Spiegel im Vorgarten

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Es klingt fast schon zu schön, um wahr zu sein: Eine Gruppe von Tüftlern der englischen Firma Kender Energy hat eine Maschine konstruiert, die wie eine Klimaanlage einen Raum kühlen kann – und dabei noch nicht einmal Strom verbraucht, sondern sogar noch produziert. Es gelang zwar nicht, von einem der Experten am Telefon eine Aussage dazu zu bekommen, doch die Firma aus der Nähe von Birmingham stellt auf ihrer Internet-Seite das Konzept für die ihrer Aussage nach „nächste Generation von Solarkollektoren“ vor. Das System nutzt danach Wärmeenergie aus der Umgebung, beispielsweise von der Sonne aufgeheizte Luft, und wandelt einen Teil davon in Elektrizität um.

Im Prinzip handelt es sich dabei also um ein kleines Solarthermie-Kraftwerk. Im großen Maßstab liefern Anlagen, die aus der Sonnenwärme Strom gewinnen, bereits heutzutage beträchtliche Energiemengen, wie zum Beispiel das amerikanische Solarrinnenkraftwerk „Nevada Solar One“ oder „Andasol“ in Spanien. Dort wird mit Sonnenwärme ein synthetisches Öl erhitzt, das anschließend über einen Wärmetauscher Wasser verdampft. Der Dampf treibt konventionelle Turbinen an, beim Kraftwerk Andasol 1 mit 50 Megawatt. Dieses Heißdampf-Konzept ist allerdings nur für sehr große Kraftwerke mit über 30 Megawatt Leistung sinnvoll, in kleinen Anlagen funktioniert es nicht. Um kleine Solarthermie-Anlagen, die im Garten oder auf dem Hausdach Strom erzeugen, ist es deshalb bisher eher still gewesen. Doch auch dafür existieren Konzepte, die der Photovoltaik Konkurrenz machen könnten.

Supereffizienter Hitzesauger

Eines ist die besagte Anlage von Kender Energy. Bei diesen Stromgeneratoren, die ohne konzentrierende Spiegel auskommen sollen, stellt sich die Frage: Funktioniert diese Technik tatsächlich, oder steckt bloß heiße Luft hinter den Ankündigungen der Firma?

Die Anlage bestehe aus einem geschlossenen Kreissystem, das von dem Edelgas Helium durchströmt werde, heißt es in einer Pressemitteilung der Firma. Durch abwechselndes Abkühlen und Aufheizen soll das Helium die Umwandlung von Wärme in Strom vollziehen. Im Detail sieht das so aus: Das Gas wird dazu zunächst auf einen Druck von 200 Bar gebracht. Anschließend strömt es durch eine Turbine, die einen elektrischen Generator antreibt. Dieser Teil des Systems erzeugt den Strom. Der gesamte Rest dient nur dazu, den Ausgangszustand wieder herzustellen, also das Gas wieder zu komprimieren. Wenn das Gas durch die Turbine strömt und dabei expandiert, kühlt es stark ab – auf minus 240 Grad Celsius. Die Temperatur des Heliums sinkt also auf gerade einmal knackige 30 Grad oberhalb des absoluten Nullpunktes. Eine zweite Turbine, von einem Elektromotor angetrieben, pumpt nun das eiskalte Edelgas weiter in einen Wärmetauscher, wo es allmählich Wärmeenergie aus der umgebenden Luft aufnimmt. Laut Angaben der Firma Kender Energy steigt dabei der Gasdruck wieder auf die anfänglichen 200 Bar an, so dass der Zyklus von neuem durchlaufen werden kann.

