Lohnenswertes Geschäft

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Das Büro von Selfet Yagci spricht eine deutliche Sprache: Ein großes Solarmodul lehnt gegenüber vom Schreibtisch an der Wand, der Kalender ist ein Geschenk eines Solarherstellers, auf Tisch und Ablage stapeln sich PV-Magazine und Einladungen zu einschlägigen Tagungen. Der 41-Jährige ist allerdings weder Elektromeister, noch kommt er aus der Sanitär-, Heizungs- und Klimabranche, also den Gewerken, die traditionellerweise Solartechnik auf Häusern installieren. Yagci ist Dachdecker. Im nordrhein-westfälischen Leichlingen nördlich von Leverkusen hat er seinen eigenen Betrieb. „Natürlich machen wir nicht nur Solar“, betont Yagci, der auch ganz klassisch Dächer saniert, je nach Bedarf abdichtet oder begrünt und Fassaden restauriert. „Aber früher oder später kommt die Photovoltaik beim Dachdecker an: Wer sonst kennt sich so gut mit Dächern aus?“

Seit über zwölf Jahren baut Selfet Yagci im Umkreis Photovoltaik-Anlagen auf Dächer von Häusern, Hallen und Scheunen. Auch auf dem eigenen Haus hat der Dachdecker schon vor längerer Zeit Module installiert. Er und seine sechs Mitarbeiter sind meist auf mehrere Monate hinaus ausgebucht.

Der engagierte Unternehmer ist einer von vielen Dachdeckern, die in den letzten Jahren die Photovoltaik für sich entdeckt haben. Von den annähernd 12.000 Betrieben mit mindestens einem Angestellten haben im vergangenen Jahr fast 60 Prozent Erfahrungen mit Photovoltaik oder Solarthermie gemacht, so eine Umfrage vom Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerkes (ZVDH). Davor, im Jahr 2007 waren es nur 56,4 Prozent – Anzeichen eines langsam wachsenden Trends.

Millionen marode Dächer

Ob der Großteil der Dachdecker davon tatsächlich leben kann oder nur einmal in das neue Feld hineinschnuppert, wird bislang von keiner Statistik erfasst. „Nur 10 bis 15 Prozent der Dachdecker sind wirklich im Photovoltaik-Geschäft tätig“, schätzt Thomas Schmitz, Geschäftsführer des Dachdecker-Verbandes Nordrhein mit Sitz in Düsseldorf. Und für diese scheint sich das Geschäft zu lohnen, denn die installierte Fläche ist in den vergangenen Jahren rapide gewachsen. Passten Dachdecker im Jahr 2007 durchschnittlich noch 86 Quadratmeter Module ein, hatte sich die Zahl im Jahr 2008 mit 318 Quadratmetern mehr als verdreifacht.

Schmitz ist sich sicher, dass die Zahl der Dachdecker im Solarbereich steigen wird. „Photovoltaik ist für Dachdeckerbetriebe ein lukrativer Markt.“ Vor allem aber kommen die deutschen Dächer in die Jahre. Millionen davon sind sanierungsbedürftig. Hier liegt für viele Dachdeckerbetriebe die Chance, sich eine Position im Markt zu sichern. Denn viele Dächer könnten im Rahmen der ohnehin notwendigen Sanierungen zu Solarkraftwerken ausgebaut werden. Dem kommt auch die technische Entwicklung entgegen. Für Indachsysteme eröffnen sich auf dem Markt in den letzten Jahren vielfältige Möglichkeiten, so dass sich für jeden Dachtyp etwas finden lässt: integrierfähige kristalline Module, Dünnschicht-Module, Solar-Dachziegel, Photovoltaik-Dachfolien oder komplette Solardächer, bei denen die Ziegel durch vorgefertigte Module wie im Baukastensystem ersetzt werden.

Spezielle Weiterbildungen

„Allerdings“, sagt Schmitz, „macht es keinen Sinn, wenn Dachdecker schnell, so eher nebenbei, eine Photovoltaikanlage installieren.“ Solartechnik ist ein beratungsintensives Geschäft, der Handwerker muss die Entwicklungen in Politik und Herstellerbranche im Auge behalten. Er muss Rentabilitätsrechnungen anstellen und sich mit den unterschiedlichen Modulsystemen auskennen. Wichtig sei vor allem eine entsprechende Weiterbildung durch Kurse bei Handwerkskammern oder Systemanbietern, betont der Verbandsexperte.

