzelle mit 17,9 Prozent in seine Rekordliste aufgenommen. An den Fortschritten sind Arbeitsgruppen aus vielen Teilen der Welt beteiligt. Dieser letzte Rekord stammt vom koreanischen Institut für die Chemieindustrie KRICT. Eine kalifornische Gruppe meldet jetzt sogar bereits über 19 Prozent Wirkungsgrad.

Damit liegen die Perowskitzellen, was die Effizienz angeht, inzwischen vor den Farbstoffzellen, die ihnen ursprünglich Pate standen. Deren Wirkungsgradrekord liegt laut NREL-Diagramm bei 11,9 Prozent.

Es liegt an zwei Eigenschaften, die die Perowskite besonders machen. „Mit ihnen lassen sich hohe Wirkungsgrade erreichen, weil sie eine sehr starke Lichtabsorption besitzen und als halbleitende Pigmente selbst Ladungen transportieren“, erklärt Michael Grätzel. Dadurch kann man die Poren des Titandioxids mit Perowskit auffüllen, so dass teilweise 200 Nanometer dicke Schichten entstehen. Dadurch wird mehr Lichtabsorbiert, was zu einer höheren Stromausbeute führt als bei Farbstoffzellen. Bei Farbstoffzellen kann die aktive Schicht nur ein Farbstoffmolekül dick aufgebracht werden, weil die Farbstoffe keine Ladungen leiten. Grätzel schreibt die Farbstoffzellen allerdings noch lange nicht ab. Deren Stabilität habe sich in den letzten Jahren dramatisch verbessert und im Labor von Hiroshi Segawa an der Universität Tokio sei es auch schon gelungen, einen Wirkungsgrad von 16 Prozent zu erreichen.

Den derzeit gemeldeten höchsten Wert für eine Perowskitzelle von 19,7 Prozent hält übrigens eine planare Zelle, bei der die Materialien – Titandioxid, Perowskit, Lochleiter – als flache, mehr oder weniger glatte Schichten übereinander aufgebracht werden, was ein weiterer großer Schritt nach vorne ist. Die Zelle ist aber noch dermaßen instabil, dass sie selbst unter Inertgas, das Reaktionen mit Sauerstoff verhindert, innerhalb von kurzer Zeit zerfällt. Grätzel und andere Experten haben außerdem Zweifel daran, dass die Leistungen der planaren Zellen exakt gemessen wurden, da an ihnen neue Effekte auftreten, die die Messung störten. Es sei eine Aufgabe für die Zukunft, deren Leistung richtig zu bestimmen.

Noch mehr Innovation nötig

Trotz der Rekorde am laufenden Band und der Aussicht, kostengünstige Materialien zu verwenden, ist die Technologie noch weit davon entfernt, in der Praxis die Siliziumzellen zu ersetzen. 1.000 oder 10.000 Stunden Haltbarkeit mögen Forscher in Laboren begeistern. Das sind etwas über 400 Tage. Investoren fordern heute aber 20 bis 30 Jahre. Genauso unklar ist, ob die Perowskitzellen auf größeren Flächen hergestellt werden können. Die bisher existierenden Laborzellen sind nur einige Quadratzentimeter klein. Außerdem müsste vermutlich auch noch eine andere Zusammensetzung gefunden werden. Das Blei, das die meisten Laborzellen enthalten, kann zusammen mit Wasser kanzerogenes Bleiiodid bilden. Am besten wäre es, das Element durch ein anderes zu ersetzen.

Michael Grätzel hat Vertrauen in die Forscher, dass sie die offenen Fragen lösen können. Er versteht den derzeitigen Hype um den neuartigen Zelltyp. Mit den bisherigen Arbeiten seien neue Türen geöffnet worden.

Ein Pluspunkt für das Material könnte auch dessen Variabilität sein. Die Bandlücke ist eine Eigenschaft des Materials, die bestimmt, welche spektralen Anteile des Sonnenlichts genutzt werden können. Sie lässt sich bei den Perowskiten leicht variieren und nach den Worten von Martin Green „ideal einstellen“. Außerdem scheint das Material in der Verarbeitung sehr robust zu sein. Das erlaubt den Forschern, relativ einfach Veränderungen durchzuführen und mit Verbesserungen zu experimentieren. „Es ist nicht auszuschließen, dass sie einen magischen Ansatz finden, mit dem sie die Stabilität in den Griff zu bekommen“, sagt Green.

