Der letzte Blackout des Monats wird für den Juli 2014 vergeben an Günther Oettinger, EU-Kommissar für Energie.
Günther Oettinger erhält den Blackout des Monats Juli für seine Worte:
"Alle Kohlekraftwerke abzuschaffen wäre lebensgefährlich." (Morgenweb – Das Nachrichtenportal Rhein-Neckar, 06. Juli 2014)
Fachliche Begründung
Herr Oettinger hat sich herausragend oft für den Blackout des Monats (BOM) beworben und hatte bisher nie Glück. Für den letzten "BOM" hat er sich gleich mit mehreren Zitaten zur Wahl gestellt. Er behauptete unter anderem, dass Deutschland unterwandert sei von Eigenheimbesitzern mit Solaranlagen, Bauern mit Bioenergie-Kraftwerken und Bürgern, die sich finanziell an Windkrafträdern beteiligen oder er forderte Mannheimer Zuhörer auf, für den Erhalt von Kohlekraftwerken zu demonstrieren.
Ein besonders schönes Beispiel seiner Polemik stellt allerdings der Satz "Alle Kohlekraftwerke abzuschaffen wäre lebensgefährlich." dar, den er so bei einer IHK Vollversammlung in Mannheim formulierte.
Unklar ist bei der Aussage von Herrn Oettinger, wer denn überhaupt die sofortige Abschaffung aller Kohlekraftwerke fordert? Zurecht pocht die Umweltbewegung darauf, dass diese Kraftwerke viel zu viel CO2 emittieren und der hohe Anteil an unflexiblem Braunkohlestrom die Stromnetze überfüllt. Zudem treiben die zu niedrigen Preise an der Börse die Stromkosten der Verbraucher in die Höhe. Viele Gründe also, um einen Ausstieg aus der Braunkohle durch gezielte politische Rahmenbedingungen voran zu treiben. Solche Forderungen stehen tatsächlich im Raum. Dazu könnten erhöhte Emissionszertifikate beitragen oder eine Beteiligung des Eigenstromverbrauchs der Kraftwerke an der EEG-Umlage. Aber an diesem Punkt ist die Politik längst nicht angekommen. Viel mehr bewilligt Brandenburg im Moment neue Tagebaue und Bundesenergieminister Gabriel sorgt für den Weiterbetrieb der Kohlekraftwerke indem Marktchancen erhalten, wenn nicht sogar durch die Ausschaltung von Konkurrenz verbessert werden.
Eine weitere Frage an Herrn Oettinger wäre die nach der Lebensgefahr. Für wen wäre der sofortige Ausstieg aus der Kohlekraft denn lebensgefährlich? Einige Schwellenländer beweisen die Unsinnigkeit der Aussage. Dort werden häufig geplante Stromabschaltungen angeordnet, die absolut nicht zu Todesfällen führen.
Wo sollte es auch Todesfälle geben? In Krankenhäusern oder Atomkraftwerken, die unbedingt auf eine funktionierende Stromversorgung angewiesen sind? Hier stehen hoffentlich funktionale Notstromaggregate zur Verfügung. Diese Einrichtungen sollten die Aussage von Herrn Oettinger nochmals als Erinnerung nehmen, ihre Geräte eingehend zu prüfen. Eine Aufgabe, die die Antiatombewegung übrigens seit Jahren – nicht erst seit Desastern wie in Forsmark (Schweden) oder Fukushima (Japan) – beständig einfordert.
Ansonsten wäre es unangenehm, arbeitsintensiv und teuer, wenn wir plötzlich zu wenig Strom – Herr Oettinger spielt aber wahrscheinlich eher auf einen Stromausfall an – hätten. Wenn die dringend erforderlichen Notstromaggregate funktionieren wäre die Situation allerdings nicht lebensgefährlich, sondern manchmal eher das Gegenteil, wie historische Ereignisse beweisen. In New York brachten viele Eltern die Geburt ihrer Kinder mit dem Blackout am 9. November 1965 in Verbindung. Bei den einen lag es am "Kerzenschein", andere wollten bei der Dunkelheit nicht "allein ins Bett". Vielleicht wegen der hohen Kriminalität? Dabei gehörte die Nacht vom 9. auf den 10. November 1965 erstaunlicherweise zu denjenigen mit den wenigsten Verbrechen in der Geschichte von New York City seit kriminalstatistischer Aufzeichnung.
Auch in Deutschland gab es Hinweise auf gehäufte Geburten nach Stromausfällen, zum Beispiel in der Provinz Gelderland, wo nach einem Stromausfall wegen einem Armeehubschrauber die Geburtenrate im September 2008 um 44 Prozent anstieg.
Und wer es nicht glaubt, dem sei gesagt: RWE zahlte an Familien, deren Kinder 9 Monate nach dem Stromausfall im Münsterland geboren wurden, jeweils einmalig 300 Euro aus.
Falls sich also die Angst von Herrn Oettinger bewahrheiten würde und alle Kohlekraftwerke müssten aus unerfindlichen Gründen und völlig unerwartet gleichzeitig schließen und dadurch entstünde ein Stromausfall, so könnte es sein, dass dadurch tatsächlich eher mehr Leben entsteht als weniger. Wenigstens die Angst vor den Todesfällen können wir Herrn Oettinger also hoffentlich nehmen.
Abschließend könnten wir dann von unserer Seite umgekehrt fragen, für wen der Erhalt und der weiter ausufernde Betrieb von Kohlekraftwerken lebensgefährlich sind? Wer auf dem neuesten Stand bezüglich der anhaltenden Klimakatastrophen ist, kann diese Frage beantworten. Die weltweit größte Datenbank hierzu führt die Münchner Rück. Allein im Jahr 2010 waren rund 300.000 Tote zu beklagen, über 200 Millionen Menschen wurden geschädigt, Tendenz steigend.
Ein Blackout oder eine eingeschränkte Stromversorgung kann – auch wenn faktisch unangenehm – teilweise sogar Leben erzeugen. Der Blackout von Günther Oettinger bringt dagegen viele Leben weltweit in Gefahr.
Der Blackout des Monats (BOM) kürte irritierende Bemerkungen aus Politik und Wirtschaft zum Thema Strommarkt und Energiewende. Pokal war eine Taschenlampe mit Dynamo, die dem "Gewinner" künftig als wegweisendes Licht und Sicherheit dienen sollte. Viele interessierte Bürger suchten Zitate des laufenden Monats. In der Nacht auf den ersten Werktag des Folgemonats wurde der BOM jeweils gekürt.
energie neu denken setzt sich für den bürgernahen Ausbau der Erneuerbaren Energien ein. Die gemeinnützige Beratungsgesellschaft kämpft für eine volkswirtschaftlich sinnvolle, gerechte und sozial verträgliche Transformation des deutschen Strommarktes.
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