Das Unternehmen inseriert diese Erfindung als Solaranlage, da die Wärme der eingesaugten Luft zum großen Teil von der Sonne stammt. „Auf eine direkte Einstrahlung ist das System nicht angewiesen“, teilt der Geschäftsführer von Kender Energy, Sean Kelly, mit. „Die Vorrichtung saugt die Luft aus der Umgebung wie ein Staubsauger förmlich ein und stößt einen kalten Strom wieder aus.“ Aus Sonnenwärme wird kühle Luft und Elektrizität, so die Gleichung der Kender-Forscher. Eine Anwendung für Klimaanlagen haben die Entwickler allerdings nicht im Blick. Es geht ihnen vielmehr um den elektrischen Strom, den die Anlage produzieren soll, zum Beispiel für Einfamilienhäuser oder Bürogebäude. Ein Quadratmeter des Wärmetauschers soll eine Leistung von rund 22 Kilowatt liefern können, und das bei der gleichen direkten Einstrahlung von 1.000 Watt pro Quadratmeter, bei der auch die Leistungsangaben für Photovoltaikmodule gemessen werden. Deren Leistung nimmt sich dagegen mickrig aus. Sie bringen je nach Technologie nur zwischen 60 und 180 Watt pro Quadratmeter Dachfläche.

Ob der neuartige Solarkollektor aber tatsächlich hält, was seine Erfinder vollmundig versprechen, wird sich jedoch erst noch zeigen müssen. Im Moment existiert angeblich ein Prototyp, der laut Sean Kelly gerade erprobt wird. Revolutionäre Wundermaschine oder bloß ein weiterer Entwurf für ein Perpetuum Mobile? Die kommenden Monate werden hier wohl Klarheit bringen.

Experte skeptisch

Michael Elsner, Professor an der Fachhochschule Regensburg, ist zunächst einmal skeptisch, ob das Konzept der Firma Kender Energy aufgehen kann. Für eine detaillierte Bewertung reichten die technischen Informationen nicht aus, die von dem Unternehmen bereitgestellt werden, sagt der Maschinenbau-Ingenieur, der selbst an kleinen „Kraftwerken“ arbeitet, die prinzipiell auch mit Sonnenwärme betrieben werden können. Allerdings handelt es sich dabei um eine altbekannte, bewährte Technologie: um den Stirlingmotor. Und der könnte tatsächlich in den kommenden Jahren die Photovoltaik zumindest ergänzen.

Diese klassische Wärmekraftmaschine nutzt ebenfalls ein Temperaturgefälle, um thermische Energie in Bewegung und mit Hilfe eines Generators schließlich in Elektrizität zu wandeln. Wie der heiße Teil des Motors auf Temperatur gebracht wird, spielt zunächst einmal keine Rolle. Ein Gasbrenner funktioniert genauso gut wie eine Holzpelletheizung oder eben auch ein Spiegel, der die Sonnenenergie auf den Motor fokussiert.

Diese Kombination aus einem Solarkollektor und einem Stirling-Motor nennt man Dish-Stirling-Anlage. Ein schüsselförmiger Spiegel bündelt das Sonnenlicht auf einen Wärmeabsorber am Motor, der an einem Träger oberhalb des Kollektors hängt. Die gesamte Anlage ist auf ein Gestell montiert, das der Sonne nachgeführt werden muss.

Solarstrom mit Stirlingmotoren

In der Praxis gibt es bis zu 30 verschiedene Bautypen, die sich in drei Klassen unterteilen lassen. Das Prinzip ist dabei immer dasselbe: Wie bei einem Verbrennungsmotor dehnt sich in einem Zylinder ein Gas aus und schiebt einen Kolben vor sich her. Aber im Gegensatz zu beispielsweise einem Ottomotor findet im Zylinder selbst keine Verbrennung statt. Das Gas expandiert, weil es von außen erhitzt wird. Bei diesem Schritt leistet der Motor mechanische Arbeit. Danach kehrt der Kolben wieder in die Ausgangsposition zurück. Dazu wird das Gas abgekühlt und unter Kraftaufwand komprimiert. Üblicherweise läuft der Gesamtprozess in zwei verschiedenen Zylindern ab: in einem heißen Arbeitsraum und einem kalten Verdichtungsraum, zwischen denen das Gas hin- und hergeschoben wird. Die Differenz der geleisteten und gewonnenen Arbeit steht als Gewinn zur Verfügung, um den Stromgenerator anzutreiben. Je höher dieser Wert ist, umso effizienter wandelt der Stirling-Motor Wärme in Nutzenergie um.

