Deutscher Strommarkt ist grundsätzlich funktionsfähig

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Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hat im Zuge der Diskussion über das Strommarktdesign nun den Entwurf seines Grünbuchs vorgelegt. Neben dem Ist-Stand werden dort die Herausforderungen für die Zukunft definiert und mögliche Maßnahmen aufgezeigt. Mit dem Grünbuch will das Ministerium die öffentliche Konsultation über das Thema eröffnen. Diese soll bis März 2015 laufen und die Ergebnisse dann in einem Weißbuch mit konkreten Maßnahmen zusammengefasst werden. Das BMWi will das Weißbuch bis Ende Mai 2015 vorlegen. Auch darüber wird dann nochmals öffentlich konsultiert werden, ehe der Gesetzgebungsprozess beginnen wird. Über die wichtigsten Aspekten des Entwurfs sprach pv magazine mit Carsten Pfeiffer, Leiter Strategie und Politik des Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE).

pv magazine: Im Grünbuch heißt es, dass sich der Strommarkt in den kommenden Jahren in einer Phase des Übergangs befindet. Das BMWi schreibt zudem, dass sich in der ersten Phase der Energiewende der derzeitige Strommarkt grundsätzlich bewährt hat. Teilen Sie diese Einschätzung?

Pfeiffer: Der Strommarkt hat in den vergangenen Jahres viele positive Anpassungsleistungen erbracht und sich als grundsätzlich funktionsfähig erwiesen.

Es heißt weiter, dass die Abregelung von Erneuerbaren-Anlagen keine sinnvolle Alternative zur Absenkung der Mindesterzeugung – die von den konventionellen Kraftwerken geleistet wird – sein kann. Kann die Mindesterzeugung fossiler Kraftwerke schneller abgesenkt werden, wenn die Erneuerbaren mehr Systemdienstleistungen übernehmen?

Die Erneuerbaren-Energien-Anlagen erbringen bereits heutzutage teilweise wichtige Systemdienstleistungen. Sie können diese künftig auch noch deutlich schneller und umfangreicher erbringen. Eine Voraussetzung dafür ist aber u.a., dass die Regelenergiemärkte stärker für die Erneuerbaren und Speicher geöffnet werden.

Im Grünbuch heißt es weiter, dass dem Strommarkt ausreichend Flexibilitätsoptionen zur Verfügung stehen, um Erzeugung und Verbrauch zu synchronisieren. Welche sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Optionen für die Zukunft?

Aus meiner Sicht sind aktuell vor allem Demand-Side-Management und Power-to-heat die wichtigsten Flexibilisierungsoptionen, sowie die Flexibilisierung von Kraft-Wärmekopplungs-Anlagen. Wichtig für die Zukunft ist aber auch die Umstellung des konventionellen Kraftwerkparks. Wir müssen weg von unflexiblen Grundlastkraftwerken hin zu flexiblen Anlagen kommen, die besser auf die Einspeisung der erneuerbaren Energien reagieren können. Noch deutlich unterschätzt unter Energiewirtschaftswissenschaftlern und im BMWi ist die Entwicklung bei Batterien.

Das BMWi will Flexibilitätsoptionen künftig auch im Wettbewerb gegeneinander antreten lassen. Könnte dies die Kosten senken?

Ein Wettbewerb würde zu sinkenden Kosten führen. Allerdings muss es dann auch gleiche Chancen für alle geben. Die Hemmnisse für die erneuerbaren Energien und Speicher müssten dafür im Vorfeld reduzieren werden. Das hat das BMWi in wichtigsten Punkten aber auch schon erkannt. Der BEE erarbeitet hierzu gerade umfassende Vorschläge.

Beim Ausbau der Stromnetze heißt es im Grünbuch, sie nicht bis auf den letzten Kilometer ausbauen zu wollen. Wie bewerten sie das?

Dies ist noch eine offene Fragen, über die weiter diskutiert werden muss. Schließlich will die Bundesregierung den Ausbau der Erneuerbaren nicht schon bei einem Anteil von 35 bis 40 Prozent beenden. Daher muss der Netzausbau langfristig eben auch auf 100 Prozent erneuerbare Energien ausgelegt sein. Nicht berücksichtigt wurde im Grünbuch, dass der Netzausbau für Photovoltaik-Anlagen künftig deutlich geringer ausfallen wird, weil Batteriespeicher eine wesentlich größere Rolle spielen werden als dies das BMWi heute noch annimmt.

Was steckt aus ihrer Sicht hinter der Forderung, Netzentgelte und staatlich veranlassten Preisbestandteile weiterzuentwickeln? Droht hier eine weitere Belastung für den Eigenverbrauch aus Photovoltaik-Anlagen?

Dies geht aus dem Grünbuch noch nicht eindeutig hervor. Es sollte aber ein Augenmerk darauf gelegt werden, dass dies nicht passiert, um den Photovoltaik-Ausbau in Deutschland nicht noch zusätzlich zu beschränken.

Teil der Strommarktdiskussion ist auch die Frage: Kapazitätsmärkte ja oder nein? Dies erfordert eine Grundsatzentscheidung der Politik, heißt es im Grünbuch. Wie positioniert sich das BMWi im Grünbuch dazu?

Das Bundeswirtschaftsministerium lässt seine Position zunächst noch offen. Die Darstellung lässt aber erkennen, dass Kapazitätsmärkte überflüssig sind. Wir haben in Europa derzeit riesige Überkapazitäten von etwa 100 Gigawatt davon im für Deutschland relevanten Marktgebiet allein 60 Gigawatt. Die vom BMWi vorgesehene Weiterentwicklung des Energy-only-Marktes und der Kapazitätsreserve reichen vollkommen aus, um langfristig Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Im Grünbuch wird auch davon gesprochen, die Versorgungssicherheit im europäischen Kontext zu stärken. Was wäre dafür notwendig?

Es ist notwendig, den europäischen Binnenmarkt weiter ausbauen. Zudem sollten sich die Länder beim Thema Versorgungssicherheit besser untereinander abstimmen. Das hat auch das BMWi erkannt.

Das Interview führte Sandra Enkhardt.

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