Digitalisierungsgesetz: Abgeordnete zwischen Skepsis und Ablehnung

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Das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende befindet sich derzeit im parlamentarischen Prozess und soll voraussichtlich noch vor der Sommerpause gemeinsam mit dem EEG verabschiedet werden. Der bisherige Gesetzesentwurf sieht vor, dass Betreiber von Photovoltaik-Anlagen mit mehr als sieben Kilowatt Leistung zur Nachrüstung eines intelligenten Stromzählers (Smart Meter) verpflichtet werden. Davon wären auch viele private Betreiber von kleinen bereits installierten Anlagen betroffen. Wird das Gesetz wie im Entwurf vorgesehen verabschiedet, würde dies Experten zufolge Zusatzkosten von 500 bis 2000 Euro für kleine Anlagenbetreiber bedeuten. Ein Betrag, der sich rückwirkend negativ auf die Wirtschaftlichkeit der Anlagen auswirkt und in bestimmten Fällen auch den Neubau von kleinen Photovoltaik-Anlagen unrentabel machen kann.

Wir wollten daher von Bundestagsabgeordneten wissen, wie sie abstimmen würden, wenn der Gesetzesentwurf so verabschiedet werden sollte und um eine Begründung der Antwort gebeten. Dafür haben wir 20 Abgeordnete angeschrieben, in deren Wahlkreisen besonders viele Photovoltaik-Anlagen installiert sind. Geantwortet haben sechs Abgeordnete, davon zwei von der CSU, zwei von der SPD und zwei vom Bündnis 90/Die Grünen.

Bei den Grünen scheint die Skepsis am größten zu sein, sowohl Ekin Deligöz als auch Thomas Gambke lehnen eine Zustimmung zum Gesetz in der bisherigen Form klar ab. Die SPD-Abgeordnete Annette Sawade lehnt die Zustimmung ebenfalls ab, solange nicht wichtige Fragen zu Datenschutz und Datensicherheit geklärt sind. Florian Post von der SPD spricht immerhin davon übermäßige Belastungen für Betreiber von Photovoltaik-Anlagen vermeiden zu wollen. Die beiden CSU-Abgeordneten Stephan Stracke und Florian Oßner weisen vor allem darauf hin, dass die Meinungsbildung in ihrer Fraktion noch nicht abgeschlossen sei. Im Folgenden die Antworten im Detail:

„Momentan nicht zustimmungswürdig“

Foto: Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen

Die erste Antwort bekamen wir von Ekin Deligöz von der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Seit 1998 ist sie Mitglied des Deutschen Bundestages, seit 2013 ist sie zudem Mitglied des Haushaltsausschuss für die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ihr Wahlkreis ist Neu-Ulm in Bayern.

Ekin Deligöz: „Der Gesetzesentwurf zur Digitalisierung der Energiewende ist für mich momentan nicht zustimmungswürdig, da ich einen erheblichen Nachbesserungsbedarf sehe. Die Bundesregierung legt hier einen überstürzten Zeitplan vor, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Beispielsweise kann ein Missbrauch der erfassten Daten nicht ausgeschlossen werden. Durch die Einführung von Smart Metern darf es jedoch keinesfalls zu einer Aushöhlung grundlegender Datenschutzstandards und zu einer Gefahr für die Daten- und IT-Sicherheit kommen. Mit dem momentan vorliegenden Gesetzesentwurf gibt es zudem keine lastabhängigen Tarife, von denen die Verbraucher einen Nutzen hätten.“

„Sicherheitslücken in aktuellen Smart-Meter-Modellen nicht hinnehmbar“

Foto: www.annette-sawade.de

Annette Sawade ist Abgeordnete der SPD für den Wahlkreis Schwäbisch Hall. Sie ist unter anderem Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur.

