Grüner Kopf unter grauen Mäusen

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Schlechte Nachrichten sollte man immer zuerst servieren: Der deutsche Abgeordnete ist eher ein scheues Wesen. Er versteckt sich hinter seiner Partei. Wer wissen will, was die energiepolitischen Sprecher der fünf Parteien im Bundestag seit der Wahl 2009 tatsächlich voran gebracht haben, dem bringt der Blick auf ihr Abstimmungsverhalten nichts. Denn Portale wie Abgeordnetenwatch zeigen, dass sich die vier Männer und die eine Frau, die man als führende Köpfe in Sachen Energiepolitik ansprechen möchte, hinter ihren Kollegen verbergen. Fraktionszwang – hier haben wir keine Lorbeeren zu vergeben.Aber Hand aufs Herz: Könnten Sie sagen, wer die Energie-Sprecher der verschiedenen Parteien überhaupt sind?

Wenn nicht, dann sind Sie sind in guter Gesellschaft. Wir haben sechs Fachjournalisten befragt, die für „Die Zeit“, VDI Nachrichten, Energie & Management, Neue Energie und andere Fachzeitschriften arbeiten: Keiner dieser Kollegen, die sich seit Jahren mit Photovoltaik, Windkraft und Kohlemeilern beschäftigen, konnte die Namen der Sprecher aus dem Kopf nennen. Meist stecken die Kollegen schon nach zwei Personen fest. Und tippen regelmäßig daneben. Selbst in den Büros der energiepolitischen Sprecher geraten die dortigen Mitarbeiter ins Stocken, wenn sie die Konkurrenten bei den vier anderen Parteien aufzählen sollen.

Die richtige Lösung lautet: Auf Seiten der Regierungsfraktion heißen die Sprecher Thomas Bareiß (CDU/CSU) und Klaus Breil (FDP). Dorothée Menzner ist die einzige Frau, die für eine Partei die Energiepolitik vertritt – für die Linke. Offiziell kümmert sich Rolf Hempelmann um Energiewende und Erneuerbare für die SPD. Hans-Josef Fell hat das „Ressort“ bei den Grünen inne.

Fell, das ist der einzige Name, der unter den befragten Journalisten durchweg präsent ist. Dass die anderen Sprecher so unbekannt sind, ist ernüchternd. Denn gerade in der Fukushima-Energiewende-Solarfirmensterben-Legislaturperiode 2009 bis 2013 sind Energie und Klima dominierende Themen gewesen. Der Umstieg der Energiewirtschaft von Kohle, Öl und Gas auf Sonne, Wind und Biomasse stellt nicht nur die Stromkonzerne auf den Kopf, sondern kommt auch im Portemonnaie von Otto-Normalverbraucher an. Da gibt es genügend Gelegenheit zur Profilierung. Eigentlich.

Fell – ein grüner Dauerbrenner

Doch dieAuswertung der Aktivitäten im Bundestag zeigt, dass dieses Potenzial meist nicht genutzt wird. Ausnahme Fell: Kein anderer war so aktiv wie der grüne Dauerbrenner. Mit 1054 Reden, Anfrage und Anträgen lässt er auch die Linke Dorothée Menzner deutlich hinter sich. Statistisch gesehen ist Fell hier in knapp vier Jahren an zwei von drei Tagen mit einem Anliegen im Bundestag vorstellig geworden. Naturgemäß nutzen die Oppositionspolitiker diese Bühne intensiver. Bareiß und Breil sind hier nur homöopathisch vertreten. Aber auch der SPD-Mann liegt noch hinter Menzner. „Rolf Hempelmann kenne ich nur von früher“, sagt einer der befragten Journalisten. Offensichtlich hat Hempelmann sich schon in den wohlverdienten energiepolitischen Ruhestand verabschiedet. Er scheidet mit der Wahl am 22. September aus dem Bundestag aus und hat uns auch für unsere Fragen an seinen Stellvertreter Dirk Becker verwiesen.

Der Aktivismus von Fell und seinen Mitarbeitern – das „Büro Fell“ – schlägt sich nicht nur in der persönlichen Bekanntheit bei den Journalisten nieder, sondern wird auch mit großer Zitierhäufigkeit belohnt: Fell hat Reichweite und liegt mit 1800 Treffern imPresseecho der vergangenen zwei Jahre sogar knapp vor Thomas Bareiß, dem „Energiekoordinator der CDU/CSU-Fraktion“ – so sein Titel. Und das, obwohl Bareiß als Regierungsrepräsentant und Vertreter einer Volkspartei nicht nur mächtiger ist, sondern neben Energiepolitik auch mit Lokalem und Wirtschaft unterwegs ist. Fell ist dagegen „100 Prozent Erneuerbar“, wie seine Website verspricht und auch seine Antworten im Interview zeigen.

Die Journalisten nehmen ihm das auch persönlich ab. Nur Fell und Menzner bekommen – soweit man sie kennt – in unserer kleinen Umfrage Bestnoten für „echtes“ Engagement. Die anderen Sprecher landen bestenfalls im Mittelfeld. „Das ist auch ein Ausdruck von Sprachlosigkeit“, sagt einer der Fachjournalisten; die SPD-CDU/CSU-FDP-Vertreter „fallen zwar nicht negativ auf, da kommt aber auch nichts Positives.“

Diskrepanz zwischen Regierung und Opposition

So festigt sich der Eindruck, dass manche Energiepolitiker lieber demonstrativ für die inhaltlichen Positionen ihrer Parteien vor sich her tragen, als mit eigenen Ideen aufzufallen – gerade auf Seiten der Regierung. Da hält FDP-Mann Breil die wirtschaftsliberale Fahne hoch, wenn er etwa „mehr Markt“ fordert und sich für die Abschaffung von Photovoltaik- und Windstrom-Einspeisevergütung einsetzt. Auch müsse die „Energiepolitik im Bundeswirtschaftsministerium zusammengefasst werden“, dem klassischen FDP-Ressort, das den Ausbau der Erneuerbaren schon unter Rot-Grün gebremst hat. Die Vertreter der Linkspartei haben es nicht einmal geschafft, kurze Antworten auf unsere Interviewanfrage zu schicken.

Resümee: Bis auf Fell bleiben die Abgeordneten blass. Dabei ist es nicht so, dass sie keine Macht hätten. Das EEG, das revolutionäre wie renovierungsbedürftige Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren, ist in den 90ern nicht von einer Regierung erfunden worden. Parlamentarier haben es erdacht und durchgesetzt. (Marcus Franken)

Marcus Franken ist Chefredakteur desUmweltmagazins zeo2.

Auf unsererThemenseite finden Sie nochmals alle Interviews im Überblick sowie die Auswertungen der Initiativen der energiepolitischen Sprecher.

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