Alles zwischen 1,3 und 2,4 Gigawatt ist möglich

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110 Megawatt Zubau im September, das sind die neuesten Zahlen vor dem Redaktionsschluss. Das letzte Mal lag dieser Wert im Februar 2011 so tief, doch damals gab es eine einfache Erklärung: Deutschland lag unter einer dichten Schneedecke. Davor muss man bis Anfang des Jahres 2009 zurückgehen, um so schlechte Zahlen zu finden. Damals, vor den Boomjahren 2010 und 2011, lag es an den hohen Silizium- und Modulpreisen, die nicht Schritt hielten mit der Degression.
Und heute? Es hieß immer, ab einer möglichen Rendite von fünf bis sechs Prozent brummt der Markt der Kleinanlagen. Mit der Einspeisevergütung lässt sich das heute zwar nicht mehr erreichen, mit Eigenverbrauch kommt man aber in die Nähe, je nachdem welche Strompreissteigerung und welchen Standort man für die Rechnung annimmt. Daher waren Experten in der Vergangenheit bei diesem Segment meist zuversichtlich. Doch zur Überraschung vieler schwächeln die kleinen Dachanlagen genauso wie die anderen Segmente. Betrachtet man die Anteile, die verschiedene Segmente am Zubau haben (Grafik 1), fällt auf, dass der Anteil des Segments unter zehn Kilowattpeak ziemlich stabil blieb. Sprich: In absoluten ZahlenFoto: F&S solar conceptsank das Segment fast wie alle anderen. Erst die Zubauwerte im September könnte man so interpretieren, dass nach Inkrafttreten der EEG-Novelle im August, bei der die Kleinanlagen relativ ungeschoren davonkamen, dieses Segment anteilig stärker wird. Dem entspricht auch, dass dieser Zuwachs auf Kosten der Gewerbeanlagensegmente geht. Der Anteil der großen Anlagen (Dach- und Freiflächenanlagen über 500 Kilowattpeak) nimmt nämlich ebenfalls zu.
Die großen Anlagen, die in der Öffentlichkeit vor einem halben bis dreiviertel Jahr noch als absolutes Auslaufmodell gehandelt wurden, haben sich also deutlich besser gehalten als erwartet. Begünstigt durch die günstigen Zinsen und die gefallenen Systemkosten – man kann inzwischen manchmal auch für 90 Cent pro Watt bauen –, lassen sie sich sogar mit der EEG-Vergütung finanzieren. Man sollte auch nicht unterschätzen, dass es derzeit sehr viele Investoren gibt, die Anlagen für ihr Geld suchen. Um Steuern zu sparen, sind sie gezwungen, ihr Geld immer wieder neu zu investieren. „Wir können Stromgestehungskosten von 6,5 Cent pro Kilowattstunde erreichen“, sagt Raphael Huber vom Projektierer Sunovis. Er realisiert dieses Jahr immerhin 40 Megawatt Freiflächenanlagen. Er sieht auch noch einen großen Markt darin, den Strom an Gewerbetreibende in der Nachbarschaft zu verkaufen. Doch das funktioniere noch nicht richtig, unter anderem weil Netzbetreiber nicht mitspielten.
Margarete von Oppen, als Rechtsanwältin spezialisiert auf erneuerbare Energien, berichtet, sie habe auch Mandanten, denen es gelinge, Freilandanlagen über Fondsgesellschaften zu finanzieren. Diese würden ja durchaus eine gewisse Rendite erwarten. Sie sieht auch immer noch viele Gewerbeanlagen, die sich umsetzen ließen und bei denen die Bankenfinanzierung kein Problem sei: „in der Landwirtschaft, Teppichhandel, Wäschereien, Schulen, Tankstellen, sehr viele Bereiche sind da dabei“, sagt sie.
Absolute Zahlen erschreckend
Bei den absoluten Zubauzahlen fallen vor allem der Einbruch bei kleinen und mittleren Gewerbeanlagen im September (38 Megawatt) und der hohe Wert im Juli (208 Megawatt) auf (Grafik 2). Wer konnte, hat seine Anlage vor der Reform in Betrieb genommen. Ob der Einbruch beim Zubau von Gewerbeanlagen im September hauptsächlich der EEG-Reform geschuldet ist, die die Rendite gerade in diesem Segment stark verschlechterte, oder teilweise den Vorzieheffekten, wird man wohl erst in einigen Monaten sehen. Wenn man aus den Zahlen etwas Positives lesen will, dann vielleicht, dass das Gewerbeanlagensegment bis September im Vergleich zu den anderen Segmenten stärker war als gedacht und dass überhaupt noch Freiflächenanlagen gebaut wurden und werden.
Die Tragweite dieser Entwicklung im September zeigt sich, wenn man daraus eine Prognose für 2015 macht. Rechnet man sie hoch, bestätigt sie den negativen Trend. Dann landet man für 2015 bei nicht mehr als 1,3 Gigawatt Zubau insgesamt, was für viele Unternehmen fatal sein dürfte.
Optimistischer Ausblick 2015
Stefan de Haan sieht die deutsche Photovoltaikwelt aber nicht so negativ und wagt für das Jahr 2015 einen „optimistischen Ausblick“, so der Analyst vom Marktforschungsinstitut IHS. Er hält 2,4 Gigawatt für durchaus möglich. „Es gibt keinen Grund, warum die Situation noch schlechter werden sollte“, erklärt er. Eher besser.
Dafür sieht er eine Reihe von Gründen: Eine weitere politische Diskussion, die das Image schädigt, sei nicht in Sicht. Das Image der Photovoltaik liege in der öffentlichen Wahrnehmung schon am Boden und wenn die Spieler am Markt die Zusammenhänge richtig kommunizierten, könne es nur besser werden. Außerdem stelle sich derzeit der Markt um. Die Beteiligten lernten allmählich, Eigenverbrauchsanlagen zu verkaufen, zu planen und zu finanzieren.