Bisher im Abseits

Obwohl Stirlingmotoren verhältnismäßig leise und gleichmäßig laufen, haben sie seit ihrer Erfindung vor rund 200 Jahren ein Schattendasein geführt. In der Automobiltechnik beispielsweise konnten sie dem Otto- oder Dieselmotor nie Konkurrenz machen, weil sich die Leistung der trägen Stirlingmaschine nur sehr aufwändig regeln lässt. Außerdem sorgten undichte Kolben oft dafür, dass die Wärmekraftmaschinen nicht ihr volles Potenzial ausschöpfen konnten. Seit ungefähr 15 Jahren stehen aber Dichtungen auf Basis von Teflon zur Verfügung, die auch bei hohen Temperaturen ihren Dienst verrichten.

Bei den Wirkungsgraden der Stirlinganlagen gibt es eine große Bandbreite. „Das hängt ein wenig vom jeweiligen Hersteller ab – von der konkreten Ausführung der Anlage, von der Qualität des konzentrierenden Spiegelsystems und der Nachführung“, erklärt Michael Elsner. Das Ingenieurbüro Schlaich Bergermann und Partner hat mit dem Eurodish etwa ein Zehn-Kilowatt-Gerät entwickelt. Das Monatsmittel an einem guten Standort in den Pyrenäen lag im Winter bei 20 Prozent Wirkungsgrad, im Sommer bei 18 Prozent. Das sind Werte aus dem aktuellen Betrieb, die zum Beispiel die Verschmutzung der Spiegel berücksichtigen. Eine Serienfertigung der Anlagen gibt es noch nicht. Außerdem dürfte auch der Eurodish mit einem Spiegeldurchmesser von 8,5 Metern schon deutlich zu groß für den Vorgarten sein.

Das gilt auch für die Anlagen der Firma Stirling Energy Systems, mit denen sie im vergangenen Jahr im sonnigen New Mexico nach Aussagen der Sandia National Laboratories einen Rekordwirkungsgrad von 31,25 Prozent erzielt hat, bezogen auf die elektrische Energie. Das ist allerdings ein Ausnahmewert, gemessen bei der aktuellen Sonneneinstrahlung am 31. Januar 2008. Das war an einem klaren Wintertag, bei dem die Umgebungstemperaturen nahe null Grad lagen, was den Stirling effizienter machen dürfte als ein Betrieb bei den dort heißen Sommertemperaturen.

Vorteil Flexibilität

Die elektrischen Leistungen von kleineren solaren Dish-Stirling-Anlagen liegen üblicherweise im Bereich mehrerer hundert Watt bis einigen Kilowatt. Ob die solarthermischen Maschinen ihr Maximum liefern, hängt unter anderem von ihrem Standort ab. „Was man bei allen konzentrierenden Systemen braucht, ist ein hoher Anteil an Direktstrahlung. Bei uns in Deutschland überwiegt aber der diffuse Anteil, der schlicht und einfach nicht konzentriert werden kann. Dish-Stirling-Anlagen rentieren sich vor allem in südlichen Gegenden, in trockenen Wüstenregionen wie etwa Spanien oder Nordafrika“, sagt Michael Elsner.

Seiner Meinung nach werden Dish-Stirling-Anlagen auf dem Markt der Solaranlagen eine Nische besetzen. Bei speziellen Einsatzgebieten versprechen sie Vorteile, zum Beispiel im Inselbetrieb. Eine Dish-Stirling-Anlage lässt sich nämlich so modifizieren, dass sie bei Nacht mit Diesel oder Biomasse betrieben werden kann.

Forschen am Wirkungsgrad

Entscheidend sei es, ihren Wirkungsgrad zu erhöhen. Der Maschinenbauer und seine Mitarbeiter konzentrieren sich in ihrer Forschung vor allem darauf, das Herzstück aller Stirlinganlagen auf Effizienz zu trimmen, also den Motor. Erfahrungen haben die Regensburger auch mit einer solaren Dish-Stirling-Anlage gesammelt. Der Winzling mit einer Spiegelfläche von gerade einmal knapp 3,5 Quadratmetern, das heißt einem Durchmesser von rund zwei Metern, besitzt eine maximale elektrische Leistung von 350 Watt. Zum Vergleich: Photovoltaikmodule bringen auf dieser Fläche je nach Zelltechnologie mit Wirkungsgraden zwischen sechs und 18 Prozent eine Leistung zwischen 210 und 630 Watt bei 1.000 Watt Sonneneinstrahlung pro Quadratmeter, wobei die meisten kristallinen Module zwischen 14 und 16 Prozent liegen. Die Regensburger Anlage ist eine von cirka 50 Prototypen, die die Leipziger Firma Epas bis zum Jahr 2004 produziert hat, die zwischenzeitlich insolvent gegangen ist.

