EEG-Reformpläne sind Gift für Bürgerenergie

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Der Bundesenergieminister Sigmar Gabriel (SPD) arbeitet derzeit mit Hochdruck an der Vollendung seines Gesetzentwurfs für eine EEG-Reform. Verbände und Vereinigungen aus dem Bereich der Erneuerbaren sind mit seinen Plänen wenig glücklich. Sie sehen die Gefahr, dass nach der Gesetzesänderung, der weitere Ausbau von Photovoltaik, Windkraft und Biomasse abgewürgt wird. Gerade für private Investoren könnte das neue Gesetz das Aus bedeuten. Die 100 Prozent erneuerbar Stiftung hat mit zehn anderen Organisationen Anfang des Jahres das Bündnis Bürgerenergie (BBEn) gegründet. Es hat unter anderem das Praxistraining Bürgerbeteiligung und Energiewende entwickelt, das lokalen Akteuren konkrete Handlungsempfehlungen gibt, wie Menschen vor Ort in die Planung von Erneuerbaren-Energien-Anlagen sinnvoll eingebunden werden können. Anatol Itten betreut bei der 100 Prozent erneuerbar Stiftung den Themenkomplex „Akzeptanz und Beteiligung“ und erklärt im pv magazine-Interview die Vorzüge einer Energiewende in Bürgerhand.

pv magazine: Die Energiewende lebt von Bürgerbeteiligung. Was sind gängige Formen, die den Menschen die Partizipation erlauben?

Itten: Generell gibt es zwei Unterscheidungen von Beteiligung an der Energiewende: finanzielle und politische Beteiligung. Finanziell können sich Menschen an Erneuerbare-Energien-Anlagen, auch an Nahwärme- und Stromnetze, perspektivisch sogar bei Energieeffizienzmaßnahmen beteiligen. Bürgerbeteiligung heißt aber auch immer die Mitwirkung und die Mitgestaltung an politischen Entscheidungen, zum Beispiel bei der Frage, wo, wann welche Erneuerbare-Energie-Anlage gebaut wird und wie generell die Energiewende umgesetzt werden soll. Übrigens ist meist die letztgenannte Form die Voraussetzung dafür, dass die finanzielle Beteiligung auch in Anspruch genommen wird. Wenn die Bürger nicht von vorneherein an der grundsätzlichen Entscheidung über ein Projekt eingebunden waren, stehen die Chancen schlecht, dass sie später dort Geld investieren.

Die Grundzüge der dezentralen Energiewende und Bürgerbeteiligung scheinen gut zueinander zu passen. Was ist das Besondere an dieser Beziehung?

Erneuerbare Energien haben den Vorteil, dass die entsprechenden Projekte meist dezentral realisiert werden, das heißt es wird vor Ort diskutiert, geplant und entschieden. Diesen Vorteil beschreiben die Psychologen Hildebrand, Rau und Schweizer-Ries unter dem Begriff „Kongruenzprinzip“. Gemeint ist damit eine möglichst große Überschneidung zwischen Investoren, Entscheidern und Betroffenen von Maßnahmen. Dazu kommt ein Umdenken in der Bevölkerung. Über 60 Prozent der Bevölkerung können sich vorstellen, ihren Strom selbst zu produzieren, viele tun dies bereits. Nur noch 28 Prozent sind der Überzeugung, die Stromerzeugung sei Aufgabe der Konzerne. Dies sind jüngst veröffentlichte Zahlen des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Die wachsende Anzahl von Energiedörfer in Deutschland sind ein gutes Beispiel dafür. Die lokale Bevölkerung erfährt dort eine verstärkte Identifikation mit ihrem Wohnort.

Gibt es einen Pionierbonus für erneuerbare Energien?

Nicht mehr. Hersteller und Betreiber von erneuerbaren Energien-Anlagen genossen lange Zeit einen Pionierbonus. Dieser ist heute verfolgen. Die Bürger in Kommunen sind gegenüber geplanten Erneuerbare-Energien-Anlagen auch kritischer geworden. Dies muss aber kein schlechtes Zeichen sein, sondern ist vor allem Ausdruck des gestiegenen Auskunfts- und Mitbestimmungsbedürfnis. Damit muss die Branche umgehen lernen.

Im Zuge der EEG-Reform wird immer wieder von einem Ende der Energiewende in Bürgerhand geredet. Welche Probleme sehen Sie in dem aktuellen Gesetzenwurf für Bürgerenergieanlagen?

Etliche. Zunächst einmal profitieren von einer Direktvermarktung an der Börse, wie sie die Bundesregierung als Standard für die Nutzung erneuerbaren Stroms vorsieht, große Marktakteure. Bürgerenergie droht, vom Markt gefegt zu werden. Zweitens droht die Einführungen von Ausschreibungen. Auch dies wäre Gift für Bürgerenergie. Kurzfristig am bedrohlichsten ist aber, dass der Eigen- und Direktverbrauch massiv behindert oder sogar unmöglich gemacht wird. Bisher war es so: Stromverbraucher, die erneuerbaren Strom, der direkt in ihrer Umgebung – etwa auf dem eigenen Dach oder auf dem Dach ihres Mietshauses – erzeugt wird, nutzen, mussten keine oder eine reduzierte EEG-Umlage zahlen. Dies soll nun geändert werden. Damit sind diese Modelle aber tot, und die Energiewende in Bürgerhand ist massiv gefährdet.

Wird es keine neuen Bürgerenergieanlagen mehr geben, wenn diese Punkte nicht im Zuge der Novellierung noch geändert werden?

Zumindest wird die bisherige Dynamik nicht erhalten bleiben. Und das könnte fatal für die Energiewende sein. Denn bis dato haben die Bürger für die Hälfte aller Investitionen in erneuerbare Energien gesorgt. Damit haben sie viermal so viel investiert wie die 20 großen Energieversorger. Ob diese, wenn sie erfolgreich die Bürger aus dem Markt gekickt haben, die Energiewende genauso engagiert wie die Bürger vorantreiben, ist zumindest fraglich.

Was hat die Politik davon, mehr Bürgerbeteiligung zu fördern?

Vorteile gibt es eine ganze Reihe, wenn ausreichend geprüft wird, wo, wann und wie eine Bürgerbeteiligung sinnvoll ist und wenn der anschließende Prozess richtig gestaltet wird. Ist das gegeben, kann die Politik besser erfahren, was den Bürger umtreibt und Maßnahmen können besser auf ihre Bedürfnisse abgestimmt werden. Damit wird dem Bürger auch mehr Verantwortung für die Gestaltung seines Lebensraumes übertragen, sowie eine gewisse Verbindlichkeit zu erarbeiteten Ergebnissen. Mittelfristig schafft die Politik dadurch kreativere Lösungen, bessere Planungssicherheit für Unternehmen und zufriedenere Bürger. Intern fördert Partizipation den kommunikativen Umgang und die Fähigkeit, Kompromisse zu finden. Gelingt es der Politik, mehr Beteiligung in ihr politisches Handeln einzubetten, kann sie viel verlorengegangenes Vertrauen zurückgewinnen. Das hört sich jetzt an wie eine eierlegende Wollmilchsau, ist aber eine richtige Zielvorgabe. Dies kann aber nur gelingen, wenn in Politik und Behörden mehr Kompetenzen und mehr Kapazitäten für Beteiligungsprozesse geschaffen werden. Denn diese sind gewissermaßen inexistent.

Die Fragen stellte Sandra Enkhardt.

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