Annette Sawade: „Das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende befindet sich noch mitten im parlamentarischen Prozess und wird aktuell in den Fachausschüssen beraten. Eines unserer Ziele war es, das Stromnetz sicherer zu machen. Mit Blick auf das „Smart Grid“ ist es unabdingbar, auch den Datenschutz und die Datensicherheit im Netz zu stärken. Bei den aktuell verfügbaren „Smart Meter“ Modellen gibt es noch sehr viele Lücken, die für uns nicht hinnehmbar sind. In den USA hatten sich Experten innerhalb weniger Sekunden in diese elektronischen Messzähler gehackt und konnten Daten manipulieren. Mit dem Gesetz wollen wir daher hohe Sicherheitsstandards in unseren Stromnetzen verankern. Die Pflicht, Smart Meter einzusetzen, soll zudem erst greifen, wenn es drei sichere Modelle auf dem Markt gibt, die auch vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) für den Einsatz freigegeben wurden. Doch noch wurden die Standards dafür vom BSI nicht erarbeitet und es gibt auch noch keine drei Anbieter von Smart Metern auf dem deutschen Markt. Der Einsatz der Smart Meter wird sich also noch einige Jahre in Anspruch nehmen, bis diese unseren Ansprüchen an die Datensicherheit genügen. Die Kosten für den Einbau der Smart-Meter sind zweifelsohne eine große Investition und sind daher Gegenstand unserer Debatten und Gespräche zum Gesetz. Ich hoffe, dass wir in diesem Punkt noch einen guten Kompromiss finden.

„Meinungsbildung in der Fraktion noch nicht abgeschlossen“

Foto: Martika Ifrim

Stephan Stracke ist Abgeordneter der CSU für den Wahlkreis Ostallgäu. Er ist zudem stellvertretender Vorsitzender sowie arbeits- und sozial-, gesundheits- und familienpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag.

Stephan Stracke: „Gerade im Allgäu hat sich der Betrieb von Photovoltaik-Anlagen für die Landwirte angesichts der dauerhaft niedrigen Preise für landwirtschaftliche Produkte zu einem wichtigen wirtschaftlichen Standbein entwickelt. Ich habe daher die finanziellen Belastungen sehr genau im Blick, die durch den Einbau von Smart Meter verursacht werden könnten. Die parlamentarischen Beratungen zu dem Gesetzentwurf beginnen allerdings gerade erst. Die Meinungsbildung in der Fraktion zu diesem und zu anderen Punkten ist deshalb noch nicht abgeschlossen. Wir werden über alle Punkte innerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und mit unserem Koalitionspartner intensiv beraten. Ich bin mir sicher, dass wir angemessene Lösungen finden werden.

„Mehrkosten sind ohne entsprechenden Nutzen unverhältnismäßig“

Foto: www.t-gambke.de

Thomas Gambke ist Bundestagsabgeordneter der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Zudem ist er zum Beispiel Mitglied im Finanzausschuss und seit 2012 Mittelstandsbeauftragter der Grünen Bundestagsfraktion. Sein Wahlkreis ist Landshut.

