Solarstrom statt verseuchter Erde: Bis Ende dieses Jahres soll auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Lieberoser Heide nördlich von Cottbus der mit 53 Megawatt Leistung weltweit zweitgrößte Solarpark fertiggestellt werden.
Wenn Oberforstrat Wolfgang Roick seinen morgendlichen Rundgang macht, sieht er nicht nur Bäume. Fast bis zum Horizont blinken hunderttausende von Modulen in der Lieberoser Heide in der Sonne. „Bisher lief alles sehr gut“, sagt der 40-Jährige und lächelt zufrieden. Wolfgang Roick ist der eigentliche Initiator des mit 53 Megawatt weltweit zweitgrößten Solarparks auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz in Turnow-Preilack nördlich von Cottbus (siehe photovoltaik 06/2008). „Wir wollen der Nachwelt eine saubere Umwelt hinterlassen“, sagt er. „Wenn man weiß, dass Gift auf einem Gelände ist, darf man das nicht zuwachsen lassen.“ Denn die sowjetischen Truppen hinterließen riesige Mengen an Munition und chemischen Kampfstoffen und anderen Altlasten im Boden. Nach der Wende übernahm der Bund diese tickende Zeitbombe als Eigentümer, 1997 überschrieb Helmut Kohl die Fläche als „Kanzlergeschenk“ dem Land Brandenburg.
Engagiert für Umnutzung
Seit Anfang 2007 setzte Roick alle Hebel für eine ökologische Umnutzung des Geländes in Bewegung. Nachdem ein ursprünglich geplanter Windpark aufgrund von Bedenken von Vogelschützern nicht realisiert werden konnte, entstand die Idee, einen Teil des Geländes über den Bau eines Solarparks zu sanieren. Da kam die Firma Solar Projekt GmbH gerade recht, die auf der Suche nach einem Gelände für ein großes PV-Kraftwerk war. Einen engagierten Mitstreiter fand der Oberforstrat in dem Bürgermeister der Gemeinde Helmut Fries, der sowohl an zusätzlichen Arbeitsplätzen als auch an einer Sanierung des Gebietes interessiert war. Pläne wurden aufgestellt, Begehungen organisiert, Ingenieurbüros kontaktiert, Fachbehörden eingeschaltet. Innerhalb eines dreiviertel Jahres lag die Baugenehmigung vor. Doch bevor mit der Installation des Solarparks begonnen werden konnte, schlug die Stunde der Munitionsspezialisten. 80 Mann des Kampfmittelbeseitigungsdienstes sowie des Ingenieurbüros Döring räumten von März 2008 bis April 2009 das vorgesehene 162 Hektar große Solarparkgelände sowie 240 Hektar angrenzender Pflegeflächen von gefährlichen Altlasten. „Es war noch mehr im Boden, als wir erwarteten“, erinnert sich Roick: Munition, Minen, Chemiebehälter, Autobatterien, Kühlschränke und Fernseher. Insgesamt kamen 75 Tonnen Zivil- und Militärschrott, drei Tonnen Munitionsschrott sowie 230 angerostete Fässer mit zum Teil stark toxischen chemischen Substanzen zusammen, die als Sondermüll entsorgt wurden. Danach musste der Boden mit Spezialmaschinen zum Teil wieder verdichtet werden, damit die Stahlpfosten der Unterkonstruktionen des Solarparks genügend Halt finden.
Wegweisendes Geschäftsmodell
Die gesamten Aufwendungen für die Bodensanierung summierten sich laut Roick auf einen „siebenstelligen Betrag“, die auf die Schultern des Landes Brandenburg als Flächeneigentümer sowie der Juwi Solar GmbH als Generalunternehmer und derzeitiger Betreiber verteilt wurden. Denn im vergangenen Jahr übernahm das Wörrstädter Unternehmen das Vorhaben von der Cottbuser Solar Projekt GmbH. Diese Aufteilung der Finanzierung der Altlastenbeseitigung zwischen privater und öffentlicher Hand ist der eigentliche Clou und wegweisend für die solare Umnutzung weiterer militärischer Liegenschaften. Beide Seiten gingen erst einmal in Vorleistung: Juwi mit zwei Abschlagszahlungen, die 2008 und 2009 ausbezahlt wurden, der zuständige Landesbetrieb Forst mit der Kampfmittelräumung und Sanierung des Geländes. „Trotz der Abschlagszahlungen mussten wir hierfür erst einmal tief in die Tasche greifen“, sagt Roick. Doch über die kommenden 20 Jahre refinanzieren sich die Aufwendungen des Forstbetriebs über die laufenden Pachtzahlungen von Juwi, und laut Roick bleibt „dabei auch noch etwas Geld bei uns hängen, das wir beispielsweise für naturnahen Waldbau ausgeben können“. Im Gegenzug fährt Juwi eine prognostizierte Solarstromernte von rund 53 Millionen Kilowattstunden Solarstrom jährlich ein, was einer Einspeisevergütung von rund 16,92 Millionen Euro pro Jahr entspricht.