Wer als Dachdecker das Geschäftsfeld Photovoltaik für sich erobern will, kann sich an verschiedenen Stellen das nötige Know-how verschaffen. Zehn Fachschulen und das Bundesbildungszentrum des Dachdeckerhandwerks in Mayen bieten verschiedene Weiterbildungskurse an, die auf Dachdecker zugeschnitten sind. In Mayen werden im Winter dreitägige Seminare ausgeschrieben. „Die Zahl der Teilnehmer schwankt“, sagt Artur Wierschem, Leiter der Schule und Kommissarischer Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Dachdecker. Aber seit einigen Jahren mache sich ein Trend bemerkbar. „Die Nachfrage nach den Kursen steigt jedes Jahr um ungefähr 20 Prozent. Vor fünf Jahren sind die Kurse kaum nachgefragt worden. Das Feld war einfach noch zu neu und unbekannt.“ Heute hätten viele Dachdecker erkannt, dass die Photovoltaik ein großes Feld der Zukunft ist.

In den Kursen werden die Grundlagen der Photovoltaik und der Solarthermie unterrichtet und ausgewählte Systeme vorgestellt. „Der Schwerpunkt liegt nicht bei den aufgeständerten Systemen, sondern bei den Indachlösungen“, glaubt Wierschem. „Sie sind ein Teil der Dachfunktion.“ Elektrotechnik steht dabei nicht im Vordergrund. „Wir empfehlen eine Kooperation mit Elektrotechnikern im Bereich der Photovoltaik. Ich kenne Dachdecker, die eigens einen Elektromeister eingestellt haben.“

Abenteuerliche Konstruktionen

Unter den Dachdeckern gibt es aber auch schwarze Schafe. Dachdeckermeister Andreas Braun, Geschäftsführer der H. Gross Bedachungen in Düsseldorf, hat mit wenig seriösen Anbietern so seine Erfahrungen gemacht. Für eine 21-Kilowatt-Anlage auf der eigenen Lagerhalle hat er sich mehrere Angebote eingeholt. Einige der Anbieter haben der Renditeberechnung eine Globaleinstrahlung von 950 Watt pro Quadratmeter zugrunde gelegt. „Dabei liegt im Raum Düsseldorf die Einstrahlung nur bei rund 800 Watt pro Quadratmeter“, sagt Braun.

Nicht jeder Dachdecker scheint seine Kenntnisse nach bestem Wissen in den Dienst der Kunden zu stellen. „Auf welche ungeeigneten Konstruktionen und uralten Ziegeldächer Module installiert werden, ist abenteuerlich“, sagt Andreas Braun. Erschwerend kommt hinzu, dass das Geschäft allgemein härter geworden ist, hat doch die Degression der Einspeisevergütung der Nachfrage zunächst einen Dämpfer versetzt. Gute Zeiten für bundesweit agierende Anbieter, die mit Dumpingpreisen den Handwerkerbetrieben das Leben schwermachen. „Diese Dach-Haie schaden durch Quick-und-Dirty-Montagen der Bausubstanz und der Branche“, klagt Erich Rosenkranz, Vorstand der Roto Dach- und Solartechnologie in Bad Mergentheim.

Wer sich im Solarbereich bewegt, muss zum Dienstleister par excellence werden: Es genügt nicht nur, eine Anlage zu verkaufen. Der Kunde will Bescheid wissen über die beste Technik für sein Dach, über seine Rendite und die Wirtschaftlichkeit der Anlage, über Fördermittel von Bund, Energieversorgern und Kommunen.

Dachdecker Selfet Yagci ist gern Dienstleister. Sein Erfolgsrezept ist einfach: So korrekt wie möglich beraten und so sauber wie möglich arbeiten, „als wäre es mein eigenes Dach.“ Wenn Yagci zum Kunden geht, legt er am Computer gezeichnete Pläne und Wirtschaftlichkeitsberechnungen vor. Und vorher schaut er sich das jeweilige Dach genau an. Als Dachdecker sieht er auf den ersten Blick, wo mögliche Schwachstellen liegen: zum Beispiel ob die Abflüsse ausreichen, wo das Dach verschattet ist, ob die Ausrichtung optimal ist und ob das Dach überhaupt die nächsten 20 Jahre eine Photovoltaikanlage tragen kann. Andere Handwerker haben nicht immer ein Auge dafür: Wie viele seiner Kollegen kennt Selfet Yagci eine Reihe von Objekten, bei denen Module auf marode Dächer oder gar Asbestzementplatten geschraubt wurden.

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