Perpetuum mobile

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Wenn der Bundesligist TSG 1899 Hoffenheim im heimischen Stadion spielt, sind die Fußballer ganz in Blau gewandet. Die Trikots, die Hosen und sogar die Kniestrümpfe sind strahlend blau. Ein treuer Fan kommt in den gleichen Farben, und wenn es nur der Schal ist. Ginge es nach dem Hoffenheim-Sponsor Wirsol Solar, würden sie nun auch mit einem E-Bike in der gleichen Farbe ihre Besorgungen erledigen und auf Fahrradtour gehen. Denn Wirsol, Photovoltaik-Systemanbieter aus Waghäusel, bietet seit Kurzem eine E-Bike-Sonderedition für den Club an. Damit will das Unternehmen auf sein neues Geschäftsfeld, die Elektromobilität, aufmerksam machen. Auch die Systemanbieter Donauer Solartechnik und Sunenergy sowie der Montagesystemhersteller Green Factory haben elektrisch betriebene Zweiräder als neues Produkt entdeckt. Ihre Geschäftsmodelle und Zielsetzungen sind allerdings sehr unterschiedlich.

Elektromobilität gilt als ein Zukunftsmarkt in Deutschland. Dazu hat auch die Bundesregierung beigetragen. In ihrem Energiekonzept fixierte sie das Ziel, dass bis 2020 eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen fahren sollen. Während es mit diesem Vorhaben nur langsam vorangeht, erlebt der Markt für elektrisch betriebene Zweiräder gerade einen Boom.

Nach Auskunft des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV) wurden 2009 rund 150.000 E-Bikes in Deutschland verkauft. 2010 waren es schon 200.000 Stück, im vergangenen Jahr etwa 310.000. Für 2012 geht der ZIV davon aus, dass bis zu 410.000 Elektrofahrräder verkauft werden konnten. „Mittelfristig kann der Anteil von E-Bikes am gesamten jährlichen Fahrradmarkt in Deutschland bei 10 bis 15 Prozent liegen“, sagt Stephan Schreyer, Pressesprecher des ZIV. Im Vergleich zu anderen Prognosen sei dies noch eine konservative Schätzung, fügt er hinzu. Bei jährlich vier Millionen verkauften Fahrrädern in Deutschland wären dies immerhin noch zwischen 400.000 und 600.000 verkaufte E-Bikes im Jahr.

Wie bei den Solar-Carports lässt sich die Verbindung zwischen Photovoltaikanlage und E-Bike leicht herstellen. „Auf der einen Seite habe ich die Solar stromerzeugung, auf der anderen Seite einen attraktiven Stromverbraucher, der Mobilität im fortgeschrittenen Alter ermöglicht“, beschreibt Torsten Zschiedrich, Leiter der Akademie für angewandtes Erfolgstraining, die Argumentation.

Neue Themen finden

Die Verknüpfung von Photovoltaik und Elektrofahrrädern hält er gerade in der derzeitigen Marktlage für interessant. „Die Rendite ist nun geringer. Wenn Photovoltaikunternehmen noch verkaufen wollen, müssen sie auf andere Themen ausweichen“, erklärt Zschiedrich. Ein solches Thema sei die Mobilität. Die kleineren Anlagengrößen und die Zweiräder passen zudem zum veränderten Markt, der sich in Richtung Kleinanlagen verlagert.

Als Marketingberater berät Zschiedrich Solarfirmen in ganz Deutschland. Einer seiner Kunden ist Sunenergy Europe. Für das Hamburger Systemhaus entwickelte der Berater gerade ein neues Produkt, das aus einer Photovoltaikanlage und einem E-Bike besteht. Die Kunden können zwischen vier verschiedenen Paketen wählen. Im Paket „Small“ hat die Solaranlage eine Leistung von 2,88 Kilowatt. Dazu gehört ein E-Bike von Karcher zum Preis von 4.200 Euro. In den Pakten Medium, Large und Extra Large steigt die Anlagenleistung bis auf 9,6 Kilowatt. Gleichzeitig werden die E-Bikes, die zum jeweiligen Paket gehören, höherwertiger und teurer. Beim XL-Paket stehen zwei Räder von Keeway für jeweils 11.400 Euro zur Auswahl.

