Die bezahlten Kommentierer – ein Erfahrungsbericht

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Bezahlte Kommentare in Blogs, Foren, News-Seiten? Kann es so etwas geben? Nein, niemals, war ich lange der Überzeugung. Das würde man doch merken und außerdem, wer macht sich die Mühe sämtliche Blogs zu einem Thema im Auge zu haben, das Internet ist demokratisch und transparent, Lobbyismus geht andere Wege. Ich konnte es mir nicht vorstellen. Ausgeschlossen.

Ich wurde eines Besseren belehrt – in unserem eigenen Blog. Ich beschäftige mich seit längerem mit dem EEG, dem EEG-Paradoxon und den Auswirkungen der Ausgleichsmechanismusverordnung ab 01.01.2010.  Ein Strommarkt-Design, das einerseits finanzielle Vorteile für die Industrie und Stromwirtschaft selbst bringt, gleichzeitig die EEG-Umlage künstlich hochtreibt, von den eigentlichen Kosten (ausbezahlte Vergütungen an alle EEG-Anlagenbetreiber) entkoppelt und somit trefflich geeignet ist, die bislang sehr hohe Akzeptanz des EEGs zum Kippen zu bringen und die Sündenbockrolle klar zu verteilen.

Der mediale Startschuss

Oktober 2010 kam der erste Höhepunkt des EEG-Bashings. Allein aufgrund der geänderten Bezugsgrößen der neuen Berechnungsmethode war es zwangsläufig, dass die EEG-Umlage deutlich ansteigen muss. Es waren 70%. Die Schlagzeilen, die das EEG und die PV trotz aller nachweisbaren Fakten als alleinigen Verursacher verdammten, überschlugen sich förmlich und rissen im Gegensatz zu anderen Themen auch merkwürdigerweise nicht ab, bis zum heutigen Tag. Kurze Unterbrechung lediglich direkt nach Fukushima, um nur kurze Zeit später bereits umso penetranter und aggressiver fortzufahren. Diese Einseitigkeit fand ich sehr auffällig und merkwürdig, zumal ich ja als Insiderin wusste, was die EEG-Umlage hauptsächlich hochgetrieben hatte.

Ich recherchierte bereits ab 2010 intensiv und schrieb folgenden Artikel in unserem Blog: „Journalismus und das EEG“. Dieser widerlegte anhand vieler Links und Originalbelege Schlagzeile für Schlagzeile und thematisierte zum ersten Mal das sogenannte „agenda setting“. Das gezielte Setzen von Schlagzeilen durch Lobbygruppen, bei dem, wie Claudia Kemfert es in ihrem Buch „Kampf um Strom“ formuliert, das Geld am Ende darüber bestimmt, wer am Ende gehört wird. Meine Recherchen konnte ich auch bei diesem Thema anhand von Originaldokumenten belegen.

Invasion der EEG-Kritiker – Kita Leiterin als vermeintlicher Autor?

Bereits ab den ersten Morgenstunden des ersten Werktags nach der Veröffentlichung des Blog-Posts am Wochenende kamen Kommentare (siehe im Anschluss an den Blog-Post), die inhaltlich und in ihrer Wortwahl ziemlich genau das wieder gaben, was den Schlagzeilen des medialen Trommelfeuers der letzten Monate gegen die EEG-Umlage, das EEG und die Photovoltaik entsprach. Die sehr schnellen Reaktionen verwunderten uns, da der gleichzeitig mit dem Blog-Post veröffentlichte Zeichentrickfilm hingegen noch keine zwanzig Aufrufe hatte. Nach der Überprüfung der angegebenen mail-Adressen stellte sich folgender Sachverhalt dar:

Die angegebenen mail Adressen der gleichförmigen Anti-EEG Kommentare waren bis auf eine allesamt ungültig und z.T. noch auffallend ähnlich mit nur kleinen Abweichungen. Eine reale mail-Adresse war allerdings dabei. Zu dieser Person gelang es mir, aufgrund der eindeutigen mail-Endung und nach kurzer Internet-Recherche telefonisch Kontakt aufzunehmen. Wir telefonierten ca. 30 Minuten. Es war eine ältere Dame, Leiterin einer katholischen Kita, deren berufliche mail-Adresse lediglich ein paar Tage zuvor im web veröffentlicht wurde. Die gute Frau hatte noch nie was von EEG, EEG-Umlage, Quotenmodell gehört, konnte mit Photovoltaik nichts anfangen und wusste auch nicht, was ein Blog ist, geschweige denn, wie man Kommentare darunter setzt. Die Arme fiel aus allen Wolken, dass ihre berufliche mail-Adresse von einem Fremden missbraucht wurde.

Interessante Einblicke in angewandte Kommunikationsmethoden

Ich war zunächst fassungslos und untersuchte, ob da Methode dahinter stecken kann. Nach einiger Recherche stieß ich auf folgendes Dokument: Im September 2009 wurde der Umweltschutzorganisation Greenpeace einDokument zugespielt mit höchst interessantem Inhalt. Das Papier der Kommunikationsagentur PRGS mit dem Titel „Kommunikationskonzept Kernenergie“ entwickelte eine „zeitlich den Wahlkampf begleitende politische Kampagne“ mit dem Ziel einer „positiven Beeinflussung der Kernenergiedebatte“. Empfängeradresse: e.on.

Auf S. 92 heißt es als Empfehlung:  “Beginnend mit einer Bestandsaufnahe relevanter Blogs werden Argumente pro Kernenergie in den Webdiskurs eingespeist. […] Entsprechend der Ausrichtung identifizierter Blogs werden die entwickelten Argumente zielgruppenadäquat formuliert. Die gleiche PR-Agentur gab zudem Anleitungen wie durch “Integration von social media in der Kommunikation” mit Hilfe von Alert-Diensten, Twitterbeep etc. sämtliche News, Blogs, Foren im web, in denen eine ausgewählte Marke oder ein ausgewählter Schlüsselbegriff vorkommt, im Auge behalten und unmittelbar reagiert werden kann.http://www.prgs.de/fileadmin/user_upload/pdf/Social_Media_Report_de.pdf

Bezahlte Kommentare in Blogs, Foren, News-Seiten ausgeschlossen? Leider nein! Diese Methode der gezielten Einflussnahme können wir anhand der mit unserem Blog-Post gemachten Erfahrungen nur bestätigen.

— Die Autorin ist Mitgründerin des photovoltaikbüros, das Endkunden unabhängige Beratung bietet, Bürgerkraftwerke projektiert sowie Gutachten und Fehleranalysen bei Mindererträgen erstellt.—

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