Wie viel Strom brauchst du?

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„Ist die Kürzung der Einspeisevergütung ein Fluch oder ein Segen?“ Wenn Torsten Zschiedrich, Geschäftsführer der Akademie für angewandtes Erfolgstraining, diese Frage vor einer Runde von Photovoltaikinstallateuren stellt, erntet er verständnislose Blicke.

Die Antwort scheint klar, sie erübrigt sich. Provokativ wirkt da seine Sichtweise. „Sie ist ein Segen“, antwortet Zschiedrich dann selbst und schickt seine Erklärung gleich hinterher. „Wir bewegen uns dahin, wo wir uns hinbewegen müssen“, sagt er und denkt dabei an die Zeit nach dem EEG – wenn Photovoltaikanlagen neben anderen Energieerzeugungsanlagen im freien Wettbewerb bestehen müssen. Und als wenn das nicht schon genug Provokation wäre, fordert er dann noch: „Wir müssen uns ändern – und zwar jetzt!“ Ändern werden müssen Solarfachbetriebe ihre Argumentation im Verkauf von Photovoltaikanlagen. Denn schon bald wird die Rendite nicht mehr das schlagkräftige Argument sein. Als neue Lockvögel dienen dann konstante Strompreise und die Unabhängigkeit vom Energieversorger. „Auch in diesem Jahr funktionierte der Vertrieb bislang noch über die Rendite“, antwortet Markus Lohr, Senior Analyst bei dem Marktforschungsinstitut EuPD Research, auf die Frage nach dem aktuellen Marktgeschehen. „Die Branche war damit beschäftigt, die bestehende Nachfrage zu bedienen.“ Deswegen habe sie bisher noch wenige neue Verkaufsargumente gefunden. Ab diesem Herbst aber werde sich dies ändern, sagt Lohr. Denn jetzt laufen die Übergangsfristen für Freiflächenanlagen und Konversionsflächen aus. „Der Markt wird sich nun stärker in das Kleinanlagensegment verlagern“, prognostiziert Lohr.

Dass Anlagen auf Einfamilienhäusern oder kleinen Gewerbeeinheiten die Gewinner des sich wandelnden Marktes sein werden, ist Konsens in derBranche. Denn für diese Größenklasse lassen sich Solarstromanlagen noch am ehesten wirtschaftlich darstellen, das heißt, der selbst erzeugte Strom ist dann günstiger als Haushaltsstrom aus dem Netz. Das liegt daran, dass sich bei Kleinanlagen einfacher als bei großen Anlagen hohe Eigenverbrauchsquoten erzielen lassen. Und die Einsparung von Kosten für Strom, der nicht aus dem Netz bezogen werden muss, ist entscheidend für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit von Photovoltaikanlagen. Lohr erklärt: „Private Haushalte zahlen derzeit die höchsten Strompreise. Je größer die Differenz zwischen Einspeisevergütung und Strompreis ist, umso eher lohnt sich der Eigenverbrauch.“

Teil des Stromhaushalts

Wenn in Zukunft nicht mehr die Einspeisevergütung im Mittelpunkt stehe, verlagerten sich die Märkte in die Regionen und Segmente, in denen die Strompreise besonders hoch seien. Das Verkaufen nach dem „alten Schema“ sei damit bald passé. „So viel Dachfläche wie möglich zu belegen, Strom einzuspeisen und damit Geld zu verdienen – so läuft das künftig nicht mehr“, sagt er. Zukünftig müsse eine Photovoltaikanlage zum Stromhaushalt passen. Das heißt: Die Anlagengröße muss dem Verbrauch der Bewohner beziehungsweise Gebäudenutzer entsprechen.

Um die Argumentation für das zukünftige Kosten-Nutzen-Verhältnis zu veranschaulichen, hat er Beispielrechnungen erstellt. Eine optimale Anlagengröße gebe es dabei nicht, schickt er vorweg. Denn bei der Anlagenauslegung komme es immer darauf an, was der Haushalt möchte. Lautet das Ziel, möglichst viel des erzeugten Stroms selbst zu verbrauchen, wird der Haushalt eine möglichst kleine, passgenaue Anlage installieren lassen. Will er dagegen möglichst viel des eigenen Verbrauchs decken und unabhängig von Stromversorgern sein, wird er sich für eine größere Anlage mit der entsprechenden Speicherkapazität entscheiden. Entsprechend müsse die Anlage dimensioniert sein. Der Einfachheit halber legt Lohr in seinem Beispiel eine Vier-Kilowatt-Anlage mit einem Batteriesystem mit fünf Kilowattstunden Speicherkapazität für einen Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden zugrunde.

