Keine Angst vor der Energiewende

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Eine 80-prozentige Versorgung mit erneuerbaren Energien ist realisierbar und kostet nicht mehr als die heutige Versorgung mit Strom und Wärme, vermutlich sogar weniger. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Berlin vorstellte. „Es gibt keinen Show-Stopper“, ist die Botschaft von Institutsdirektor Eicke Weber. „Es gibt nichts in dem Szenario, das wir nicht umsetzen können.“ Zwar sei noch Forschung nötig aber bei „keiner Technologie ein Quantensprung“.

Die Studie zeigt nach Ansicht von Weber, dass es nicht sinnvoll ist, jetzt die Anstrengungen für die Energiewende zurückzufahren. Im Gegenteil. Die Energiewende kostet jetzt zwar während der Transformation, doch diese Ausgaben seien auch eine Konjunkturspritze. Und später habe man durch die Energiewende den Vorteil, dass die Energiepreise stabil und auf keinen Fall höher als heute seien.

„Wir brauchen vor der Zukunft keine Angst haben“, sagte Weber auch mit Blick auf Nordrhein-Westfalen und die Koalitionsgespräche. Das Bundesland habe in der Vergangenheit vor allem daran gelitten, zu lange alten Industriestrukturen festgehalten zu haben, statt auf neue Technologien zu setzen. Jetzt sei es richtig, sich für die Zukunftstechnologien zu entscheiden. In Nordrhein-Westfalen haben RWE und Eon ihren Sitz, die unter der Energiewende leiden, und viele Arbeitskräfte hängen an dem Betrieb von Braunkohlekraftwerken.

Optimalerer Energiemix als im BMU Leitszenario

In der ISE-Studie haben die Experten um den stellvertretenden Institutsleiter Hans-Martin Henning seine Berechnungen aus letztem Jahr verfeinert, wie eine optimale regenerative Energieversorgung in Deutschland im Jahr 2040 oder 2050 inklusive der Mobilität aussehen kann. Sie simulieren dazu mit verschiedenen Szenarien Energieerzeugung und –verbrauch für jede Stunde eines Jahres. Der Computer bestimmt dann das billigste Szenario.

Bereits letztes Jahr zeigte Hans Martin Henning, stellvertretender Institutsdirektor und Autor der Studie, dass eine Vollversorgung für den Strom- und Wärmebereich möglich ist und dass die jährlichen Kosten nicht über denen der heutigen Versorgung liegen und rund 200 Gigawatt Photovoltaik-Leistung dazu notwendig sind (SieheInfografik,Artikel zur Studie,Artikel zum Verhältnis Solarthermie und Photovoltaik).

Neu ist dieses Jahr, dass er nun die Elektromobilität in die Berechnungen mit einbezogen und sich mehr an den politischen Zielen der derzeitigen Bundesregierung orientiert. Statt einer Vollversorgung berechnete er ein Szenario, nachdem nur 80 Prozent der Energie aus Wind, Sonne, Wasserkraft und Biomasse zu beziehen. Beim Verkehr fahren in seinem Szenario noch 40 Prozent der Autos mit herkömmlichem Treibstoff, 30 Prozent mit Strom und die restlichen 30 Prozent mit Wasserstoff, der auch regenerativ hergestellt werden kann. Die Beschränkung auf 80 Prozent hat zur Folge, dass allerdings nur 147 Gigawatt Photovoltaik nötig sind statt 200 Gigawatt im Szenario Vollversorgung.

Die Ergebnisse der ISE-Studien decken sich nicht mit denen der Leitszenarien des Bundesumweltministeriums, die in viele weitere Rechnungen wie den Netzentwicklungsplan und in Studien der Agora Energiewende einfließen. Allerdings ist das Zustandekommen des Energiemix in den Leitszenarien nicht transparent, wogegen das Fraunhofer-ISE eine für jeden nachvollziehbare Optimierung gemacht hat. Dadurch kommt zum Beispiel ein deutlich höherer sinnvoller Photovoltaik-Anteil heraus.

Energy Transformation Index

Eicke Weber hat auch einen neuen Index vorgestellt. Mit diesem will er jährlich prüfen, wie sich die Energiewende in diversen Staaten verändert. In den Index geht zum einen ein, wie groß der Anteil erneuerbarer Quellen an der Energieversorgung ist, in Deutschland sind es rund zehn Prozent. Zum anderen geht ein, wie hoch die Energieeffizienz bezogen auf die Wirtschaftsleistung ist. Deutschland kommt auf einen Wert von eins. Als Zielwert sieht Eicke Weber einen Wert von zwei, so dass Deutschland 50 Prozent erreicht hätte. Zusammengerechnet bekommt Deutschland den „Energy Transformation Index“ 30 Prozent. Das ist gleichauf mit Japan, aber hinter Italien, Schweden und Brasilien.

Allerdings kann ein Land auch mit Maßnahmen einen höheren Indexwert erreichen, die den Klimawandel nicht aufhalten, zum Beispiel indem Deutschland weniger Stahl selbst produziert und stattdessen aus China importiert. Weber weiß um diese Schwäche des Index, hält ihn jedoch trotzdem für sinnvoll. Ihm geht es darum, in der Diskussion um den Klimaschutz dem negativen Zielwert CO2-Vermeidung weniger Gewicht zu geben und stattdessen ein positives Ziel zu setzen. (Michael Fuhs)

Auf der Webseite zurPlattform 200 Gigawatt Photovoltaik für Deutschland finden Sie weitere Informationen zu dem Thema.

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