Um die Investitionen von 160 Millionen Euro zu schultern, holten die Wörrstädter den Modullieferanten First Solar ins Boot. Den Eigenkapitalanteil von 20 Prozent finanzierten die beiden Unternehmen mit eigenen Mitteln und mit Hilfe von Kreditgebern (Mezzanine-Darlehen). Das Fremdkapital stammt von einem Bankenkonsortium der KfW IPEX-Bank, Bremer Landesbank, DZ Bank, Landesbank Hessen-Thüringen und der NordLB. Nach der Fertigstellung Ende dieses Jahres soll der Solarpark laut Juwi-Sprecher Ralf Heidenreich an einen Investor veräußert werden.
Doch warum treiben Unternehmen wie Juwi solch einen Aufwand? Ist es nicht einfacher und lukrativer, Solarparks auf ehemaligen Ackerflächen zu bauen, wie dies die meisten Projektierer bisher tun (siehe photovoltaik 07/2009). Für die Errichtung von Solarparks auf militärischen Konversionsflächen sprechen mehrere Gründe. Ein wichtiger Markttreiber ist der Angebotsüberhang bei Modulen. „Nach dem Wegbruch des spanischen Marktes und der verhaltenen Nachfrage im ersten Quartal ist bei etlichen Unternehmen der Druck gewachsen, große Projekte zu realisieren“, so die Einschätzung von Rainer Brohm vom BSW-Solar. Hierfür suchen sie entsprechend große Grundstücke. „Wir gehen vor allem auf Konversionsflächen, weil wir dort unzerstückelte, große Flächen zur Verfügung haben und entsprechend Kostenvorteile von Großanlagen nutzen können, ehemalige Ackerflächen sind meist zu klein“, sagt Ralf Heidenreich. Verstärkt wird dieser Trend durch die stark gefallenen Modulpreise, die anscheinend auch die Zusatzkosten für eine aufwändige Bodensanierung wie in der Lieberoser Heide auffangen. Dazu kommt die örtliche Akzeptanz für Solarparks auf ehemaligen Truppenübungsplätzen oder Militärflughäfen. „Im Gegensatz zu anvisierten Projekten auf Agrarflächen rennen wir hier bei den Kommunen fast überall offene Türen ein“, betont Juwi-Sprecher Heidenreich.
Weitere Großprojekte im Kommen
So auch im mecklenburgischen Tutow, wo jüngst auf einem ehemaligen Militärflughafen eine 6,8 Megawatt starke PV-Freiflächenanlage in Betrieb genommen wurde. Dort teilte sich das Wörrstädter Unternehmen mit der Kommune die Kosten der Bodensanierung. Juwi bezahlte die Kampfmittelräumung, die Gemeinde die Altlastensanierung einer 21 Hektar großen Fläche. Derzeit laufen Planungen für eine Erweiterung des Solarparks. Auch für Q-Cells International wird der Bau großer Freilandanlagen auf Konversionsflächen laut Sprecher Markus Wieser „zunehmend wichtiger“. Rund 10.000 Kubikmeter Granat- und Bunkerreste, Stahlträger, Reifen- und Gummiteile sowie Hausmüll mussten auf einem ehemaligen Militärgelände im sächsischen Zeithain beseitigt werden, bevor dort im vergangenen September mit dem Bau eines Solarparks begonnen werden konnte. Im Dezember wurde der erste Bauabschnitt mit acht Megawatt in Betrieb genommen, im März der zweite Bauabschnitt mit vier Megawatt. Q-Cells hat die 38 Hektar große Fläche vom Land Sachsen gepachtet.
Mittel aus dem Konjunkturpaket
Das nächste Großprojekt auf dem ehemaligen Militärflughafen Staaken am Stadtrand von Berlin ist gerade am Anlaufen. Q-Cells International übernimmt dort zusammen mit Dienstleistern die Munitionsräumung, die Berliner Stadtgüter als Eigentümer der 40 Hektar großen Fläche die Altlastenentsorgung. Ab Frühjahr 2010 sollen jährlich 12.450 Kilowattstunden Solarstrom ins öffentliche Netz eingespeist werden.
Auch Projektierer wie Phoenix Solar, Sunenergy Europe, RGE Energy, Sinosol oder Solea planen, verstärkt Solarparks auf ehemaligen Militärarealen zu realisieren. Entsprechende Grundstücke sind vor allem in den neuen Bundesländern noch reichlich vorhanden. Allein in Brandenburg stehen rund 15.000 Hektar ehemaliger Militärflächen zur Verfügung. „Wir setzen darauf, Konversionsflächen verstärkt für die Erzeugung von Solarstrom und anderer erneuerbarer Energien zu nutzen“, kündigte Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns jüngst an. Zehn Millionen Euro aus dem zweiten Konjunkturpaket der Bundesregierung stünden hierfür bis 2011 zur Verfügung.
Gute Aussichten also für die Solarstromproduktion auf ehemaligen Militärflächen und die Beseitigung tickender Zeitbomben, die dort oft noch im Boden schlummern. Oberforstrat Wolfgang Roick jedenfalls denkt jetzt schon daran, wie er künftig einen Teil der Pachteinnahmen aus dem Solarparkbetrieb für die Kampfmittelräumung und Sanierung weiterer Flächen in der Lieberoser Heide verwenden kann.
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Große Freiflächenanlagen auf Konversionsflächen
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