Nicht nur vom Erfolg treiben lassen

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Ob sich Unternehmen an Veränderungen anpassen können oder nicht, hängt auch mit ihrer Geschichte zusammen. Warum?

Das ist das Grundargument der Pfadabhängigkeit, das heißt: History matters. Nicht selten bildet sich ein organisationaler Pfad in Unternehmen aus, der durch selbstverstärkende Mechanismen und Erfolg getrieben ist und sich im Laufe der Zeit zunehmend verfestigt.. Auf diesen Erfolgspfaden sind die Unternehmen gebunden, auch wenn sich die Umwelt verändert. Firmen wie Kodak oder Karstadt hatten früher großen Erfolg mit ihrem Business Model, haben darüber positives Feedback erhalten und waren einer bestimmten Logik verhaftet.

Aber für Kodak ist ja der gesamte Markt weggebochen. Was hätte das Unternehmen anders machen können?

Natürlich ist es schwierig. Aber es gibt auch Beispiele wie Fujifilm, eine Firma, die es geschafft hat, obwohl sie mit den gleichen Bedingungen zu kämpfen hatte.

Was hat Fujifilm anders gemacht?

Sie haben stärker auf ihre Stärken und die Ressourcenbasis in ihrer Strategie geschaut und gesehen, was können wir, was für Fähigkeiten haben wir. Sie haben dann nicht am Markt festgehalten, also „Wir sind im Filmmarkt tätig“, sondern gesehen, „ Wir haben Fähigkeiten im Bereich chemische Produktion“. Die sind dann sehr stark in den Bereich Health Care gegangen. Oft ist es eben der Fall, dass Unternehmen durch eine Pfadabhängigkeit blind werden für Entwicklungen in nahe stehenden Märkten und wie mit Scheuklappen in eine Sackgasse laufen.

Was sind die größten Widerstände, die zum Beispiel bei Kodak verhindert haben, es gleich zu tun?

An den vielen Beispielen, die es gibt, sieht man: Oft sind nicht die technologischen und die Ressourcenprobleme die größten Hindernisse. Es spielt viel mehr eine kognitive Dimension eine größere Rolle. Kodak hat ja beispielsweise die Digitalkamera erfunden. Aber alte Player sind kognitiv oft stark in der ehemaligen Technologie verhaftet, da es Widerstände in der Organisationskultur gibt, dass sie oft an bestehenden Praktiken fest halten und den kürzeren ziehen. Andere Firmen sind oft sehr früh ebenfalls in diesen technologischen Märkten aktiv, nehmen die Entwicklungen auf, und konzentrieren sich darauf.

Wann muss man denn anfangen, auch neben den Erfolgspfaden zu suchen?

Das ist gerade das Schwierige für Organisationen, denn diese Pfade bilden auch die Quelle von Wettbewerbsvorteilen. Dadurch, dass sie früher als andere angefangen haben, bestimmte Technologien zu entwickeln und sich auf diese Pfade begeben, stellen die betreffenden Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit her.

Ein anderes Positivbeispiel ist IBM, oder?

IBM hat nicht nur nicht daran festgehalten hat „Wir sind ein Computer-Hardware-Hersteller“, sondern es auch geschafft hat, sich neu zu definieren als Service Provider. Das ist es ein gutes Beispiel für ein Unternehmen, das diesen Switch geschafft hat.

Auch in der Solarbranche überlegen Unternehmen, mit ihrem Ingenieurs-Know-How statt Anlagenbau jetzt Service anzubieten.

Gerade wenn Sie die Rolle der Ingenieure ansprechen: Ingenieure sind vielleicht gerade die wichtigen Personen in diesem Prozess, weil sie gerade in Deutschland immer besondere Leistungsanforderungen haben. Sie haben bestimmte Ausbildungen und eine bestimmte Expertise. Oftmals sind sie diejenigen, die am ehesten an diesen Veränderungen zweifeln und sich nicht verändern wollen. Sie haben natürlich ihr Wissen, ihre Expertise und den Erfahrungsschatz. Sie möchten sich auch oft nicht so gerne verändern.

Wie kann die Geschäftsleitung da unterstützen?

Ein Konzept, was es in der strategischen Innovationsmanagementforschung gibt, nennt sich Organisationale Ambidextrie. Ambidextrie heißt so viel wie Beidhändigkeit, also dass Organisationen es schaffen, an ihrem Kernbusiness festzuhalten und damit zu arbeiten, aber es gleichzeitig schaffen, neue Trends aufzunehmen und sich neu zu entwickeln. Da ist wiederum ein großes Konzept die so genannte strukturelle Ambidextrie. Am Standort betreiben sie das Kernbusiness betreibt, 100 Kilometer weit weg, vielleicht an einem Universitätsstandort setzen Sie eine Arbeitsgruppe hin, die das Kernbusiness hinterfragt und immer auf der Suche nach neuen Geschäftstrends ist. Dann schaffen Sie diese Beidhändigkeit.

Das heißt, ehemals erfolgreiche Solarunternehmen könnten sich ein anders Betätigungsfeld suchen?

Ja. Diese Blindheit, also dass man sich zu sehr auf einen Markt fokussiert, ist ein Fehler.  Man kann ja auch sagen kann: Ich bin allgemein im Markt erneuerbare Technologien tätig und nicht im Markt für die Solaranlagen. Man braucht auch langfristig eine Strategie und kann nicht nur schauen, wie viele Subventionen bekomme ich wo. Ich muss wissen, wer sind meine Wettbewerber, welche Kernkompetenzen besitze ich und wie setze ich meinen strategischen Fokus. Ein mentales Modell könnte ja zum Beispiel ein ganzheitlicher Energiedienstleister sein. Andere Installateure sehen sich als Installateure von Solarmodulen. Dann ist natürlich, wenn der Markt schrumpft, sein Schicksal automatisch an diesen Markt gekoppelt. Dann stehen einem seine eigenen mentalen Vorstellungen im Wege und es gibt vielleicht eine strategische Lösung, die er aber nicht nutzen möchte.

Auch die Hersteller?

Deren Schwierigkeit hat allerdings nicht unbedingt nur mit Pfadabhängigkeit zu tun, sondern auch mit spezifischen Investitionen, die ja nicht transferierbar sind in andere Märkte.

Gibt es denn auch ein Beispiel, wo ein Unternehmen ein starken Wandel mitmacht, ohne sich gleich ein anderes Geschäftsfeld zu suchen?

Schauen Sie sich Unternehmen wie den Cirque de Solei oder Rynainar an. Beide Unternehmen sind in traditionellen Geschäftsfeldern, Zirkus sowie Passagierairlines,  tätig. Was unterscheidet Sie von anderen Wettbewerbern? Sie legen andere Schwerpunkte und erschließen neue Kundensegmente, indem Sie mit etablierten Brachenregeln gebrochen haben.

Das Gespräch führte Michael Fuhs

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