Der Kopf hinter dem Unternehmen war der Physiker Lutz Pasemann, der nach eigenen Angaben mittlerweile in Karlsruhe eine neue Stirlingmaschine bis zur Serienreife entwickelt hat. Dazu hat er unter anderem einen Motor gekapselt, so dass er ihn mit besser geeigneten Gasen betreiben kann. In einem Dish-System liefert er jetzt eine elektrische Leistung von 800 Watt unter Standardbedingungen von 1.000 Watt Sonnenstrahlung pro Quadratmeter, den Wirkungsgrad des Motors gibt der Forscher mit 25 Prozent an. Verluste durch den Generator, das Spiegelsystem und bei der Einspeisung der konzentrierten Sonnenstrahlung verringern den Gesamtwert des Dish-Systems auf 17 Prozent. Damit läge er nun im oberen Bereich von kommerziellen Photovoltaikmodulen.

Große Stückzahlen nötig

In den vergangenen vier Jahren hat Lutz Pasemann sein Augenmerk auch besonders auf die Lebensdauer seiner Stirlingmotoren gelegt. Als besondere Herausforderung haben sich dabei die mechanisch besonders belasteten Lager erwiesen. 60.000 Betriebsstunden glaubt der Physiker nun garantieren zu können. Nach jeweils 8.000 bis 10.000 Betriebsstunden ist eine Wartung fällig, bei der die Dichtungen ausgetauscht werden müssen. Im Vergleich zur Photovoltaik ist das natürlich ein gewisser Mehraufwand. Aber andererseits glaubt der Stirling-Entwickler, dass seine Solaranlagen auch einen gewissen Zusatznutzen bieten. Sie erwärmen nämlich das Kühlwasser, das den einen der beiden Kolben umströmt. Die Dish-Stirling-Systeme liefern daher neben der Elektrizität auch warmes Wasser mit einer Leistung von 2,4 Kilowatt. „Damit steigt die Energieausbeute noch einmal drastisch an. Deshalb sind diese solaren Stirling-Anlagen wie geschaffen für private Nutzer, für Einzelhaushalte, in denen ein Bedarf für Strom und Wärme besteht, beispielsweise in den ländlichen Regionen von Spanien“, erläutert Lutz Pasemann.

Internen Berechungen zufolge, die der Entwickler allerdings nicht offenlegen möchte, können auch die Herstellungskosten für die Dish-Systeme mit denen von Photovoltaikmodulen konkurrieren, eine entsprechend hohe Stückzahl vorausgesetzt. Die Technik sieht er noch lange nicht ausgereizt. „Bisher ist die Entwicklung an den Stirlingmotoren weitgehend vorbeigelaufen. Wenn die Forschung mit ähnlicher Vehemenz betrieben würde wie bei den Konkurrenzsystemen, könnte sich hier noch ein deutliches Pozential auftun“, glaubt der Physiker. Das Unternehmen Quasar Engineering beabsichtigt, den von Lutz Pasemann entwickelten Drei-Kilowatt-Stirlingmotor zu produzieren und zu vertreiben. Die Serienproduktion soll 2010 anlaufen.

Noch mehr Konkurrenz

Das wird vermutlich nicht das einzige Angebot an kleinen Dish-Stirlings bleiben. Die Firma Sunmachine aus dem süddeutschen Wildpoldsried bietet bereits eine mit Holzpellets befeuerte Anlage zur Kraft-Wärme-Kopplung an. In Zukunft soll dann auch ein solares Dish-Stirling-System, das drei Kilowatt elektrische Leistung liefern kann, auf den Markt kommen.

Ob und wann solche Miniatur-Kraftwerke einmal den Markt erobern und der Photovoltaik ernsthafte Konkurrenz machen könnten, steht im Moment noch in den Sternen. Der Rückstand gegenüber der Photovoltaik, die ihre Markteinführung schon Jahrzehnte hinter sich hat, ist groß.

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