„Wir haben uns überlegt, wie wir Photovoltaikanlagen attraktiver gestalten können, zumal sie sich immer schwerer über die Rendite verkaufen lassen“, schildert Zschiedrich den Hintergrund der Produktentwicklung. Ziel sei es aber auch gewesen, den Zusammenhang zwischen der Erzeugung und der Nutzung von Solarstrom „marketingtechnisch besser darzustellen“. Bei den Überlegungen sei man zu dem Schluss gekommen, dass innovative Zusatzprodukte wie E-Bikes die Attraktivität von Solaranlagen steigern würden. Vor allem, weil man dabei den Zusammenhang ganz konkret aufzeigen kann: Der Kunde kann den Akku mit Sonnenstrom aufladen und losradeln.

Elektrofachgeschäfte als Partner

Mitte November ist Sunenergy mit dem neuen Produkt an die Öffentlichkeit gegangen. Kooperationspartner ist Electronic Partner, ein europaweit täti-ges Handelsunternehmen für Unterhaltungs- und Haushaltselektronik. Mit einem Newsletter wurden 700 Partnerunternehmen von Electronic Partner über das neue Angebot informiert. Die Elektrofachbetriebe sollen die Pakete nun an den Mann oder die Frau bringen. Da das Angebot neu im Markt ist, lässt sich über die Resonanz noch wenig sagen.

Etwas mehr Erfahrung konnte Wirsol schon sammeln. Die eigens für das neue Geschäftsfeld gegründete Wirsol E-Mobility GmbH bietet seit Anfang Oktober ein City-Rad, zwei Trekking-Räder und zwei Motorroller an – allesamt elektrisch betrieben. Für die Fahrräder ist Wirsol eine Kooperation mit den Mitteldeutschen Fahrradwerken (MIFA), einem der größten deutschen Fahrradhersteller, eingegangen.

Eine Reaktion auf die veränderten Rahmenbedingungen im PV-Markt sei das neue Angebot allerdings nicht, betont Markus Servatius, Geschäftsführer der neuen Gesellschaft. Wirsol habe auf die Nachfrage von Kunden und Besuchern von Fachvorträgen im Haus reagiert. Zudem sei der Markt für Elektroräder ein Wachstumsmarkt. „Elektroautos und Ladestationen: Diesen Bereichen wollen wir uns auch noch widmen.“ Beides bietet Wirsol schon mit Kooperationspartnern an, die Elektroautos gemeinsam mit Autohäusern in der Umgebung.

Leitsatz Nachhaltigkeit

Bei Green Factory ist das neue Geschäftssegment aus dem Firmenleitsatz der Nachhaltigkeit entstanden. „Als Unternehmen mit grünem Gedanken steht Nachhaltigkeit bei uns an oberster Stelle“,sagt Geschäftsführer Marc Gergeni. „Energiegewinnung und Mobilität gehören für uns gleichermaßen dazu.“ Allerdings sei das neue Geschäftsfeld auch aus einem persönlichen Interesse heraus entstanden.

Der Wirtschaftsingenieur wollte ursprünglich einen Elektro-Kabinenroller entwickeln. „Allerdings holte mich die Realität ganz schnell auf den Boden zurück, da man enorm hohe Forschungs- und Entwicklungskosten hat, die sich nicht mal eben aus der Portokasse zahlen lassen“, erzählt Gergeni. „Eine andere Lösung musste her. So wurden aus vier Rädern zwei Räder.“ 2009 begann er mit der Konzeption und Entwicklung eines eigenen E-Bikes, seit 2010 fertigt Green Factory in der Fabrik im bayerischen Nattheim fünf Modelle und bietet sie in Deutschland an. Die Räder mit dem Markennamen „Volt“ kosten im Online-Shop zwischen 2.700 und 3.300 Euro.

Green Factory vertreibt die Räder nur über den Online-Shop. Testfahrten sind im Ausstellungsbereich des Unternehmens oder bei Kooperationspartnern wie einem Schlosshotel möglich. „Das Produkt hat Anklang gefunden“, sagt Gergeni, Verkaufszahlen möchte er aber nicht nennen. „Die E-Bikes lassen sich in den Photovoltaikbereich integrieren, da viele unserer Kunden im E-Mobilitätsbereich tätig sind.“ Solche Kunden sind die Stadtwerke Heidenheim oder Elektriker. Außerdem bietet Green Factory neuerdings auch Solar-Carports an. Die E-Bikes würden die neue Produktgruppe abrunden, so Gergeni. Inwieweit dieses Geschäftsfeld dem Kerngeschäft helfe, sei nicht messbar, sagt er. Denn im Photovoltaikgeschäft liefert Green Factory nicht an Endkunden, oder anders gesagt: Der Käufer eines E-Bikes könnte und würde kein Montagegestell bei ihm kaufen. Vielmehr hilft im Business-to-Business-Bereich, wenn Green Factory Kunden wie Installateure oder Stadtwerke als Käufer von E-Bikes gewinnen oder mit ihnen kooperieren will, die Bekanntheit als Hersteller von Montagesystemen.