Auf dieser Basis ermittelt er vier Varianten für die Stromrechnung, wobei er einen jährlichen Strompreisanstieg von vier Prozent zugrunde legt. Zunächst errechnet er die Stromrechnung ohne Photovoltaikanlage, anschließend die Stromrechnung mit Anlage, aber ohne Eigenverbrauch. In diesem Fall werden die Einnahmen durch die Einspeisevergütung abgezogen, da sie die Stromkosten reduzieren. Im dritten Schritt ermittelt er die Stromrechnung für den Fall, dass der Haushalt eine Solaranlage ohne Speichersystem hat, im letzten Schritt dann für eine Anlage mit Speicher. Schritt für Schritt sinken die Kosten für die Stromrechnung.

Auf einem Balkendiagramm zeigt Markus Lohr eindrucksvoll die Differenz auf (siehe Grafik). Sich in die Länge ziehenden Balken für die Stromkosten ohne Photovoltaikanlage stehen immer kürzer werdende Balken gegenüber – bis hin zum kaum noch sichtbaren Balken für die Stromkosten, wenn der Haushalt eine Solaranlage mit Speichersystem hat. Noch offensichtlicher stellt sich das Sparpotenzial dar, wenn er die Stromkosten auf 20 Jahre aufaddiert. In diesem Rechenbeispiel zahlt der Haushalt ohne Photovoltaikanlage rund 26.100 Euro in zwei Jahrzehnten, hätte er eine Anlage mit Speichersystem, müsste er nur 3.500 Euro aufwenden.

Wann und wie teuer

Das klingt nach einer überzeugenden Verkaufsstrategie. Die Crux ist nur, dass die Argumentation so noch nicht haltbar ist. Denn Lohr zeigt auch auf, wie viel das Speichersystem kosten darf, damit sich das System gegenüber der Einspeisung lohnt. In dieser Rechnung dürfte das Fünf-Kilowattstunden-Speichersystem nur rund 1.700 Euro kosten. Ein Wert, der derzeit noch nicht realistisch ist. Und so kommt Lohr auch zu dem Schluss, dass das Einspeisen derzeit noch lukrativer ist. Bei den Speichertechnologien sieht er jedoch ein „großes Potenzial“. Da müsse noch entwickelt werden, die Kosten müssten runter, räumt er gleichwohl ein.

Schlagkräftig wird seine Gegenüberstellung aber spätestens dann, wenn es keine EEG-Vergütung mehr gibt. „Je weniger Förderung es gibt, desto mehr lohnt sich ein Speicher“, sagt Lohr. Letztlich komme es aber auf das Verbrauchsprofil in dem Haushalt an. „Kein Haushalt ist wie der andere“, erklärt er. Installateure sollten künftig das Stromverhalten in einem Haushalt verstehen, sie müssen „Energieberater“ werden und sich darauf einstellen, dass der Verkauf von Photovoltaikanlagen künftig deutlich beratungsintensiver wird.

Auch Verkaufstrainer Torsten Zschiedrich sieht einen deutlichen Wandel in der Argumentation kommen. „Das Thema Stromverkauf rückt in den Vordergrund“, ist er überzeugt und bezieht sich auf die Sichtweise des Anlagenverkäufers. Denn der könne Investoren nun nicht mehr mit den Einnahmen durch den eingespeisten Strom locken, sondern er müsse den Strom anpreisen, der durch die Anlage kostengünstig erzeugt werden könne. Nach Meinung von Zschiedrich werden die Schlüsselfragen künftig sein: Wann braucht der Kunde Strom? Und wie viel zahlt er für den Strom? ZschiedrichsArgumentation basiert aber nicht nur auf dem Gesamtstromverbrauch, sondern er differenziert auch nach dem Bedarf im Tagesverlauf. „In einem Einfamilienhaus benötigen die Bewohner morgens zwischen sieben und neun Uhr am meisten Strom und dann wieder zwischen 16 und 20 Uhr“, erläutert er. Damit der Haushalt viel Solarstrom selbst verbrauchen könne und er gleichzeitig das deutsche Stromnetz entlaste, müsse der Installateur die Anlage entsprechend planen. Für dieses Lastprofil beispielsweise sei eine Ost-West-Anlage ideal, sagt Zschiedrich. Die Anlage produziert zu den Zeiten mehr Strom, wenn er tatsächlich benötigt wird. Das ergibt eine höhere Einsparung. „Die Anlagen werden künftig am Strombedarf ausgerichtet und nicht mehr an der Dachgröße“, ist Zschiedrich überzeugt.