Thomas Gambke: „Die Digitalisierung macht Quantensprünge bei der Steuerung von Energieerzeugung und -verbrauch möglich. […] Die Ansätze der Bundesregierung lassen aber eine umfassende Entwicklung und Nutzung der vorhandenen Potentiale vermissen. So wäre die Ausrüstung aller Haushalte – nicht nur der Energieerzeuger – mit intelligenten Messsystemen nötig. Die damit verbundenen Kosten müssten durch Kosteneinsparungen kompensiert werden. Dies setzt auch eine Einführung belastungsabhängiger Strompreise und die Weiterentwicklung von Speichertechnologien voraus. Dazu müssen regulatorische Hemmnisse für Energiespeicher beseitigt werden. Auch eine Um-stellung der Strompreise und vor allem der Netzentgelte von einem arbeitsbasierten Wert (Kwh) auf einen leistungsbasierten Wert (KW) wäre hilfreich. Nicht mehr die Reduktion der abgenommenen Kilowattstunde sondern die Reduktion des Leistungsanschlusses kann so ökonomisch abgebildet werden. Wenn der verpflichtende Einbau intelligenter Messsysteme durch das „Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende“ nicht begleitet wird durch einen entsprechenden Nutzen, sind die Mehrkosten für Verbraucher*innen und gerade auch für Betreiber*innen kleiner Anlagen von Photovoltaik (PV)-Anlagen unverhältnismäßig. Auf Grund der gesunkenen EEG-Vergütung durch die Änderungen im EEG 2014 und die Belastung der klimaschonenden PV-Erzeugung durch die sogenannte Sonnensteuer (EEG-Umlage auf den eigenverbrauchten Strom) wird eine zusätzliche Belastung ohne entsprechende Kosteneinsparung zu einem weiteren Rückgang des PV-Ausbaus führen. Sollten nicht umfassende Änderungen an dem Gesetz vorgenommen werden, wird meine Fraktion und werde ich dem vorgelegten Gesetz nicht zustimmen.“

„Übermäßige Belastungen für Photovoltaik-Betreiber vermeiden“

Foto: spdfraktion.de (Susie Knoll)

Florian Post ist Mitglied des Bundestags für die SPD. Sein Wahlkreis ist München-Nord. Nach eigener Aussage übernimmt er als zuständiger Berichterstatter der SPD-Fraktion die Beantwortung unserer Anfrage im Namen seiner Fraktionskolleginnen und –kollegen, die wir wegen der Abstimmung zum Digitalisierungsgesetz angeschrieben hatten.

Florian Post: „Mit dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende wollen wir die Infrastruktur des Strommarktes an die Erfordernisse der Energiewende mit immer mehr dezentral erzeugter fluktuierender Einspeisung anpassen. Intelligente Messsysteme sind die Voraussetzung dafür, Flexibilitäten im Netz optimal zu nutzen. Das gilt für die intelligente Steuerung der Netze, für flexible Tarife und auf lange Sicht für Sektorkopplung, um auch den Wärmemarkt und den Verkehrssektor in den Energiemarkt einzubinden. Wir sind derzeit dabei, den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vorgelegten Gesetzentwurf auf alle Auswirkungen sowohl auf Verbraucher, Industrie und Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen zu prüfen. Wir wollen dabei auf jeden Fall vermeiden, dass auf Betreiber von Photovoltaik-Anlagen, insbesondere im Bestand übermäßige Belastungen zukommen. Wir halten auch die eingezogene Grenze von 7 Kilowatt installierter Leistung, ab derer Betreiber von EE-Anlagen überhaupt erst zu einem Einbau von Smart Metern verpflichtet sind, für sinnvoll, um nicht jede Solaranlage auf einem Hausdach zu zusätzlichen Anstrengungen zu verpflichten. Die von der Branche vorgetragene Forderung, alle Photovoltaik-Anlagen aus dem Gültigkeitsbereich des Gesetzes herauszuhalten, ist hingegen nicht zielführend, da die Notwendigkeit zu Flexibilität und intelligenter Netzsteuerung im Markt ja gerade durch die fluktuierenden Energien erst entsteht. Wir werden im parlamentarischen Verfahren die Wirkungen des Gesetzes weiter gründlich prüfen und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen.“

„Intensiv beraten und angemessene Lösungen finden“

Foto: www.ossner-florian.de

Florian Oßner ist CSU-Direktabgeordneter für den Wahlkreis Landshut und unter anderem Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur.

Florian Oßner: "Die parlamentarischen Beratungen zum Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende beginnen erst. Die Meinungsbildung in der Fraktion zu den einzelnen Punkten ist deshalb noch nicht abgeschlossen. Dazu zählt auch der von Ihnen angesprochene Punkt. Wir werden über alle Inhalte intern und mit unserem Koalitionspartner intensiv beraten und angemessene Lösungen finden."

(Zusammengestellt von Mirco Sieg)

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