E-Bike-World

Auch Donauer Solartechnik aus Gilching bei München hat einen neuen Geschäftsbereich E-Mobility kreiert. Leiter ist Spencer Hippe, der zuvor bei dem Handelskonzern Metro tätig war. Ursprung bei Donauer waren die Solarladestationen für Fahrräder, die das Unternehmen schon länger anbietet. Mehrere hundert dieser E-Bike-Ports habe Donauer im In- und Ausland verkauft, sagt Handelsfachwirt Hippe. Kommunen, Supermärkte, Einkaufszentren, Hotels und Elektroinstallateure hätten bei Donauer diese solaren Tankstellen bestellt und nutzen sie für ihre Werbung. Ein Beispiel ist die Elektrokette Conrad, die für ihre Filiale in Regensburg Ladestationen in den Firmenfarben grau, schwarz und blau orderte. Die dazu passenden E-Bikes bestellte Conrad gleich dazu.

Doch Donauer will das Geschäft mit den E-Bikes größer aufziehen. Im September 2011 öffnete das Photovoltaikunternehmen die Tore zu seiner „E-Bike-World Gilching“. In einem eigenen Laden auf dem Firmengelände in Gilching bietet Donauer rund 180 Modelle von zwölf Herstellern aus Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Holland an. Die Beratung und der After-Sales-Service sind Hippe dabei besonders wichtig. Interessenten können Probefahrten machen. Es gibt einen Bring- und Abholservice bei Kauf und Reparatur, Wochenend-Notdienst und Vor-Ort-Beratungen zu Hause. „Deutlich über 1.000 Stück“ habe Donauer 2012 verkauft, sagt Hippe, der sich nun als Großhändler für E-Bikes versteht. Sein Plan ist, den Vertrieb als Franchising-System nach Norddeutschland auszuweiten. Als Instrument, um mehr Umsatz im Kerngeschäft von Donauer zu generieren, sieht Hippe die E-Bikes allerdings nicht.

Er will vielmehr an dem Wachstumsmarkt E-Bikes partizipieren. „Grundsätzlich ist der Fahrradmarkt offen für alle Teilnehmer“, sagt Stephan Schreyer, Pressesprecher des Zweirad-Industrie-Verbandes. Die Anbieter aus der Photovoltaikbranche sollten sich aber darüber im Klaren sein, dass der Fahrradmarkt anders strukturiert sei. Rund 5.000 Fahrradhändler gebe es in Deutschland, sie seien die erste Anlaufstelle für jemanden, der sich ein Fahrrad kaufen wolle. Die Anbieter sollten sich auch über die schärferen rechtlichen Auflagen bewusst sein. Bei einem Rad, das 25 Kilometer die Stunde fährt, gibt es hohe Anforderungen an die Sicherheit, sowohl der einzelnen Komponenten als auch an die Batterien.

Torsten Zschiedrich scheint diese Empfehlungen schon verinnerlicht zu haben. „Wir wollen nicht in den Markt des E-Bikes einsteigen“, betont er. Sunenergy verkaufe die E-Bikes nur zusammen mit Photovoltaikanlagen. Dass es ein „additives Produkt“ ist, ist ihm wichtig. Der Marketingberater geht auch nicht davon aus, dass Photovoltaikunternehmen künftig in großem Stil E-Bikes verkaufen werden. „Solarunternehmen haben nicht die Infrastruktur dafür“, begründet er dies. Ob er damit recht hat, wird sich zeigen. Insbesondere ein Geschäftsmodell wie das von Donauer Solartechnik könnte das Gegenteil beweisen. Doch vorerst werden E-Bikes wahrscheinlich eher eine Marketingmaßnahme sein, angeboten in Kooperation mit Fahrradherstellern, die dazu dient, anschaulich und emotional eine sinnvolle Verbindung zwischen der Erzeugung und der Nutzung von Solarstrom aufzuzeigen.

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