Auch die Wirtschaflichkeit der Anlagen sieht de Haan als durchaus akzeptabel an. Die Degression werde gebremst und die Preise könnten eventuell sinken. In der EU besteht derzeit ein Mindestpreis von 52 Cent pro Watt Modulleistung. Der Weltmarktpreis für Module namhafter Hersteller liege unter 50 Cent, wobei in Deutschland noch niedrigere Preise von bis zu 45 Cent für große Feiflächenprojekte möglich seien. „Ich vermute, der Mindestpreis wird auch sinken“, sagt de Haan.
Die Analysten betrachten für ihre Prognosen zum einen die Renditen, die erzielbar sind, zum anderen führen sie qualitative Interviews mit relevanten Personen in der Branche und bilden sich daraus ihre Meinung. Dabei geht es ihnen gar nicht um absolute Renditen, sondern um die Trends bei der Berechnungsmethode, die IHS seit Jahren nutzt. „Die Renditen sind momentan genauso gut wie zu den Boomzeiten vor drei Jahren“, sagt de Haan. Es sind also die schwerer fassbaren Faktoren, die mit der Finanzierung, dem Risiko und der Psychologie zusammenhängen, die den Ausbau begrenzen. Im Kleinanlagensegment ist das etwa, dass etliche Installationsbetriebe aus dem Markt ausgestiegen sind, was dazu führt, dass weniger verkauft wird. Daher nimmt er in diesem Segment für 2015 nur eine kleine Steigerung zu diesem Jahr an: etwa 500 Megawatt. Dieses Jahr werden es wohl 400. Im Freiflächensegment werden die Ausschreibungen von Anlagen mit 600 Megawatt Leistung kommen. De Haan nimmt an, dass davon rund 400 Megawatt auf jeden Fall gebaut werden. Für die Gewerbeanlagen hält er 1,5 Gigawatt für möglich, rund 300 Megawatt mehr als vermutlich 2014. Den Einbruch jetzt im September interpretiert er als Ausgleich der Vorzieheffekte.
Pessimistischer Ausblick 2015
Spricht man mit Projektierern, ist die Einschätzung sehr heterogen. Christoph Strasser von Maxsolar sagt zum Beispiel, dass es ihnen auch unter den neuen Bedingungen unter vernünftigen Annahmen wieder gelingt, Gewerbeanlagen zu realisieren (Seite 47).
Aber nicht alle sehen, dass die Renditen so rosig sein sollen. Das hängt oft daran, welche Stromkostensteigerung man annimmt. „Ich will nicht in einigen Jahren mit einem Gewerbetreibenden zusammensitzen, dem ich eine Anlage verkauft habe, und mir anhören, dass der Strompreis dann doch deutlich weniger gestiegen ist als vier Prozent“, sagt Raphael Huber, von Sunovis, der dieses Jahr keine Gewerbeanlagen mehr gebaut hat. Das Risiko ist einfach ein ganz anderes als früher, da der Strompreis eine große unbekannte Variable in die Rechnung hineinbringt. Außerdem, so sagt er, sind die Beispiele für akzeptable Renditen auch an anderen Stellen mit Zahlen gerechnet, bei denen man früher vorsichtiger gewesen wäre.
Nach einem konservativeren Szenario für 2015 befragt, hält es Stefan de Haan auch für möglich, dass der Markt nur auf 1,7 statt auf 2,4 Gigawatt kommen wird. Das sähe dann so aus: Da weniger Installateure kleine Anlagen verkaufen als gedacht, sinkt der Zubau bei den Kleinanlagen auf 300 Megawatt. Die Gewerbeanlagen würden auch weiter einbrechen, am Ende werden dann insgesamt nur 1,7 Gigawatt zugebaut. Es gibt jedoch etliche Experten in der Branche, die noch deutlich pessimistischer denken und auch die besagten 1,3 oder 1,4 Gigawatt für möglich halten, falls es ganz schlecht kommt.
Besser als letztes Jahr
Dass auch Analysten irren können oder sich das Marktumfeld schnell ändern kann, zeigt die Markteinschätzung von IHS für 2014, gegeben im Dezember 2013. Sie erwarteten damals, „dass sich der deutsche Solarmarkt in 2014 bei etwa 3,3 bis 3,8 Gigawatt einpendeln wird“. Jetzt wird er wohl unter zwei Gigawatt landen. Sie hätten den Übergang zu eigenverbrauchsgetriebenen Modellen unterschätzt, so de Haan. Die Situation sei vielleicht vergleichbar mit einer Geldanlage. Die Photovoltaik bis 2012 entspreche dabei einem Sparbuch, die Photovoltaik von heute sei mit Aktien vergleichbar. Wer in Aktien Geld anlegt, muss sich mehr mit der Materie beschäftigen und ein höheres Risiko eingehen. „Damit tun sich die Menschen schwer“, sagt de Haan, aber die Branche sei eben auf dem Weg dorthin. Er steht daher zu seinem Ausblick. 1,3 Gigawatt kann er sich gar nicht vorstellen. Schon 1,7 Gigawatt seien „sehr konservativ“, 2,4 eben optimistisch, aber nicht unrealistisch.

EuropaWeltweit
UK3.255China14.354
Frankreich828Japan8.627
Italien780USA8.295
Niederlande459
Schweiz376
Österreich334
Dänemark199
Polen185
Belgien169

Chancen auf dem Weltmarkt: Ausblick der Analysten von IHS auf die größten Photovoltaikmärkte weltweit im Jahr 2015 und auf interessante Märkte in Europa.

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