Dezentral erzeugen und speichern

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Will man wenig Photovoltaikanlagen, benötigt man wenig Batteriespeicherkapazität und kann die Home-Systeme vielleicht für sinnlos erklären. Wer für die Home-Batteriespeicher argumentieren will, muss zunächst einmal erklären, warum mehr Photovoltaik nötig sein soll, als derzeit geplant ist.
Was derzeit geplant ist, nennt Volker Quaschning etwas polemisch „Szenario Deichbau“. Der streitbare Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin hat zusammen mit seinen Mitarbeitern grafisch und plastisch dargestellt, welche Folgen der Ausbaupfad der Bundesregierung haben würde (Grafik 1 ). 2,5 Gigawatt Photovoltaikzubau pro Jahr sind vorgesehen. Mit diesem Ausbaupfad würden 2030 Photovoltaikanlagen mit rund 60 Gigawatt Nennleistung Strom produzieren, etwa doppelt so viele wie heute. Die Wissenschaftler nehmen an, dass der Stromverbrauch eher steigt als sinkt, weil auch Elektroautos Energie benötigen und mehr Häuser mit Wärmepumpen heizen werden als heute. Unter den einzelnen Energien dominiert dann auch im Jahr 2030 noch die Kohleverstromung. Sie deckt mehr als die Hälfte des Verbrauchs. Schreibt man die Ausbaupfade bis 2050 fort, ändert sich das auch danach nur unwesentlich, die installierte Leistung der Photovoltaikanlagen ginge sogar etwas zurück.
Volker Quaschning hält dagegen den Ausbau auf 200 Gigawatt Photovoltaik für sinnvoll, wenn man die Klimaerwärmung bremsen und die Kohlekraftwerke abschalten will. In ähnlicher Größenordnung liegen auch die Ergebnisse des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg. Dort berechnen Hans-Martin Henning und Andreas Palzer mit einem komplexen Programm das ökonomische Optimum für eine regenerative Energieversorgung. Selbst in dem Szenario, bei dem nur 80 Prozent der Kohlendioxidemissionen eingespart werden sollen, kommen sie auf 150 Gigawatt.
Dezentral speichern statt verschenken
Werden 200 Gigawatt Photovoltaikanlagen an das Stromnetz angeschlossen, produzieren diese mittags zusammen sehr viel Strom, etwa 120 bis 140 Gigawatt. Die deutschen Verbraucher benötigen aber maximal 80 Gigawatt. Es kommt mittags also zu immensen Überschüssen. Dazu kommt noch der Strom aus Windenergieanlagen, die zur gleichen Zeit einspeisen.
Auch wenn er zum Wegschmeißen vielleicht viel zu schade ist, wäre das eine mögliche Lösung. Dass sich das mit Speichern verhindern lässt, ist trivial – je mehr Speicher zur Verfügung stehen, umso weniger elektrische Energie muss verschenkt werden. Die HTW-Forscher kommen auf etwa 500 Gigawattstunden elektrische Energie, die kurzzeitig gespeichert werden müssten, mit einer Ladeleistung von rund 70 Gigawatt.
Diese Summe an Speicherkapazität ist so gigantisch, argumentiert Volker Quaschning, dass es ohne dezentrale Speichersysteme gar nicht geht. Der Ausbau der Photovoltaik hat ja schon gezeigt, welche Dynamik ein dezentraler Ausbau entfalten kann. Grafik 2 zeigt, dass bei einer Abregelung der Einspeisung auf 30 Prozent der Nennleistung, was ein sinnvoller Wert sein könnte, um mit den mittäglichen Stromüberschüssen zurechtzukommen, ohne Speicher zwischen 30 und 40 Prozent des Solarstroms verloren gehen würden. Mit einem Batteriespeicher von einer Kilowattstunde nutzbarer Speicherkapazität pro Kilowatt installierter Photovoltaikleistung wären es nur noch rund sechs Prozent. Das wäre also für jede Fünf-Kilowatt-Photovoltaikanlage ein Batteriesystem mit fünf Kilowattstunden Speicherkapazität.
Man könnte auf die Idee kommen, statt mit dem überschüssigen Solarstrom Batteriespeicher zu laden, alle Überschüsse zur Gaserzeugung zu verwenden (Power-to-Gas). Das hätte immerhin den Vorteil, dass man das Gas bis zum Winter speichern könnte. Doch es ist verhältnismäßig teuer, die Gaserzeugung aufzubauen, erklärt Volker Quaschning. Es ist also vermutlich nicht ökonomisch, die Leistung, mit der Gas erzeugt werden kann, auf die kurze, aber leistungsstarke Mittagsspitze der Photovoltaikanlagen auszulegen. Die Netze müsste man dann auch noch entsprechend ausbauen. Daher hält es Volker Quaschning für sinnvoll, zumindest mit einem Teil des Mittagspeaks dezentrale Batteriespeicher zu laden. Im Übrigen sieht auch das Modell des Fraunhofer ISE 24 Gigawattstunden stationäre Batteriespeicher vor.