Vollflächig auf Gewerbedächern

Rupert Haslinger, freiberuflicher Planungsingenieur für Photovoltaiksysteme, möchte dennoch weiterhin ganze Dächer mit Modulen bestücken. Er geht davon aus, dass dies künftig bei bestimmten Gebäuden auch noch möglich sein wird. Der Österreicher hat vor allem mittlere Gewerbebetriebe im Fokus. Da er unweit der deutsch-österreichischen Grenze lebt, bietet er seine Leistungen in beiden Ländern an. Dass er seinen heimischen Markt gut kennt, sei ihm nun von Nutzen, sagt er. Dadurch sei er das Planen ohne Einspeisevergütung schon gewohnt. „In Österreich ist die Photovoltaikförderung gedeckelt und daher schnell erschöpft“, erklärt Haslinger. „Man muss den Kunden deshalb wirtschaftliche Alternativen anbieten. Unter günstigen Voraussetzungen lassen sich Anlagen seit diesem Jahr auch ohne Vergütung errichten.“ Haslinger hat zwei Zielgruppen im Sinn. Zum einen sind dies Betriebe wie Schlossereien und Tischlereien, die tagsüber einen hohen Stromverbrauch haben. Wenn es keine Förderung gibt, argumentiert er mit Eigenverbrauch. Auch er legt vereinfachte Beispielrechnungen vor.

Für eine 30-Kilowatt-Anlage ohne Förderung kann dies so aussehen: Die Anlage kostet inklusive Netzanschluss 42.000 Euro. Der Betrieb verbraucht jährlich rund 40.000 Kilowattstunden Strom und zahlt hierfür 20 Cent je Kilowattstunde. Die Solaranlage erzeugt rund 30.000 Kilowattstunden im Jahr. Der Betrieb verbraucht rund die Hälfte davon selbst und spart so 3.000 Euro ein. Die andere Hälfte verkauft er entweder zum Börsenpreis von fünf Cent je Kilowattstunde oder er hat mit dem Energieversorger zehn Cent ausgehandelt und kommt so auf 1.500 Euro Erlös.

Laut Haslinger amortisiert sich die Anlage so nach neun bis elf Jahren. Allerdings betont er auch, dass er von optimalen Gegebenheiten wie einer nach Süden ausgerichteten Anlage ausgeht.

Seine zweite Zielgruppe sind produzierende Gewerbebetriebe wie Molkereien, Brauereien und Käsereien, die nicht genügend Strombedarf haben, um dafür das ganze Dach belegen zu müssen. „Sie können ihr Dach für eine Bürgersolaranlage zur Verfügung stellen“, zeigt Haslinger eine Option auf. Um die Anlage zu finanzieren, könnten sie Warengutscheine gegen Einlagen austeilen. Solche Modelle gibt es bereits in Österreich, sagt Haslinger. Eine Brauerei beispielsweise bot zur Finanzierung einer Bürgersolaranlage „Sonnenstrom-Gutscheine“ zu jeweils 200 Euro an. Gleichzeitig verpflichtete sie sich, in einem Zeitraum von fünf Jahren insgesamt 300 Euro in Form von Einkaufsgutscheinen zurückzuzahlen. Das Unternehmen profitiere gleich mehrfach, erklärt Haslinger, zum einen durch die Solarstromerzeugung und ein positives Image, zum anderen dadurch, dass es Umsatz generiert und Kundenbindung betreibt.

Kreativität ist gefragt

Die Beispiele zeigen zweierlei. Um im zukünftigen Markt zu bestehen, ist auch Einfallsreichtum gefragt. Nur so lassen sich Nischen und neue Geschäftsmodelle entdecken. „Die Rendite-Käufer haben ihre Anlagen“, sagt Verkaufstrainer Torsten Zschiedrich. „Jetzt müssen wir mit anderen Argumenten punkten.“ Ein solches ist auch die sichere Energieversorgung bei Stromausfällen.

Außerdem könne die Photovoltaikbranche nun auch von der Solarthermie lernen, fährt er fort. Denn Solarwärmeanlagen ließen sich noch nie über eine hohe Rendite verkaufen. Hier standen stets andere Verkaufsargumente im Mittelpunkt. Zum Beispiel das „gute Gefühl“. So sind Menschen, die Wärme von der Sonne genießen, ein beliebtes Anzeigenmotiv in der Solarthermiebranche. Es gebe ein gutes Gefühl, zu wissen, dass man das Klima schont, wenn man solar erwärmtes Wasser nutzt, heißt es dann. Ebenso könne umweltfreundlich erzeugter Strom ein gutes Gefühl vermitteln, ist Zschiedrich überzeugt.

Ob Zschiedrichs Seminarteilnehmer sich gut fühlen, wenn sie sein Schlusswort hören, ist fraglich. „Es wird ein toller Markt für uns“, sagt Zschiedrich dann. Ob er damit recht behält, muss sich erst noch zeigen.

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