Big Data für Photovoltaikanlagen-Betreiber

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Über einem Solarpark sammeln sich dicke Wolken. Wie auf ein Signal hin öffnen sich die Schleusen, und ein heftiger Platzregen geht auf die Module nieder. Ein Wechselrichter nach dem anderen stellt mangels Strom mitten am Tag die Arbeit ein und sendet eine Fehlermeldung an sein Überwachungsportal. Für einen Betriebsführer oder einen mit der Wartung beauftragten Installateur bedeutet das sinnlosen Arbeitsaufwand, denn kaum haben sich die Wolken verzogen, läuft alles wieder wie gewohnt. Was bleibt, ist Meldung um Meldung wegzuklicken und dabei hoffentlich keine relevante Nachricht zu übersehen. Hier kann Software wie das Portal von Smartblue helfen.

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Zu den wichtigsten Aufgaben des Systems gehört es, die Eigentümer und Betriebsführer vor einer Überflutung mit Fehlermeldungen zu bewahren. Deshalb werden nicht Gerätefehler weitergegeben, sondern Messwerte analysiert. Gleichartige oder wiederkehrende Fehler werden zu einem Ereignis zusammengefasst und mit Hilfe von Tickets weiterverfolgt.

Monitoringsysteme von Photovoltaikanlagen produzieren im Laufe der Jahre gigantische Datenmengen – Einspeiseleistungen, Stringströme, Temperatur und Einstrahlung mit hoher Zeitauflösung, um nur einige zu nennen. Noch werden sie, so sagt es Smartblue-Gründer Günter Seel, kaum genutzt. Er hat sich zum Ziel gesetzt, durch mehr Automatisierung die Analyse dieses Datenberges voranzutreiben. Was in anderen Bereichen als „Big Data“ bezeichnet wird, würde damit Einzug in die Photovoltaikwelt halten. „Ich denke, da ist noch ein Goldschatz vergraben“, sagt Seel augenzwinkernd.

Automatisierte Fehlererkennung

Ideal wäre es, wenn eines Tages bei Betriebsführern einfach eine rote Lampe anginge, sobald ein Servicemitarbeiter was unternehmen soll, und diese sich sonst nicht mit der Anlage beschäftigen müssten. Die Anlagenperformance wird in Ruhezeiten, zum Beispiel nachts, analysiert. Eine Ertragssimulation anhand von Einstrahlungs- oder Wetterprognosen ist heute bereits möglich, ebenso ein Benchmarking der Anlage mit ähnlichen anderen. Die Plattform kann Installationen der verschiedensten Hersteller überwachen. Ein Betriebsführer kann also sein Portfolio ganz unterschiedlicher Anlagen und Überwachungsgeräte auf einer Plattform sehen. Dabei werden Analysen und Arbeitsabläufe so weit als möglich automatisiert. Denn bei sinkenden Einspeisevergütungen müssen auch die Wartungskosten erschwinglich bleiben. „Den Menschen kann man aber nicht völlig ersetzen“, sagt Günter Seel. So würde die Fehlererkennung je nach Wetterlage derzeit noch manuell nachgesteuert. Ein Forschungsprojekt soll künftig helfen, die automatische Fehlererkennung noch weiter zu verbessern und zum Beispiel auch Schnee auf den Kollektoren als Ursache für schlechte Performance zu erkennen.

Im Smart-Control-Leitstand werden Fehler automatisch nach Dringlichkeit und Schweregrad aufgelistet. Intelligente Algorithmen bewerten die Auswirkungen auf den Ertrag und fassen gleichlautende Meldungen zusammen. Foto: Smartblue

Günter Seel hat die 50 schon überschritten und ist auch sonst ein eher untypischer Vertreter der jungen Gründerszene. So gab er nach 20 Jahren eine gut dotierte Führungsposition in einem erfolgreichen Unternehmen auf, um mit seiner eigenen Firma noch einmal ganz von vorne anzufangen, in einer Branche, mit der er vorher wenig zu tun hatte. „Nach 20 Jahren bei Applied Materials bin ich immer noch fasziniert von Halbleitern und von der Tatsache, dass das Moore’sche Gesetz immer noch zutrifft. Als sich nun eine solche Entwicklung auch in der Photovoltaik anbahnte, wollte ich mit dabei sein.“

Einen Fehlstart zum Guten wenden

Seel gründete 2010 gemeinsam mit einem Partner das Start-up Smartblue. Das Produkt, das sie auf den Markt brachten, war ein Gerät zur Überwachung von Photovoltaikmodulen. „Die Technik war großartig“, sagt Seel heute noch, „doch das Gerät konnte mit dem rasanten Preisverfall der Module nicht Schritt halten.“ Für ihn war das kein Grund aufzugeben. Ein neues Produkt wurde gesucht und gefunden, eine Anlagenüberwachungssoftware für Betriebsführer.