Dezentrale Speicheroptionen
Für einen Hausbesitzer ist so ein Batteriespeicher ein großer Brocken. Enthält er Lithium, wiegen fünf Kilowattstunden Kapazität rund 150 Kilogramm und nehmen so viel Platz weg wie ein kleiner Kühlschrank. Bezogen auf den Bedarf von 500 Gigawattstunden Speicherkapazität, die die HTW-Forscher für sinnvoll erachten, ist schon der Vergleich mit dem berühmten Tropfen auf den heißen Stein irreführend. Ein Fünf-Kilowattstunden-Speicher trägt nur mit 0,00001 Promille zum Bedarf bei. Der Clou ist die Masse. Wenn in jeder zehnten der 15 Millionen Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern ein solches Gerät stünde, machte das schon 1,5 Prozent aus.
Dazu kommt, dass Haushalte weitere Möglichkeiten haben, Energie zu speichern. Stefan Hirzinger, bis Ende letzten Jahres bei Viessmann Photovoltaik für Vertrieb und Marketing zuständig, hat vorgerechnet, wie viel Energie sich in dezentralen thermischen Speichern puffern lässt. Wenn man die Temperatur im Trinkwasserspeicher um zehn Grad erhöht, entspricht das 3,58 Kilowattstunden direkt umgewandelter elektrischer Energie. Nutzt man eine Wärmepumpe, ist es immer noch über eine Kilowattstunde.
In den Übergangszeiten, wenn die Heizung bereits läuft, kann man auch die Temperatur des Heizwassers erhöhen. Bei einem Volumen von 750 Litern entspricht eine Erhöhung von zehn Grad einer Energiemenge von 8,7 Kilowattstunden. Am meisten Energie lässt sich speichern, indem man die Temperatur im Haus erhöht oder – falls man eine Klimaanlage hat – absenkt. Bei einer zusätzlichen Erwärmung um 0,5 Grad nimmt es meist mehr als zehn Kilowattstunden zusätzliche Energie auf, entsprechend hoch ist die Speicherkapazität. Allerdings kommt es darauf an, dass die Energie dann auch sinnvoll verwendet wird und nicht einfach die Wärmeverluste erhöht.
Die HTW-Forscher haben die Möglichkeiten dezentraler Speicherung systematisch aufgelistet (siehe Tabelle unten). Da gibt es etliche Möglichkeiten mit unterschiedlich viel Potenzial. Wird das Potenzial zu zehn Prozent genutzt, ergibt sich zusammen eine Speicherleistung von rund 31 Gigawatt und 77 Gigawattstunden. Bei fünfmal höherer Durchdringung der Haushalte, also 50-prozentiger Ausschöpfung des Potenzials, sind es schon über 380 Gigawattstunden. Die dezentralen Systeme können also einen beachtlichen Beitrag zur Energiewende leisten – dezentrale Batteriespeicher wären dann ein Teil davon.
Cleverer Verkauf
Das Problem wird seit Jahren diskutiert: Man kann einen Batteriespeicher kaufen, und man macht vermutlich keine Verluste, wenn man im Vergleich dazu das Geld auf einem schlecht verzinsten Festgeldkonto lässt. Doch nach wie vor lässt ein Betreiber einer kleinen Photovoltaikanlage den Batteriespeicher besser weg, wenn er auf Rendite optimieren will. Trotzdem gelingt es anscheinend sehr gut, die Systeme an den Mann und die Frau zu bringen. Nach Angaben des Bundesverbandes Solarwirtschaft nutzen bereits 15.000 Haushalte Batteriespeicher. Das mag zum einen daran liegen, dass vielen die Rendite weniger wichtig ist als den Finanzanalysten. Renditeunterschiede machen bei den geringen Investitionssummen in absoluten Zahlen nämlich nicht viel aus. Bei Kosten von 15.000 Euro bedeutetet ein Prozent mehr oder weniger Rendite nur 70 bis 100 Euro mehr oder weniger Einnahmen pro Jahr.
Es ist also durchaus richtig, die Renditediskussion nicht in den Mittelpunkt eines Verkaufsgesprächs zu stellen. Ein Ansatz, der ja bekannt ist, den man aber erst einmal verinnerlichen muss, wenn man vorher einspeisende Photovoltaikanlagen verkauft hat. Viessmann-Experte Stefan Hirzinger stellt das so dar: Der Energiebezug steht im Zentrum der Argumentation. Er zeigt, wie sich dieser verringern lässt, wenn man sukzessive das Haus mit Wärmepumpe, Photovoltaikanlage und Batteriespeicher austattet (Grafik 3 ). Am Ende, in voller Ausbaustufe, fällt nicht nur der Gasbezug weg, auch der Strombezug ist kleiner als vor der Umstellung.