Auch Welmoed Veurman, Wissenschaftlerin im Team von Andreas Hinsch am Fraunhofer ISE, sieht es positiv. „Wir sind in erster Linie daran interessiert, Herstellungsverfahren zu entwickeln, mit denen die Zellen in größerem Maßstab produziert werden könnten“, erklärt sie. Dabei sei es eine sehr gute Voraussetzung, dass die Perowskitzellen mit Lösungen prozessierbar seien. Eventuell sei sogar ein Siebdruck der Zellen möglich. Bei vielen anderen Technologien sind dagegen aufwendige Prozesse nötig, die nur im luftleeren Raum funktionieren.

Martin Green denkt schon weiter. Danach ist die Perspektive nicht unbedingt, Siliziumzellen zu ersetzen, sondern zu verbessern. Das theoretische Wirkungsgrad-Limit für Siliziumsolarzellen aus nur einer aktiven Schicht liegt bei rund 29 Prozent. Mit zwei aktiven Halbleiterschichten mit unterschiedlichen Bandlücken lassen sich schon 42,5 Prozent erreichen. „Die Perowskite eignen sich gut für Tandemzellen zusammen mit Siliziumwafern“, sagt er. Gesetzt den Fall, die anderen Probleme werden gelöst.

Aufbau und Funktionsweise

Farbstoffzellen, oder auf Englisch „dye-sensitized cells“ (DSC), bestehen zum Beispiel aus einer porösen Schicht von kleinenTitandioxid-Partikeln, auf die eine Schicht aus Farbstoffmolekülen aufgetragen wird. Diese Schicht ist monomolekular, sie ist also nur ein Molekül dünn. Trifft ein Photon auf den Farbstoff, wird ein Elektron auf das Titandioxid transferiert. Die Zelle kann nur funktionieren, weil das Titandioxid eine elektronenselektive Elektrode ist und dadurch nur negative Ladungen vom Farbstoff aufnimmt. Ein Elektrolyt, das ist eine leitfähige Lösung, liefert die Elektronen an den Farbstoff nach, so dass der Stromkreis geschlossen werden kann.

In den Festkörper-Farbstoffzellen, die Michael Grätzel 1998 vorgestellt hat, wird der flüssige Elektrolyt durch einen Festkörper ersetzt, den sogenannten Lochleiter. Er ist das Gegenstück zum Titandioxid, ebenfalls ein selektiver Kontakt, der allerdings nicht Elektronen aufnimmt, sondern Löcher. Das sind die positiven Ladungen.

In gewissem Sinne entspricht das Titandioxid dem n-Leiter der Siliziumsolarzelle und der Lochleiter dem p-Leiter. Das Funktionsprinzip einer Farbstoffzelle, deren Farbstoff nicht leitet, unterscheidet sich zwar fundamental von dem der Silizium-Halbleiterzellen, wo die Ladungsträgertrennung nicht durch Elektronentransfer, sondern durch Diffusionsprozesse an dem p-n-Übergang im Halbleiter stattfindet. Aber in beiden Zelltypen kommt es darauf an, die durch das Licht angeregten Elektronen von den gleichzeitig entstehenden Löchern zu trennen.

Bis zum Jahr 2012 dachten die Forscher, zur Trennung der Ladungen sei es bei den Perowskitzellen wie bei Farbstoffzellen nötig, das Material zwischen einem Lochleiter und einem elektronensensitiven Kontakt wie dem Titandioxid einzufassen. Doch dann wurde klar, dass es im Prinzip auch ohne den Lochleiter geht, weil der Perowskit selbst ein Halbleiter ist und diese Aufgabe übernehmen kann. Allerdings werden die Zellen mit besonders hohem Wirkungsgrad immer noch mit dem Lochleiter hergestellt.

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