„Heute besteht die Aufgabe darin, Anlagen kommunikativ zu vernetzen. Daran sind viele Beteiligte interessiert“, so Seel. Waren es zunächst nur die Eigentümer, die wissen wollten, wie ihre Anlage lief, möchten nun auch Netzbetreiber, Betriebsführer und Wartungstechniker oder auch Direktvermarkter Zugriff auf exakte Daten. Im gleichen Maße wie dieses Interesse stiegen auch die Möglichkeiten im Internet. Seel war sich nach dem Scheitern der Modulüberwachung klar darüber, dass das neue Produkt einem starken Preisverfall standhalten musste. Deshalb sollte es immaterieller Natur, eben Software sein, die als zentraler Service in der Cloud vorliegt. Denn so ist es möglich, dass alle Kunden sofort von Weiterentwicklungen profitieren.

Als Seel mit der Entwicklung begann, war die Ausgangslage nicht sehr gut. Die Idee war nicht neu, Smartblue ein Spätstarter. Denn 2012, als die Software erschien, gab es bereits eine große Anzahl von Monitoringlösungen und kostenlosen Portalen. Namhafte Unternehmen wie Skytron Energy, Meteocontrol oder Alpensolar boten ihr Know-how in allen Facetten an, sei es als Hardware, als Software oder als Betriebsführungs-Dienstleistung. Trotzdem war sich Günter Seel sicher, dass sein Portal hier noch fehlte, dass ausgerechnet sein Produkt die wichtigen Unterscheidungsmerkmale besitzt, um genügend Kunden zu überzeugen.

Knapp drei Jahre später kann man feststellen, dass er wahrscheinlich recht hatte. Inzwischen umfasst sein Kundenstamm nach seinen Angaben 50 Betriebsführungs- und Wartungsunternehmen, die bisher 2.000 Anlagen kontrollieren und noch weitere einstellen. Dabei ist es gar nicht so einfach, den Unterschied zu anderen Lösungen auf einen Punkt zu bringen. „Unser Vorteil war, dass sich die Art und Weise der Softwareentwicklung in den letzten Jahren sehr gewandelt hat.“ Sie sei einfacher und weniger aufwendig geworden, erklärt Seel. Indem das Portal völlig neu programmiert wurde, seien zwar Entwicklungskosten im einstelligen Millionenbereich aufgelaufen, es sei aber nun viel besser weiterzuentwickeln und könne auf die künftigen Anforderungen besser angepasst werden als eine Software, die noch auf Techniken von 2005 basiere. „Unsere Geschicklichkeit besteht nun darin, auf Kunden zu hören, Ideen zu haben und Leute zu finden, die sie umsetzen.“ Dadurch dass Smartblue selbst keine Betriebsführung anbietet, macht es seinen Kunden keine Konkurrenz. Es sei darüber hinaus nicht nur unabhängig von einer bestimmten Technik, sondern auch von übergeordneten Konzerninteressen.

Hatten zunächst zwei Business Angels das Start-up finanziert, sind mit der neuen Ausrichtung auch neue Investoren an Bord gegangen. Heute liegt die Firma in den Händen von drei Aktionären. Einer davon ist der Gründer selbst. Die Form der Aktiengesellschaft hat er zum einen gewählt, weil er damit bereits Erfahrungen hatte, und zum anderen, weil sie ein hohes Maß an Transparenz besitzt. Es spricht für ihn und seine Idee, dass er externe Kontrolle durch den Aufsichtsrat nicht als Einengung, sondern als Unterstützung begreift.

Die Aussichten am Markt sind derzeit gut. Dafür gibt es mehrere Gründe: Nach dem Ende des Baubooms rückt die Performance der Anlagen stärker ins Blickfeld. Lieferanten von Überwachungsanlagen würden jedoch vom Markt verschwinden, erklärt Seel, ebenso würden sich Eigentümer von EPCs abwenden, die erst die Anlage gebaut und dann die Betriebsführung übernommen hatten. Diese Anlagen suchten nun ein neues Zuhause. Die Kunden selbst seien an langfristigen Beziehungen interessiert, denn nur mit langen, durchgängigen Datenreihen ließen sich schleichende Fehler wie Degradationen aufspüren. Auch ihr Bedarf an exakten Daten wird weiter steigen, wenn sie beginnen, die Möglichkeiten der Direktvermarktung auszuloten.

Derzeit arbeiten 15 Mitarbeiter am Portal von Smartblue. Im Moment überarbeiten sie das sogenannte Frontend. Die Benutzeroberfläche soll sich bald eigenständig an die gewählte Monitorgröße – von Smartphone bis XXL-Bildschirm – anpassen können. Ein Dokumentenmanagementsystem steht in den Startlöchern, und es werden bereits die ersten Batteriespeicher eingebunden. „Unsere Kunden sind von Insolvenzen bisher verschont geblieben, und wir sind weiter im Businessplan. Deshalb schaue ich äußerst optimistisch in die Zukunft“, sagt Günter Seel. (Cornelia Lichner)

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