Im Detail geht das so: Ein typisches Einfamilienhaus für vier Personen hat einen Bedarf von 11.400 Kilowattstunden Wärmeenergie und von 5.200 Kilowattstunden Strom, zusammen also 16.600 Kilowattstunden. Nutzen die Bewohner eine Wärmepumpe, sinkt der Energiebezug auf insgesamt 8.350 Kilowattstunden. Werden die Wärmepumpe und der Haushalt teilweise mit einer Acht-Kilowatt-Photovoltaikanlage versorgt, müssen die Bewohner nur noch 5.500 Kilowattstunden Strom einkaufen. Das ist also kaum noch mehr, als wenn der Haushalt mit Gas heizen würde. Leisten sie sich zusätzlich einen Batteriespeicher, sinkt der Strombezug mit 3.850 Kilowattstunden sogar unter den ursprünglichen Wert – man hat die Heizung quasi vollkommen eingespart und gleichzeitig den Strombedarf reduziert. Zusätzlich kann die Photovoltaikanlage noch 4.750 Kilowattstunden einspeisen.
Das heißt übrigens nicht, dass das System ökonomisch optimiert ist. Doch wer über die Grafik diskutiert, überlegt vermutlich eher, ob ihm die relativ hohe Energieautarkie diesen Preis wert ist. „Es wird weniger um Rendite gehen“, erklärt Hirzinger. Er sagt, das theoretische Ergebnis entspreche durchaus der Praxis. „Unser Programm rechnet genau das aus, was mit dem Energiemanager erreicht werden kann“, erklärt er. In der Analyse seien dann mehrere Jahre mit realistischen Wetterdaten durchgerechnet worden.
Man muss sich allerdings klarmachen, dass sich die 11.500 Kilowattstunden thermische Energie, die in der vollen Ausbaustufe eingespart werden, nicht direkt mit dem Bezug elektrischer Energie nach einer Umstellung auf die Wärmepumpe vergleichen lassen. Würde man die elektrische Energie, die die Wärmepumpe benötigt, zentral mit einem Gaskraftwerk herstellen, käme man vermutlich auf einen ähnlichen Gasbedarf, wie wenn die Gastherme im Haus verblieben wäre.
Trotzdem ist das System auch sinnvoll, wenn man das Energiesystem als Ganzes betrachtet, solange nicht jedes Haus diese Kombination nutzt. Das zeigen zumindest die Optimierungen des Fraunhofer ISE. In dem optimalen Energiesystem nutzt ein Teil der Häuser Wärmepumpen, während ein anderer Teil mit Fernwärme und Blockheizkraftwerken heizt. Diese heizen nicht nur die angeschlossenen Häuser, sondern erzeugen bei Kälte gleichzeitig den Strom für die Wärmepumpen in den anderen Häusern.
Kosten dezentraler Systeme attraktiv
Wie sinnvoll eine Technologie ist, hängt allerdings auch davon ab, wie viel sie kostet. Oft wird gegenüber den dezentralen Systemen vorgebracht, dass sie zu teuer seien gegenüber zentraleren Großanlagen. Das stimmt zwar, heißt aber nicht, dass auch die Stromgestehungskosten höher sind. Eigenheimbesitzer erwarten oft deutlich kleinere Renditen als Investoren in größere Solarkraftwerke. Wenn der Häuslebauer zum Beispiel 1.600 Euro pro Kilowattpeak Photovoltaik bezahlt und sich mit zwei Prozent Rendite zufriedengibt, kostet der Strom nicht mehr als der aus einem Solarpark, bei dem das Kilowattpeak 1.000 Euro kostet und der acht Prozent Rendite erwirtschaften soll (Grafik 4).
Viele der Aussagen wurden auf dem Forum Solarpraxis im November in Berlin vorgestellt. In der Veröffentlichung zum Symposium Photovoltaische Solarenergie im März 2015 in Bad Staffelstein findet sich eine detaillierte Beschreibung der Argumentation von Volker Quaschning, Johannes Weniger, Joseph Bergner und Tjarko Tjaden. Die HTW Berlin führt seit Längerem umfangreiche Forschungsarbeiten zu PV-Speichersystemen durch. Zahlreiche Veröffentlichungen zum Thema sowie ein Online-Unabhängigkeitsrechner finden Sie unterhttp://pvspeicher.htw-berlin.de

Anzahlmögliche TechnologiePotenzial je SystemPotenzial bei 10 % Durchdringung der Haushalte
max. Leistungmax. Kapazitätmax. Leistungmax. Kapazität
Ein- und Zweifamilienhäuser15 Millionenstationäre Batteriespeicher3 kW5 kWh4,5 GW7,5 GWh
Mehrfamilienhäuser26 Millionenstationäre Batteriespeicher1 kW1 kWh2,6 GW2,6 GWh
Pkw44 Millionenmobile Batteriespeicher3,5 kW5 kWh15,4 GW22 GWh
Wohnhäuser41 MillionenTrinkwarmwasserspeicher3,5 kW4 kWh14,4 GW16,4 GWh
Wohnhäuser41 MillionenRaumtemperaturänderung um 1°C3,5 kW6,9 kWh14,4 GW28,3 GWh
Summe31 GW77 GWh

Die Experten von der HTW Berlin haben abgeschätzt, wie die mittäglichen Überschüsse der privaten Solarstromanlagen dezentral in den Haushalten gespeichert werden können.

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